Bielefeld. - Anlässlich der Aktionärs-Hauptversammlung von Bayer am Mittwoch haben Nichtregierungsorganisationen und ein Kasseler Hochschulfachgebiet gegen die weltweite Vermarktungsoffensive des Konzerns mit dem Hormonimplantat Jadelle protestiert. Die Organisationen, die mit eigenen Redebeiträgen auf der Hauptversammlung präsent sein werden, kritisieren häufige Nebenwirkungen und eine Unterordnung reproduktiver Gesundheitsbelange unter bevölkerungspolitische Ziele. Sie fordern einen Stopp der Vermarktung von Jadelle im Rahmen bevölkerungspolitischer Programme.
Derzeit nutzt das Pharmaunternehmen Bayer HealthCare das Revival bevölkerungspolitischer Ziele in der Entwicklungspolitik, um das Verhütungsimplantat Jadelle weltweit massiv zu verbreiten. Unter dem Namen Jadelle Access Program bietet der Konzern seit 2012 das fünf Jahre wirksame Hormonimplantat verbilligt an die Entwicklungsprogramme an, im Tausch für eine Abnahmegarantie von 27 Millionen Implantaten innerhalb von sechs Jahren. Zielgruppe sind insbesondere Frauen in denjenigen ländlichen Regionen Afrikas, in denen es keine oder kaum medizinische Infrastruktur gibt.
Nebenwirkungen wie lang anhaltende oder ausbleibende Blutungen, Migräne, Gewichtsabnahme oder -zunahme, Depressionen und Haarausfall treten klinischen Studien zufolge sehr häufig oder häufig auf. Das Herausoperieren des in den Oberarm eingenähten Implantats erfordert ausgebildetes medizinisches Personal und ist oftmals mit Komplikationen verbunden. Gegen das nahezu identische Vorläuferprodukt Norplant gab es deswegen in den 1990er Jahren weltweite Proteste von Frauengesundheitsorganisationen sowie erfolgreiche Entschädigungsklagen.
Besonders problematisch ist, so Daniel Bendix von glokal e.V , dass "Jadelle derzeit gerade da verbreitet wird, wo Frauen sich nicht angemessen zu Nebenwirkungen beraten oder die Implantate jederzeit wieder herausoperieren lassen können. Dies ist die explizite Zielgruppe des Jadelle Access Program."
Susanne Schultz vom Gen-ethischen Netzwerk kritisiert die Unterordnung von Gesundheitsanliegen unter bevölkerungspolitische Ziele. "Bayer profitiert davon, dass aktuelle Bevölkerungsprogramme darauf abzielen, die Geburtenraten in afrikanischen Ländern zu senken und die Zahl der Nutzerinnen moderner Verhütungsmethoden zu steigern. Gesundheit und Handlungsspielräume der Nutzerinnen geraten ins Hintertreffen." Die koordinierte Protestaktion wendet sich damit nicht nur an Bayer HealthCare, sondern auch an die deutsche Bundesregierung.
Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat, laut BUKO 2013 Bevölkerungspolitik zu seinem "Querschnittsthema" deklariert und unterstützt die Verbreitung der Verhütungsimplantate. Auch kooperiere das BMZ im Rahmen bevölkerungspolitischer Tagungen und Projekte mit Bayer HealthCare.
=> Susanne Schultz/Daniel Bendix 2015: Weniger Kinder statt bessere Versorgung? EZ-Projekte zunehmend bevölkerungspolitisch ausgerichtet
=> Daniel Bendix/Susanne Schultz 2013: Implantierte Verhütung.
=> BUKO Pharma-Kampagne 2013: Verhütungsimplantate für die Frau von Welt? Wie ein zweifelhaftes Mittel mit öffentlicher Hilfe vermarktet wird.
Quelle: bukopharma.de