oxfamBerlin. - Trotz breiter und fraktionsübergreifender Zustimmung unter EU-Abgeordneten konnten am Mittwoch im EU-Parlament keine strengeren Regeln gegen die exzessive Nahrungsmittelspekulation beschlossen werden. Die absolute Mehrheit, die nötig gewesen wäre, um den Vorschlag der EU-Kommission ändern zu lassen, wurde verfehlt. Oxfam sieht nun die nationalen Aufsichtsbehörden in der Verantwortung, die exzessive Nahrungsmittelspekulation zu beenden, die Millionen Menschen bedroht.

"Zehntausende Europäer fordern, die maßlose Spekulation mit Nahrungsmitteln zu beenden", sagte Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam Deutschland. "Fraktionsübergreifend haben Europa-Abgeordnete dieses Anliegen unterstützt. Es ist bedauerlich, dass es im EU-Parlament trotzdem nicht die nötige Mehrheit hierfür gab. Jetzt kommt es auf die nationalen Aufsichtsbehörden an. Bürger/-innen in ganz Europa werden ihnen genau auf die Finger schauen. Die Aufsichtsbehörden müssen ihren Ermessensspielraum nutzen und den Einfluss von Spekulanten auf die Nahrungsmittelpreise beschränken, indem sie angemessene Grenzwerte für Handelspositionen einführen."

Angemessen wäre aus der Sicht von Oxfam ein Positionslimit, wenn ein einziger Marktteilnehmer am Ende des Termingeschäfts 10 bis 15 Prozent statt der bisher möglichen 35 Prozent des auf dem Markt lieferbaren Weizens oder anderer Agrarrohstoffe halten könnte. "Nahrungsmittelpreise sind für Millionen Menschen in Entwicklungsländern eine Frage von Leben und Tod", betonte Wiggerthale. "Denn sie geben bis zu 75 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus. Stabile Preise sind für sie wie auch für Bauern und Bäuerinnen essentiell."

Wenn die absolute Mehrheit des Europaparlaments die Resolutionen der Fraktionen S&D, GUE/NGL und Greens/EFA angenommen hätte, wäre die EU-Kommission gezwungen gewesen, die Regeln zur Eindämmung der Nahrungsmittelspekulation zu überarbeiten, bevor sie im Januar 2018 in Kraft treten, so Oxfam. Die EU-Kommission hatte am 1. Dezember 2016 die Regulierungsstandards für die Umsetzung der Finanzmarkt-Richtlinie (Markets in Financial Instruments Directive, kurz MiFID II) verabschiedet. Sie führen sogenannte Positionslimits ein, die festlegen, welche Anzahl von Kontrakten ein Händler oder eine Gruppe für einen einzelnen Rohstoff halten darf. Das Ziel ist zu verhindern, dass einzelne Händler oder Händlergruppen einen zu hohen Einfluss auf die Nahrungsmittelpreise ausüben können.

Unter bestimmten Voraussetzungen sind Positionslimits in Höhe von bis zu 35 Prozent möglich. Das bedeutet, dass ein einziger Spekulant am Ende des Termingeschäfts 35 Prozent des auf dem Markt lieferbaren Weizens halten kann. Damit könnten nur drei Händler allein den Finanzmarkt eines Rohstoffes kontrollieren. Maßlose Spekulation sei dadurch vorprogrammiert, befürchtet Oxfam. Zahlreiche NGOs hatten ein Positionslimit in Höhe von 10 bis 15 Prozent für Nahrungsmittel und Rohstoffe gefordert.

Die Bundesregierung könnte bis zum 1. März im Europäischem Rat dem Kommissionsvorschlag widersprechen. Bisher deutet nichts darauf hin, dass sie das tun wird. Ein Antrag der Grünen Bundestagsfraktion, über den am Donnerstag im Bundestag abgestimmt wird, sieht vor, dass der Bundestag die Bundesregierung auffordert, den Kommissionsvorschlag zurückzuweisen und wirksame Positionslimits einzufordern.

"Statt für die Eindämmung von Nahrungsmittelspekulationen einzutreten, bleibt die Bundesregierung im Europäischen Rat untätig", sagte Uwe Kekeritz, Sprecher für Entwicklungspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. "Der Kommissionsvorschlag lässt die Tore für Finanzspekulanten weit offen. Wir fordern deshalb die Regierung mit einem Antrag im Bundestag auf, den Kommissionsvorschlag zurückzuweisen. Jetzt liegt es an den Parlamentariern. Die SPD würde sich gegen ihr Parteifreunde im Europaparlament stellen, wenn sie den Antrag ablehnt. Wenn die Große Koalition den Antrag in die Ausschüsse überweisen würde, macht sie ihn gegenstandslos und entzieht sich ihrer parlamentarischen Verantwortung."

Quelle: www.oxfam.de 


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