urgewald neuBerlin. - Vom 13. - 15. Oktober tagt die weltweit einflussreichste Entwicklungsinstitution in Washington D.C. Zusammen mit NGO-Experten aus aller Welt hat urgewald bereits im Vorfeld im Rahmen des Civil Society Policy Forum die Vertreter der Bank und ihrer Mitgliedsstaaten zu Verbesserungen aufgefordert. Gefahren sieht urgewald derzeit vor allem durch die Schwächung fundamentaler Schutzstandards, klimaschädliche Kredite sowie problematische Partnerschaften mit der Privatwirtschaft.

1) Fehlende Details zu neuen Umwelt- und Sozialstandards

Nach über vier Jahren hat die Weltbank im August 2016 ihre so genannte “Safeguard Review” beendet. Das Ergebnis ist ein völlig neues Regelwerk zum Umgang mit Umwelt- und Sozialrisiken in Weltbank-Projekten. Die neuen Standards sollen frühestens Anfang 2018 zur Anwendung kommen. Noch immer fehlen entscheidende Details dazu, wie genau sie umgesetzt werden.

Die neuen Standards verabschieden sich weitgehend von Verbindlichkeit und lassen den Nehmerländern der Weltbank großen Freiraum, was die Einhaltung von Schutzstandards für die Umwelt und betroffene Menschen angeht. Dies ist hochriskant, insbesondere wegen der wachsenden Bedrohung zivilgesellschaftlicher Organisationen in vielen Staaten, die wichtige Kunden der Weltbank sind.

NGOs drängen vor allem bei den folgenden Punkten auf Verbesserungen:

- Wie genau das neue Regelwerk umgesetzt wird, hängt stark von den Implementierungsrichtlinien ab. Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen wie urgewald begleiten diesen Prozess daher eng.

- Entscheidend ist, nach welcher Methode nationale Umwelt- und Sozialstandards geprüft und zugelassen werden, wenn diese Weltbankstandards ersetzen sollen.

- Ein transparentes Monitoring-System sollte die Anwendung der neuen Standards zeitnah beobachten und die Resultate öffentlich zugänglich machen.

2) Ein Drittel des Weltbank-Portfolios sind potenziell klimaschädlich

Weltbank-Präsident Jim Yong Kim hat in der Vergangenheit immer wieder den Klimaschutzauftrag seiner Bank betont, unter anderem beim Start des Climate Action Plan im April 2016. Schließlich sind vor allem Menschen in armen Regionen der Welt von den Folgen des Klimawandels betroffen – was auch die jüngsten Hurrikans in der Karibik erschreckend gezeigt haben. Gleichzeitig investiert die Weltbank jedoch große Teile ihres Kapitals in Programme, die nicht konsequenten Umweltstandards folgen und das Klima durch Kraftwerke und Entwaldung schädigen. Dies geschieht unter dem Titel Development Policy Finance (DPF). Darüber hat die Bank allein im Zeitraum 2012 bis 2015 zwischen 30 und 50 Prozent ihres Kreditvolumens vergeben.

Bei DPF geht es etwa um Projekte in den Bereichen Wald-Management, Energie und Bergbau. Laut Untersuchungen des bankinternen Prüfmechanismus IEG kann die Weltbank die Überwachung der Projektfolgen dabei nicht sicherstellen. Dies schwächt neben dem Climate Action Plan auch den Forest Action Plan der Weltbank.

Mehrere NGOs haben Anfang des Jahres DPF-Projekte in Ägypten, Indonesien, Mosambik und Peru untersucht. Demnach wurden mithilfe der Weltbank-Gelder neue Subventionen für fossile Energieträger wie Kohle ermöglicht, wobei Anreize für erneuerbare Energien fehlten. Anfang März haben daher unter Federführung von urgewald 57 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen in einem Brief an Weltbank-Präsident Jim Yong Kim die mangelnde Kontrolle und Risiken bei DPF-Projekten kritisiert und Konsequenzen gefordert.

In einer aktuellen Kampagne wollen die Organisationen Climate Action Network (CAN) und Christian Aid zusammen mit urgewald und vielen weiteren Partnern globale Entwicklungsbanken zu einem Finanzierungsstopp für fossile Energieträger drängen.

 


3) Verwerfliche Weltbank-Projekte mit der Privatwirtschaft

Die Weltbank-Tochter für Projekte mit Partnern in der Privatwirtschaft, International Finance Corporation (IFC), vergibt einen Großteil ihrer Gelder über so genannte „Finanzintermediäre“ wie Banken oder Fonds. Hier fehlt es an Transparenz und Kontrolle. Immer wieder werden Projekte finanziert, die zu mehr Leid und Not führen, statt Entwicklung zu ermöglichen.

Wie gravierend das Problem ist, belegen mehrere Studien der urgewald-Partnerorganisation Inclusive Development International (IDI) aus den vergangenen Monaten. In einer im April dieses Jahres veröffentlichten Studie zeigte IDI auf, wie die IFC von Land Grabbing in Ländern Afrikas profitiert, darunter in Äthiopien, Gabun und Guinea. In einer früheren Studie zeigte sich auch, dass die Weltbank entgegen ihres im Jahr 2013 beschlossenen weitgehenden Kohle-Ausstiegs über ihre Tochter IFC die massive Kohle-Expansion in Asien mitfinanziert.

In ihrer monatelangen Untersuchung entdeckte IDI insgesamt 91 schädliche Projekte, die die IFC über Finanzintermediäre mitfinanziert hat. Es geht um 40 Milliarden US-Dollar, die im Zeitraum 2011 bis 2015 von der IFC an externe Finanzpartner geflossen sind. Diese investierten das Geld im Anschluss so wie sie es für angebracht hielten, mit kaum erkennbarer Aufsicht durch die IFC.

 

4) Wachsende Konkurrenz durch Asiatische Infrastruktur Investitionsbank

Unter Führung ihres Präsidenten Jim Yong Kim plant die Weltbank ihr Kapital zunehmend in riskante Großprojekte zu investieren und schneller abfließen zu lassen. Die Risiken für Menschen, vor allem die schwächsten sozialen Gruppen, sind dabei enorm. Gleiches gilt für die Umwelt.

Die Weltbank reagiert mit dieser Risikostrategie auf die zunehmende Konkurrenz im Bereich der Entwicklungsfinanzierung. So hat Anfang 2016 die Asiatische Infrastruktur Investitionsbank (AIIB) ihren Betrieb aufgenommen. Bei der AIIB sitzt erstmals China an der Spitze einer multilateralen Bank. Sie hat ihren Sitz in Peking und verfügt über ein Anfangskapital von 100 Milliarden US–Dollar. Deutschland ist neben weiteren EU-Staaten Gründungsmitglied und größter europäischer Kapitalgeber.

Auf einer von urgewald organisierten Expertentagung zur AIIB in Berlin Anfang März zeigten sich zahlreiche Insider und Beobachter besorgt über mangelnde Transparenz bei der Infrastrukturbank und warnten vor einem "Wettlauf" hin zu immer geringeren Schutzstandards.

 

5) Erwartungen an den neuen deutschen Exekutivdirektor

Seit Mai 2017 ist Jürgen Zattler neuer Exekutivdirektor Deutschlands bei der Weltbank. Damit ist er ab sofort auch die Stimme der Bundesregierung bei Abstimmungen im wichtigsten Weltbank-Gremium. urgewald erwartet ein deutlich stärkeres Drängen auf die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards als bisher. Will Deutschland seinem selbst formulierten Führungsanspruch beim globalen Umwelt- und Menschenrechtsschutz gerecht werden, braucht es gerade bei der Weltbank ein viel stärkeres Eintreten dafür – im Zweifelsfall auch zum Preis einer Enthaltung oder einer Gegenstimme bei Leitlinienentscheidungen. Gerade ein mächtiges Mitglied wie Deutschland könnte Taktgeber sein für eine ethische Neuausrichtung der Bank.

Quelle: urgewald.org


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