Berlin. - In der Koalition verschärft sich der Streit um die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen im internationalen Rohstoffhandel. Mit Sorge beobachten entwicklungspolitische Organisationen, dass es bei CDU/CSU und SPD bisher offenbar keinen Konsens gibt, sich dem Votum des Europäischen Parlaments anzuschließen. Dieses hatte am 20. Mai für verbindliche Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette von Unternehmen gestimmt, um die Finanzierung von Konflikten durch Rohstoffe zu unterbinden. Entwicklungsorganisationen haben anlässlich der am Mittwoch stattfindenden Fragestunde im Bundestag verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen gefordert, um Finanzierung von Bürgerkriegen durch Rohstoffe zu beenden.
Die Christliche Initiative Romero, Germanwatch, das Ökumenische Netz Zentralafrika und PowerShift drängen darauf, dass die Bundesregierung sich dem Vorschlag des Europäischen Parlaments anschließt. Damit würde sie einem Rohstoffhandel, der gravierende Menschenrechtsverletzungen und Bürgerkriege finanziert, einen Riegel vorschieben.
"Das Problem löst sich nicht durch Wegschauen. Deutschland muss sich nun auf europäischer Ebene für eine Verordnung einsetzen, die Sorgfaltspflichten der Unternehmen verbindlich festschreibt", forderte Cornelia Heydenreich von Germanwatch.
"Die Bundesregierung muss das Votum des Europäischen Parlaments aufnehmen und damit über den Vorschlag der EU-Kommission hinausgehen", so Heydenreich weiter. Die EU-Kommission hatte in ihrem Verordnungsvorschlag vom März 2014 nur einen freiwilligen Standard vorgesehen.
Michael Reckordt von PowerShift ergänzt: "Wir erleben derzeit, dass der von der Industrie geforderte freiwillige Standard zu nichts führt. Solche Standards gibt es nämlich bereits, doch die meisten europäischen Unternehmen drücken sich da herum."
"Die vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und einigen CDU-Politikern verbreitete Behauptung, dass eine weltweit verbindliche Sorgfaltspflicht die Lage im Kongo verschlechtern würde, entbehrt jeder Grundlage", so Gesine Ames vom Ökumenischen Netz Zentralafrika.
Eine Studie des belgischen Forschungszentrums IPIS belegt das Gegenteil: Demzufolge hat ein US-Gesetz, das Verbindlichkeit vorsieht, bereits wichtige Prozesse angestoßen. So hätten bei einer Recherche 2009/2010 noch 57 Prozent der Minen im Kongo unter dem Einfluss von bewaffneten Gruppen gestanden. 2013/2014 waren es "nur noch" 26 Prozent.
Anna Backmann von der Christlichen Initiative Romero: "Die Bundesregierung darf dem Druck aus der Industrie nicht nachgeben. Menschenrechte dürfen nicht Wirtschaftsinteressen geopfert werden."
Als Konfliktrohstoffe gelten Gold, Tantal, Wolfram und Zinn. Mit dem Abbau und dem Handel dieser Rohstoffe finanzieren sich in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo oder Kolumbien bewaffnete Gruppen, die gravierende Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung verüben. Dazu gehören Folter, Vergewaltigungen und die Rekrutierung von Kindersoldaten.
Diese Mineralien aus den Konfliktregionen gelangen über verschiedene Produktionsschritte auch auf den europäischen Markt. Die Europäische Union importiert 16 Prozent der weltweit gehandelten Konfliktmineralien Zinn, Wolfram, Tantal und Gold (3TG), u.a. zur Herstellung von Technologieprodukten. Zusätzlich dazu importieren Unternehmen enorme Mengen dieser Metalle schon verarbeitet in Form von Laptops und Smartphones.
=> Onlinepetition: Keine Rohstoffe, die Konflikte finanzieren
Die Petition wird getragen von sieben Entwicklungsorganisationen und dem Netzwerk CorA – Corporate Accountability
Positionspapiere Arbeitskreis Rohstoffe
=> Arbeitskreis Rohstoffe (2015) Verantwortung entlang der Lieferkette im Rohstoffsektor
=> Arbeitskreis Rohstoffe (2014) Für eine wirksame EU-Gesetzgebung zu Konfliktrohstoffen
Quellen: alternative-rohstoffwoche.de / ci-romero.de / oenz.de / germanwatch.org