unfcccMarrakesch. - Zum Abschluss der Weltklimakonferenz im marokkanischen Marrakesch haben nichtstaatliche Organisationen die konsequente Umsetzung des Klimaabkommens von Paris gefordert. Am Abschlusstag legten 47 der am meisten vom Klimawandel bedrohten Staaten Pläne vor, um ihre Energieversorgung so schnell wie möglich ohne Kohle und vollständig durch erneuerbare Energien sicherzustellen. Die Vereinten Nationen sprachen von einem "außerordentlichen Momentum" im Kampf gegen den Klimawandel.

"Marrakesch sendet ein klares Signal: Die Länder der Welt lassen sich von der Trump-Wahl nicht von dem in Paris eingeschlagenen Weg abbringen", sagte Greenpeace Geschäftsführer Martin Kaiser. "Jedem hier ist klar, dass die Zeit drängt, um die Menschen vor immer stärkeren Stürmen, Überflutungen und längeren Dürren zu schützen. Der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas wird konkreter, und er wird sich weiter beschleunigen müssen. Darauf müssen Investoren, Auto- und Energiekonzerne sich spätestens jetzt einstellen."

Greenpeace verwies darauf, dass mehr als 20 Länder, darunter Deutschland, die USA und Kanada, langfristige Pläne vorgelegt oder angekündigt haben, um die in Paris festgelegten Ziele zu erreichen. China habe bekräftigt, seine bisherigen Anstrengungen im Klimaschutz beizubehalten, ganz gleich wie sich die kommende US-Regierung hierbei verhält. 47 Staaten präsentierten Pläne, dass sie bei ihrer Energieversorgung ohne Kohle auskommen wollen und fossile Energie durch erneuerbare Energien ersetzen wollen.

"Die Bundesregierung hat die Dynamik in Marrakesch mit dem Klimaschutzplan 2050 unterstützt", sagte Martin Kaiser. "Um wieder eine Führungsrolle einzunehmen, muss sie ihren jüngsten Ankündigungen nun auch Taten folgen lassen. Es reicht für Deutschland nicht, Klimaziele für einzelne Branchen vorzulegen. Kanzlerin Merkel muss unmissverständlich festlegen, was diese Ziele tatsächlich bedeuten: einen Kohleausstieg innerhalb der kommenden 15 Jahre, die Abkehr von Verbrennungsmotor und Massentierhaltung, sowie den Schutz der Wälder."

MISEREOR: "AUF VERLÄSSLICHE ZUSAGEN KOMMT ES JETZT AN"

"Die in Marrakesch vorgestellte Africa Renewable Energy Initiative (AREI) zeigt, dass viele Entwicklungs- und Schwellenländer stärker auf klimafreundliche Energien setzen wollen, während die Bundesregierung und andere Industrienationen den unausweichlichen Schritt zum Kohleausstieg noch immer hinauszögern", kritisierte MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel. "Je länger wir aber mit dem Kohleausstieg und der Abschaffung von Subventionen für fossile Energien warten, desto unwahrscheinlicher wird es, die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Dann bleibt das positive Signal, das Paris und Marrakesch für den Klimaschutz gesetzt haben, nur heiße Luft."

Vor allem das geplante Partnerschaftsprogramm, in dem Industriestaaten die ärmeren Nationen mit Geld, Beratung und Technik zur Erreichung ihrer nationalen Klimaziele (NDCs) unterstützen, ist für Pirmin Spiegel ein entscheidender Fortschritt. "In den vereinbarten Maßnahmen zeigt sich, dass nicht nur die gemeinsame Verantwortung für den Schutz des Klimas endlich ernster genommen wird, sondern auch der Schutz der Verletzlichsten und am stärksten vom Klimawandel Betroffenen."

Für das Vertrauen in das Pariser Abkommen sei jedoch nicht nur wichtig, dass ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen für ärmere Länder zur Verfügung stehen. "Die Industrienationen müssen hier noch deutlicher nachlegen und vor allem die Unterstützung der Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel verbindlich und verlässlich klären", betonte der MISEREOR-Chef.

In Berlin stritten zuletzt Koalition und Bundesregierung monatelang über den Klimaschutzplan für Deutschland bis 2050 - eine Einigung kam erst kurz vor der Reise von Ministerin Barbara Hendricks nach Marrakesch zustande. "Die deutsche G20-Präsidentschaft im kommenden Jahr muss von der Bundesregierung genutzt werden, auch alle anderen Staaten der G20 ab sofort für ambitionierte, langfristige Strategien zum Klimaschutz zu verpflichten, die regelmäßig überprüft und vor allem verbessert werden", so Pirmin Spiegel.

AUFBRUCHSTIMMUNG NICHT VERFLOGEN

Das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt erklärte, die Aufbruchstimmung von Paris sei nicht verflogen. "In Marrakesch wurde konstruktiv weiter verhandelt, um das Pariser Klimaabkommen auszugestalten“, sagte Sabine Minninger, Klimaexpertin von Brot für die Welt. Die COP 22 habe deutlich gemacht, dass ambitionierte Klimapolitik und die Umsetzung weltweiter Richtlinien zur Minderung von Treibhausgasen nicht mehr aufzuhalten sind. "Die Ankündigung von 47 Staaten aus den ärmsten Regionen, zu 100 Prozent auf erneuerbare Energie zu setzen, ist dabei ein wichtiges Signal an Industriestaaten und Investoren, dass die Zeit der Kohle vorüber ist", so Minninger.

Doch es mangele an konkreter Umsetzung auf nationaler Ebene. "Vor allem viele reiche Länder sind unwillig, ihre Hausaufgaben zu machen", kritisiert Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt. Deutschland bilde da leider derzeit keine positive Ausnahme: "Der Klimaschutzplan 2050, der nach peinlich langem Gezerre der Lobbyisten und der Kabinettsmitglieder der Umweltministerin schließlich doch noch auf den Weg mitgegeben werden konnte, ist nicht geeignet, die Vorgaben des Pariser Abkommens zu erfüllen und darum auch nicht, vorbildhaft voran zu gehen. Dabei braucht die Welt vermutlich genau das, ein kräftiges politisches Vorbild, falls der künftige US-Präsident seine Ansagen zum Klimaschutz wahr machen sollte."

Zu einem solchen Vorbild gehörten auch beherzte finanzielle Zusagen für die vielen armen Staaten, für die die Zeit dränge, weil sie bereits Opfer von Klimaschäden sind. Brot für die Welt bedauert, dass sie bislang vergeblich auf finanzielle Zusagen warten. "Lange Debatten über technische und bürokratische Details sind nicht zielführend, solange kein Geld auf dem Tisch liegt", erklärte Minninger.

"Noch länger die Augen davor zu verschließen, dass die klimabedingten Schäden und Verluste von armen Menschen und Ländern nicht allein gestemmt werden können, und sich mit kräftigen solidarischen Finanzierungen zurück zu halten, ist äußerst töricht, wenn es darum geht, Menschen eine Perspektive in ihrer eigenen Heimat zu erhalten. Ausgleichzahlungen für die Klimaschäden sind nicht nur unserer Verantwortung für den Klimawandel angemessen und solidarisch, sondern sie sind auch nachhaltiger und menschenrechtskonformer eingesetzt als in Grenzsicherungsmaßnahmen in Nordafrika", betonte Füllkrug-Weitzel.

"Ein klarer Aufruf zu mehr Klimaschutz von Regierungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft hier in Marrakesch zeigt die Stärke und Einheit der Klimaschutzbewegung: Der Geist von Paris ist noch nicht verflogen", erklärte Sven Harmeling, klimapolitischer Koordinator von CARE. "Wir begrüßen den Fortschritt in den technischen Verhandlungen, aber für ein wirkliches Erfolgsrezept fehlen noch wichtige Zutaten. Ärmere Bevölkerungsschichten, vor allem Frauen und Mädchen, benötigen mehr Unterstützung bei der Anpassung an den Klimawandel, als die reichen Länder bisher bereitstellen. Um die Erderwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu halten, sind auch mehr Einsparungen bei CO2-Emissionen notwendig." 

Zur Rolle Deutschlands sagte Harmeling: "Durch seine Zahlungsankündigung für den UN-Anpassungsfonds und die neue Partnerschaft mit Entwicklungsländern zur Umsetzung nationaler Klimapläne hat Deutschland wichtige Impulse gesetzt. Zuhause wartet aber nun vor allem die Aufgabe, zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, damit das 2020-Reduktionsziel eingehalten wird."

In den technischen Verhandlungen ging es in Marrakesch vor allem um die Ausarbeitung der Umsetzungsregeln des Paris-Abkommens, zum Beispiel zur Vergleichbarkeit der Klimabeiträge der einzelnen Staaten und zur regelmäßigen Erhöhung der Klimaziele (Ambitionsmechanismus). Zu diesem "Regelbuch für das Paris-Abkommen" wurde ein Arbeitsprogramm beschlossen, das 2018 fertig sein soll. Das erfordert nach Einschätzung von Germanwatch konzentriertes Verhandeln. Außerdem wurde in Marrakesch bekräftigt, dass 2018 die erste Runde der Zielüberprüfung beginnen soll. "Noch klafft eine große Lücke zwischen den eingereichten nationalen Klimazielen und dem großen Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, am besten gar 1,5 Grad, zu begrenzen", betonte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. "Was in Marrakesch angekündigt wurde reicht nicht, um die Lücke zu füllen. Ab 2018 erwarten wir verbesserte Klimaziele von allen großen Emittenten."

Quellen: www.greenpeace.de  | www.misereor.de | www.brot-fuer-die-welt.de | www.care.de | www.germanwatch.org 


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