Berlin. - Die Diakonie Katastrophenhilfe fordert mehr Menschlichkeit in Politik und öffentlicher Debatte. "In den derzeitigen Diskussionen um Flucht und Asyl spielen Menschen und Einzelschicksale kaum noch eine Rolle", sagte Martin Keßler, Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, bei der Vorstellung des aktuellen Jahresberichts am Donnerstag in Berlin. "Doch es gibt derzeit fast 70 Millionen Flüchtlinge weltweit. Das sind 70 Millionen individuelle Lebenswege, von denen nur die allerwenigsten nach Europa führen."
Die meisten Flüchtlinge suchen Schutz im eigenen Land oder in Nachbarstaaten. "Wir fordern einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen, völlig unabhängig davon, wo sie Schutz suchen", erklärte Keßler. Das gelte auch für die Menschen in Syrien. Die Diakonie Katastrophenhilfe bewilligte im Jahr 2017 allein rund 6,5 Millionen Euro für die Unterstützung syrischer Flüchtlinge in den Anrainerstaaten und Vertriebene in Syrien.
"Wir haben, wie fast alle Hilfsorganisationen, in der Vergangenheit hauptsächlich in den Nachbarstaaten Syriens gearbeitet. Mittlerweile kann aber auch in Syrien selbst deutlich mehr getan werden", bilanzierte Keßler mit Blick auf aktuelle Hilfsprojekte, die sich besonders an die 6,6 Millionen in Syrien vertriebenen Menschen richten. Viele Familien leben dort in notdürftigen Unterkünften, in Zelten oder Ruinen. "Hier muss auch die Bundesregierung umdenken", so Keßler. "Bislang erhalten wir keine öffentlichen Mittel für unsere Arbeit in Zentralsyrien." Nichtstaatliche Akteure wie die Diakonie Katastrophenhilfe könnten nur für Hilfsprojekte in den Oppositionsgebieten staatliche Gelder beantragen. "Dort zu arbeiten, ist für uns jedoch immer noch extrem schwierig", so Keßler.
Weiterer Schwerpunkt der Arbeit der Diakonie Katastrophenhilfe war die Hungerkrise in weiten Teilen Ostafrikas. Allein für neue Hilfsprojekte in Südsudan und Somalia hat das evangelische Hilfswerk im Jahr 2017 über 7,5 Millionen Euro bereitgestellt. Durch frühzeitige Warnungen habe die internationale Gemeinschaft gerade noch rechtzeitig reagiert, um zu verhindern, dass zehntausende Menschen verhungern. Laut Keßler sei allerdings nur die Spitze des Eisbergs gekappt. Die Zahl der Hungernden sei weiter gestiegen. Aktuell litten im Südsudan über sieben Millionen Menschen an akuter Nahrungsmittelknappheit, eine Million mehr als im vergangenen Jahr.
"In Ländern mit so komplexen Konflikten wie im Südsudan ist der fehlende Zugang für die Helfer die größte Schwierigkeit", so Keßler. "Ohne politische Lösungen und den nötigen Respekt vor den humanitären Prinzipien geht es nicht. Erst das ermöglicht es uns, dort Hilfe zu leisten, wo die Menschen sie am dringendsten benötigen."
Die Diakonie Katastrophenhilfe hat im vergangenen Jahr in 42 Ländern Hilfe geleistet und dafür etwa 43 Millionen Euro bereitgestellt (Vorjahr 59,7 Mio. Euro). Dazu gehören Einsätze in Somalia, dem Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo, Bangladesch und Syrien. Insgesamt 130 Projekte wurden neu bewilligt. Die Spendeneinnahmen der Diakonie Katastrophenhilfe waren im Jahr 2017 mit über 27 Millionen Euro 28,9 Prozent höher als im Vorjahr (21,1 Mio. Euro). Die meisten Spenden bekam das Hilfswerk für die Nothilfe in Ostafrika.
Die Einnahmen aus öffentlichen Zuwendungen von der Bundesregierung, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen waren mit rund 17 Millionen Euro 43 Prozent niedriger als im Vorjahr. Die Gesamteinnahmen lagen damit bei 54,9 Millionen Euro (Vorjahr: 59,4 Mio. Euro). Der Anteil der Verwaltungs- und Werbungskosten lag bei 9,1 Prozent (Vorjahr 5,9 Prozent) und wird vom Deutschen Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI) als niedrig eingestuft.