Berlin. - Zum internationalen Tag der Verschwundenen am 30. August hat Reporter ohne Grenzen (ROG) die burundischen Behörden aufgefordert, das Verschwinden des Journalisten Jean Bigirimana endlich aufzuklären. Seit Mitte Juli 2016 fehlt von dem Reporter der unabhängigen Nachrichtenseite Iwacu jede Spur. Zeugen zufolge habe der Geheimdienst ihn festgenommen. Seine Kollegen fanden zwei Leichen in der Nähe des Ortes, an dem Bigirimana das letzte Mal gesehen wurde. Die Behörden hüllten sich in Schweigen und führten damit die Praxis der Straflosigkeit im Land fort, so ROG.
"Wo ist Jean Bigirimana? Lebt er noch? Wer ist für sein Verschwinden verantwortlich? Seit über zwei Jahren warten Familie und Kollegen des Journalisten auf Antworten. Diese Ungewissheit ist unerträglich", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Es wird höchste Zeit, das Verschwinden Bigirimanas in einer unabhängigen Untersuchung lückenlos aufzuklären."
Bigirimana verließ am Morgen des 22. Juli 2016 sein Haus in der burundischen Hauptstadt Bujumbura, um einen Informanten in dem rund 45 Kilometer entfernten Ort Bugarama in der Provinz Muramvya zu treffen. Seiner Frau sagte Bigirimana, er werde zum Mittagessen zurück sein.
Nach seiner Ankunft in Muramvya sahen laut ROG mehrere Zeugen, wie Mitarbeiter des Geheimdienstes SNR den Journalisten festnahmen. Polizisten sagten Freunden Bigirimanas, dass er gefesselt in ein Auto gezerrt wurde, in dem der Leiter des regionalen SNR-Büros saß. Der Geheimdienst räumte zunächst ein, den Journalisten festzuhalten, zog dies aber später zurück.
Der SNR hatte Bigirimanas häufige Reisen nach Ruanda kritisiert, wo er kurz vor seinem Verschwinden an einem Journalistenseminar teilgenommen hatte. Viele burundische Journalisten sind in das Nachbarland geflohen. Von Ruanda aus berichten auch einige Exilmedien, da die Behörden nach dem Putschversuch in Burundi im Mai 2015 die meisten unabhängigen Radiosender geschlossen hatten.
Als Reaktion auf die Untätigkeit der Behörden ermittelten Bigirimanas Kollegen trotz Einschüchterungsversuchen der Polizei auf eigene Faust. Sie fanden zwei Leichen in einem Fluss nahe dem Ort, an dem der Journalist das letzte Mal gesehen wurde. Durch das Wasser waren die Toten aufgebläht, einem der Körper fehlte der Kopf.
Nachdem Bigirimanas Frau zur Identifizierung vorgeladen wurde, stand sie alleine in einem Raum, umgeben von Polizisten, und wurde gefragt, ob ein nackter, kopfloser Körper, der tagelang im Wasser gelegen hatte, ihr Mann war. Sie versuchte den Körper anhand der Füße zu identifizieren, dies war jedoch nicht möglich. Die Leichen wurden dann rasch ohne DNA-Test und ohne forensische Untersuchung begraben, so ROG.
Bigirimanas Frau setzt sich unermüdlich für die Aufklärung des Verschwindens ein. Immer wieder wurde sie deswegen bedroht. Einmal fand sie eine Nachricht vor ihrer Haustür, in der sie aufgefordert wurde, alle Aussagen zum Verschwinden ihres Mannes zurückzunehmen. Sie ging mit dem Brief zur Polizei, die jedoch nichts unternahm, um sie zu schützen oder die Drohungen zu untersuchen. Mittlerweile lebt sie mit den gemeinsamen zwei Kindern im Exil.
Iwacu erstattete im August 2016 Anzeige gegen unbekannt. Die Nichtregierungsorganisation Trial International, die gegen Straflosigkeit kämpft, verwies den Fall an die UN-Arbeitsgruppe für erzwungenes und unfreiwilliges Verschwinden.
Der öffentliche Druck zwang die burundischen Behörden zu reagieren. Einige Wochen nach dem Verschwinden Bigirimanas erklärte ein Polizeisprecher auf Twitter, dass die Staatsanwaltschaft in Muramvya Ermittlungen eingeleitet habe. Doch dieser knappen Ankündigung folgten keinerlei Anzeichen für eine tatsächliche Untersuchung des Verschwindens durch die Behörden. Nach ROG-Informationen befragte die Polizei weder seine Kollegen noch die Zeugen, die seine Festnahme beobachtet hatten.
Jean Bigirimana ist kein Einzelfall. Weltweit verschwinden Journalisten und Blogger, weil sie kritisch berichtet haben. Die Ungewissheit über ihr Schicksal hat eine erhebliche abschreckende Wirkung auf andere Journalisten. In Eritrea, das auf dem vorletzten Platz der Rangliste der Pressefreiheit steht, wird der Journalist Dawit Isaak seit dem Jahr 2001 ohne Urteil oder Anklage, ohne Kontakt zur Außenwelt und zu seiner Familie in einem der Internierungslager in Isolationshaft gehalten. Laut ROG-Informationen sind sieben der Journalisten, mit denen Isaak ursprünglich festgenommen wurde, mittlerweile gestorben. Ob Isaak noch lebt, ist unklar, das letzte Lebenszeichen gab es 2010 durch einen ehemaligen Gefängniswärter.
Quelle: www.reporter-ohne-grenzen.de