mccBerlin. - Die politische Umsetzbarkeit von CO2-Preisen hängt weniger von deren geringen Kosten und wirtschaftlichen Vorteilen ab, sondern vor allem von der Akzeptanz der Bevölkerung. Um diese zu erhöhen, sind vor allem eine Zweckbindung der Einnahmen, eine transparente Steuerpolitik sowie eine Kompensation einkommensschwacher Haushalte ratsam – beispielsweise durch einen jährlichen Scheck an jeden einzelnen Bürger. Das geht aus der neuen Studie "Making Carbon Pricing Work for Citizens" hervor. Forscher des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin haben sie jetzt gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Oxford und der London School of Economics sowie anderen Institutionen veröffentlicht.

Relevant sind die Ergebnisse vor allem mit Blick auf die aktuelle Diskussion über CO2-Preise in Europa: In Deutschland hat sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kürzlich deutlich gegen die Einführung eines CO2-Preises ausgesprochen. Seine Kabinettskollegin, Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), hat einen CO2-Preis jedoch immer wieder befürwortet. Auch die Energiekonzerne Eon und EnBW setzen sich für das Steuerungsinstrument ein, um Fehlinvestitionen zu vermeiden.

Der französische Präsident Emmanuel Macron schlägt mit Blick auf die EU einen CO2-Mindestpreis von 30 Euro vor. Großbritannien hat bereits einen CO2-Mindestpreis von etwa 20 Euro. Trotzdem werden nur etwa 20 Prozent der weltweiten Emissionen durch CO2-Preise abgedeckt – und selbst dort liegen sie immer noch unterhalb des Bereichs von 40 bis 80 US-Dollar pro Tonne. Das wäre der nötige Korridor, um die 2015 in Paris beschlossenen Klimaziele zu erreichen, so das MCC.

Die Wissenschaftler können nun Wege aufzeigen, wie ausreichend hohe CO2-Preise politisch umsetzbar sind: Ausschlaggebend ist demnach unter anderem eine transparente Kommunikation der Kosten und Nutzen einer CO2-Steuerreform und eine Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Umstände in der jeweiligen Region. Abhängig von diesen Umständen kann zum Beispiel eine Verwendung der Steuereinnahmen für eine jährliche Scheck-Zahlung an jeden Bürger oder für eine Senkung der Unternehmenssteuern zur Steigerung der Produktivität die öffentliche Akzeptanz von CO2-Preisen erhöhen.

"Die Bereitschaft, einen bestimmten Kohlenstoffpreis zu zahlen, hängt maßgeblich von den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Überzeugungen ab sowie vom Vertrauen in die Politik", sagte Leitautor David Klenert. "Beispielsweise sind die Bürger in Deutschland und China eher zu einem höheren CO2-Preis bereit, wenn sie einen höheren Bildungsabschluss haben oder politisch links-grün eingestellt sind. In den USA hingegen ist eher entscheidend, wie sie generell gegenüber Steuern und Subventionen eingestellt sind. Das muss beim Entwurf einer Steuerreform berücksichtigt werden."

Falls Zweifel an der Lenkungswirkung eines CO2-Preises ein Haupthindernis für dessen Einführung sind, kann eine Verwendung der Einnahmen für nachhaltige Investitionen die Akzeptanz erhöhen, so das MCC. Wenn Verteilungsbedenken das größte Hindernis für höhere Kohlenstoffpreise darstellen, sind Klimadividenden oder Transfers an die Armen anderen Rückverteilungsmechanismen überlegen. Wenn stattdessen Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit das größte Hindernis darstellen – zum Beispiel in Ländern mit CO2-intensiven, stark dem Weltmarkt ausgesetzten Industriezweigen - könnten Ausnahmeregelungen für Unternehmen durch Transfers oder Steuersenkungen besser sein. In der Realität ist oft eine Mischung aus den oben genannten Optionen optimal, da mehrere Punkte gleichzeitig adressiert werden müssen.

Für ihre Forschung haben die Wissenschaftler die Erkenntnisse zur optimalen Nutzung von Kohlenstoffpreiseinnahmen aus traditionellen ökonomischen Analysen mit aktuellen Erkenntnissen aus verhaltens- und politikwissenschaftliche Studien zur öffentlichen Akzeptanz verglichen. Anschließend haben sie  vergangene und bestehende CO2-Preissysteme mit den theoretischen Erkenntnissen über Verteilungsgerechtigkeit, Ertragsstärke, politisches Vertrauen und politische Stabilität verglichen. Daraus haben sie die Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Unterstützung abgeleitet.

"Die politische Akzeptanz von CO2-Preisen steht und fällt mit einer Kommunikation, die die Vorteile stärker betont", sagte MCC-Direktor Ottmar Edenhofer, der auch designierter Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ist. "Mit Blick auf die steigende Ungleichheit auch in den Industrienationen wäre es sehr hilfreich zu unterstreichen, wie sehr eine solche Klimapolitik den Ärmeren helfen könnte. Zudem empfiehlt es sich mitunter, statt von einer 'Steuer' eher von einer 'Gebühr' oder einem 'Beitrag' zu sprechen, da der Begriff 'Steuer' für viele Bürger negativ belegt ist." 

Ein gutes Beispiel stellt die Schweiz dar: Der Staat bezeichnet sein CO2-Preissystem als "CO2-Abgabe" und schlüsselt die Verwendung der Einnahmen mit einem Drittel für nachhaltige öffentliche Investitionen und zwei Dritteln für Bürger und den privaten Sektor transparent auf. 2017 erhielt jeder Haushalt knapp 60 Euro als pauschale Rückerstattung. Die Wissenschaftler sind sich jedoch der politischen Hürden bewusst und mahnen zur Eile. Sie schreiben in ihrer Studie: "Die erfolgreiche Umsetzung im Jahr 2008 war das Ergebnis von 15 Jahren politischer Bemühungen, Abstimmungsniederlagen und Zugeständnissen an die Industrie."

Klenert, David; Mattauch, Linus; Combet, Emmanuel; Edenhofer, Ottmar; Hepburn, Cameron; Rafaty, Ryan; Stern, Nicholas (2018): Making Carbon Pricing Work for Citizens. Nature Climate Change

Quelle: www.mcc-berlin.net 


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