Berlin. - Mindestens 35 Länder müssen auf der Steueroasen-Liste stehen, die die Europäische Union kommende Woche auf den Weg bringen will. Politische Rücksichtnahme dürfe es dabei nicht geben. Das fordert die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam. In dem neuen Bericht "Blacklist or Whitewash? What a real EU blacklist of tax havens should look like" zeigt Oxfam unter anderem, dass mit Irland, Luxemburg, Malta und den Niederlanden auch vier EU-Staaten auf der schwarzen Liste stehen müssten, würde die EU ihre eigenen Maßstäbe konsequent anwenden.
Oxfam befürchtet, dass politischer Druck zur Verwässerung der Kriterien und damit zu einer nutzlosen Liste führt. Bei der Erstellung einer Steueroasenliste bewertet die EU-Kommission derzeit 92 Länder anhand gemeinsam festgelegter Kriterien, darunter Steuertransparenz und Anreize für Gewinnverschiebungen, wie etwa Steuersätze von 0 Prozent. Allerdings seien EU-Mitgliedsstaaten von dieser Bewertung ausgenommen – wichtige Steueroasen blieben damit schon aus formalen Gründen außen vor, so Oxfam.
Für den Bericht "Blacklist or Whitewash?" hat Oxfam dieselben 92 Länder sowie die 28 EU-Mitgliedsstaaten auf diese Kriterien hin überprüft. Dabei wurde deutlich, in welchem Missverhältnis die in Steueroasen gemeldeten Gewinne zur tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivität stehen: In Bermuda werde mit Lizenzgebühren und weiteren passiven Finanzflüssen das viereinhalbfache des Bruttoinlandsprodukts erlöst, auf den Bahamas immer noch mehr als das doppelte. Auch für Gewinnverschiebungen durch firmeninterne Kredite gebe es Anzeichen: Zinseinnahmen stellten auf den Kaimaninseln 73 Prozent, in Bermuda 40 Prozent und in Luxemburg 25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes dar.
Tobias Hauschild, Steuerexperte bei Oxfam Deutschland, erklärte: "Die EU muss auf Steuerskandale wie die Paradise Papers entschieden reagieren. Jetzt hat sie die Chance dazu: Eine kohärente Schwarze Liste mit wirksamen Sanktionen ist ein wichtiger Schritt, um Steueroasen endlich trockenzulegen. Wir erwarten, dass die von uns identifizierten Länder tatsächlich auf der Liste auftauchen. Alles andere wäre ein Freifahrtschein, das egoistische und sozial schädliche Businessmodell "Steueroase" fortzuführen und den ruinösen internationalen Steuerwettlauf nach unten weiter anzuheizen. Die G20 verzeichnen auf ihrer Steueroasenliste gerade einmal ein Land – den Inselstaat Trinidad und Tobago. Eine solche Farce darf sich die EU nicht erlauben."
Doch eine wirksame Steueroasenliste allein reiche nicht aus, so Oxfam. Eine öffentliche länderbezogene Berichterstattung von Konzernen über die in den jeweiligen Ländern erzielten Gewinne und darauf gezahlte Steuern sei unabdingbar, um Licht in das Steuerdunkel zu bringen. Doch dagegen sperre sich bislang die Bundesregierung. "Deutschland muss seine Blockadehaltung in der EU zur öffentlichen länderbezogenen Berichterstattung endlich aufgeben und sich für echte Steuertransparenz einsetzen", forderte Hauschild.
Quelle: www.oxfam.de