Berlin. - Reporter ohne Grenzen (ROG) hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) aufgefordert, bei seiner Iran-Reise in der kommenden Woche die unverminderte Verfolgung kritischer Journalisten und Blogger in aller Deutlichkeit zu kritisieren. Erst in dieser Woche verurteilte die iranische Justiz erneut drei Journalisten zu langen Haftstrafen. Vielen verurteilten Medienschaffenden werde in der Haft trotz schwerer Krankheiten angemessene medizinische Versorgung verweigert, berichtete ROG.
"Solange der Iran Journalisten reihenweise aburteilt und unter menschenunwürdigen Haftbedingungen festhält, kann es auch nach dem Ende der Atomsanktionen kein business as usual mit diesem Regime geben", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. "Wenn der Iran ein normaler Handelspartner werden will, muss das Regime auch im Inneren Zeichen der Öffnung setzen und die vielen willkürlich inhaftierten Journalisten freilassen."
Ein Gericht in Teheran verurteilte vergangenen Dienstag AFARINE CHITSAS von der Zeitung Iran, EHSSAN MASANDARANI von der Zeitung Farhichteghan und SAMAN SAFARSAI von der Monatszeitschrift Andischer Poya nach Angaben ihrer Anwälte zu Haftstrafen von zehn, sieben und fünf Jahren. Die Vorwürfe gegen sie lauteten unter anderem auf Propaganda gegen die Islamische Republik sowie Konspiration gegen Regierungsvertreter.
Zeitgleich mit den drei nun Verurteilten war am 2. November auch der prominente Journalist ISSA SAHARKHIS verhaftet worden, der in der Vergangenheit mehrere Reformzeitungen leitete. Obwohl er an Bluthochdruck sowie schweren Nieren- und Herzproblemen leidet, werde ihm in Haft angemessene medizinische Versorgung verweigert, so ROG. Anfang März beendete er seinen dritten Hungerstreik gegen diese unmenschliche Behandlung.
Am 20. April begann vor dem Teheraner Revolutionsgericht nach viermaligem Aufschub der jüngste Prozess gegen NARGES MOHAMMADI, die unter anderem als Sprecherin des von Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi gegründeten, seit 2006 verbotenen Zentrums für Menschenrechtsverteidiger bekannt ist. Die Justiz wirft Mohammadi "Verschwörung gegen die nationale Sicherheit" vor. Sie wurde nach Angaben von ROG zuletzt am 5. Mai 2015 verhaftet - offiziell, um eine sechsjährige Haftstrafe im Teheraner Evin-Gefängnis zu verbüßen, zu der sie 2011 wegen Anti-Regime-Propaganda, Zusammenarbeit mit dem seit 2006 verbotenen Ebadi-Zentrum sowie "Konspiration gegen die Islamische Republik" verurteilt wurde.
Mohammadi leidet infolge einer schweren Nervenkrankheit unter Muskellähmungen, erhält aber in der Haft nach Darstellung ihres im französischen Exil lebenden Ehemanns keinen regelmäßigen Zugang zu Medikamenten. Im vergangenen Oktober verbrachte sie einen zehntägigen Krankenhausaufenthalt in Handschellen ans Bett gefesselt und wurde schließlich gegen ärztlichen Rat wieder ins Gefängnis verlegt. Kontakt zu ihrem Mann oder ihren Kindern werde ihr weitestgehend verweigert.
Besorgniserregend ist laut ROG auch die Situation des Bloggers HOSSEIN RONAGHI MALEKI, der eine 17-jährige Haftstrafe verbüßt. Die Justiz wirft ihm vor, Software zur Umgehung der Internetzensur entwickelt sowie Menschenrechtswebsites und -blogs unterstützt zu haben. Obwohl Malekis Gesundheitszustand nach mehreren Nierenoperationen seit Jahren lebensbedrohlich sei, halte die iranische Justiz ihn weiterhin im Gefängnis, wo ihm angemessene medizinische Versorgung verweigert werde. Aus Protest dagegen habe der Blogger am 26. März einen Hungerstreik begonnen.
Insgesamt sind im Iran mindestens 38 Journalisten und Blogger wegen ihrer Tätigkeit in Haft; damit gehört die Islamische Republik ROG zufolge zu den fünf Ländern mit den meisten inhaftierten Medienschaffenden weltweit. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht das Land auf Platz 169 von 180 Staaten. Nicht weniger als neun Institutionen seien im Widerspruch zu Artikel 24 der iranischen Verfassung mit der Zensur von Medienveröffentlichungen befasst. Seit der Wahl Hassan Rohanis zum Präsident im Jahr 2013 seien mindestens elf Zeitungen geschlossen worden.
Quelle: www.reporter-ohne-grenzen.de