AidsBamako (epo). - HIV/Aids ist kein Tabu-Thema mehr in Mali. Dass dem so ist, ist auch dem aktiven Einsatz der religiösen Führer zu verdanken. Muslime wie Christen engagieren sich verstärkt für eine Sensibilisierung hinsichtlich dieser Gefahr. Und Mali ist kein Einzelfall. Gerade der Einfluß traditioneller muslimischer Autoritäten findet aktuell mehr Berücksichtigung unter entwicklungspolitischen Akteuren. Oft ermutigt und finanziert von internationalen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, wirken die Religiösen auf ihre Gläubigen ein, sei es zur Friedenserhaltung oder zur Eindämmung der Immunschwäche-Krankheit Aids.

Beispiel Mali: Die letzten Monate waren eine rege Phase des Aufbaus gemeinsamer christlich-muslimischer Strukturen im Kampf gegen Aids. Im Juli hatte sich eine "Allianz religiöser Führer" gebildet, unter dem Motto: "Muslime und Christen gegen Aids". Ihre Gründung wurde am 12. Juli 2005 im Ministerium für territoriale Administration und Lokalverwaltung angekündigt. Unterzeichnet vom Präsidenten des Hohen Islamischen Rates von Mali, dem Erzbischof von Bamako und dem General-Delegierten der Kirchen und protestantischen Missionen von Mali, erklärten sie: "Durch diese Organisation zeigen wir religiöse Führer, daß die Religionen in perfekter Harmonie in unserem Land koexistieren und zusammen alle Herausforderungen bewältigen können. So ist der Einsatz dieses Bündnisses unser bescheidener Beitrag zu den ansehnlichen Anstrengungen der Regierung von Mali und alle ihrer Partner im Kampf gegen Aids."

Dementsprechend wurden die Verantwortlichen aller katholischen Gemeinden in der Erzdiözese von Bamako am 2. September für eine erste Information über diese neue Assoziation zusammengerufen. Und am 6. September trafen sie sich wieder mit Moslems und den Protestanten im Kongreßzentrum von Bamoko, um erste konkrete Aktivitäten zu beschließen.

Gut eingepaßt in diese Entwicklung ist die aktuell laufende "Karawane religiöser Führer Westafrikas gegen Aids". Losgezogen war sie am 4. November in Mauretaniens Hauptstadt Nouakchott. Mali, der Senegal, Burkina Faso und der Niger lagen auf der weiteren Route christlicher und muslimischer Repräsentanten. Der Abschluß ist für den 4. Dezember in der nigerianischen Hauptstadt Abuja geplant. Organisiert wurde die Karawane vom "Netzwerk der religiösen Führer Westafrikas für den Kampf gegen Aids". Ihr Ziel: Sensibilisierung gegen die Stigmatisierung und Diskriminierung der Infizierten und Information über die Krankheit selbst.

Der Aufenthalt der Karawane in Mali und die Teilnahme religiöser Führer des Landes sind ein Erfolg, vor allem angesichts eines Workshops für 50 Führer aus den Reihen der Katholiken, Protestanten und Muslime zum Thema Aids. "Die Zusammensetzung der Karawane, mit Muslimen, Katholiken und Protestanten, mit Menschen, die mit der Krankheit leben und mit Journalisten, ist enorm aussagekräftig im Kampf gegen Aids", schwärmte die Gesundheitsministerin des Landes, Mme Maiga Zenaib Mint Youba.

Mit Ihrer Kampagne unterstützen die religiösen Führer, Muslime und Christen Malis in bisher ungewohnter Deutlichkeit die Anstrengungen der Regierung des Landes in der Bekämpfung von Aids. "Kampf der Diskriminierung und Stigmatisierung der durch Aids Betroffenen" lautet das Motto. Schweigen oder die Verbreitung falscher Informationen würden der Ausbreitung der Krankheit nur Vorschub leisten. Vielmehr sei eine intensive Informationsarbeit zum Thema nötig, sind sich die Beteiligten einig.

Bei einer vorbereitenden gemeinsamen Pressekonferenz zur Karawane hatten die Vertreter der drei malischen Glaubensrichtungen (Pr. Thierno Hady Thiam Repräsentant der muslimischen Führer, Pastor Daniel Tangara für die protestantische Gemeinde und Urbain Sangare für die Katholiken) am 10. November in Bamako erklärt, dass die Ausbreitung der Krankheit auf drei Faktoren zurückzuführen sei: Auf eine Verhaltensänderung in der Bevölkerung weg von erfolgreichen traditionellen Bindungen, auf die Armut und das Unwissen über Verbreitungswege der Krankheit.

Aids in Afrika. Foto: Brunn
Peulh-Führer Bubakar Bello macht auf dem traditionellen Festival
von Peulh und Tuareg (Cure Sale) im Niger Werbung für Kondome.
Foto: ? 2004 by Erhard Brunn

Gemeinsam sprachen sich die drei aber gegen die Nutzung von Kondomen (außer in der Ehe mit einem infizierten Partner) aus. Die Krankheit bezeichneten sie als eine Krankheit wie andere und forderten die Gläubigen zur sorgenden Hinwendung zu Betroffenen auf. Die so gewonnene Gemeinsamkeit der religiösen Führer bezeichneten Pr. Thiam und Pastor Tangara auf der Pressekonferenz "als einen großen Gewinn für das Land an sich". Gemeinsame Positionen im Kampf gegen Aids sind damit Treue und Abstinenz.

"Allerdings ist die Position des Weltkirchenrats diesbezüglich eindeutig", sagte Helmut Hess, Kontinentalleiter Afrika bei Brot für die Welt und Mitglied der Ecomenical Africa Regional Group des Weltkirchenrats protestantischer Perspektive. "Um Leben zu retten, ist der Einsatz aller verfügbaren Mittel geboten, auch der Kondome". Anderseits, so Hess, "sollte man die Bedeutung der Kondomfrage auch nicht überbewerten" - insbesondere wenn es um die Bildung eines derartigen interreligiösen Bündnisses gehe, das einen Minimalkonsens formuliere, die Partner aber nicht daran hindere, weitere Maßnahmen zu ergreifen.

Ein Blick in die Nachbarländer unterstreicht die Bereitschaft muslimischer Führer zur Kooperation:

Beispiel Niger: Eine am 23. November von Ruth Bigalke und Heino Güllemann für das LUCOP Gemeinschaftsprogramm von GTZ, DED und KfW im den Niger vorgelegte Studie, belegen auch dort eine große Offenheit der muslimischen Führer für die Kooperation zur Aids-Prävention. Der Niger erlebt seit Mitte 2003 generell eine rasante Verdichtung der Dialoggespräche zwischen führenden Repräsentanten von Islam, Katholizismus und evangelischer Kirche.

Beispiel Senegal: Schon 2001 wurde ein interreligiöses Bündnis gegen Aids etabliert. Muftis sprachen in der Folgezeit im Radio zu den Gefahren von HIV/Aids, besprachen Videos und Kassetten und machten die Pandemie zum Thema im Freitagsgebet. So hörte auch mancher Muslim, der weit von den großen Moscheen entfernt lebt, irgendwann eine Kassette mit der ihm gut bekannten Stimme eines berühmten Predigers. Mit dieser Unterstützung konnte es teils sogar zu einer Pro-Kondom-Kampagne kommen.

Kein Wunder also, dass auf einer vom 13.-18. November in Nairobi veranstaltete Konferenz zur Verbesserung der christlich-muslimischen Zusammenarbeit in Afrika mit Teilnehmern aus acht afrikanischen Ländern auch der Senegal vertreten war. Veranstalter war Procmura, ein Bündnis afrikanischer, vor allem protestantischer und evangelikaler, partiell auch katholischer Kirchen für den Dialog und die Kooperation mit muslimischen Organisationen, mit Sitz in Nairobi. Gemeinsam riefen die Teilnehmer dazu auf, neue Wege für die Lösung der Probleme des Kontinents zu finden. Dabei nannten sie ausdrücklich die Zurückdrängung von Aids als ein notwendiges Kooperationsfeld.

Erhard Brunn

 Der Autor war in den Jahren 2003/2004 Berater für Informationsarbeit im Projekt LUCOP im Niger (Redaktion)


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