Berlin. - Die Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign) hat dem schwedischen Modekonzern H&M am Dienstag vorgeworfen, dass viele Arbeiterinnen und Arbeiter in Zulieferfabriken unter der Armutsgrenze leben, obwohl der Modekonzern ihnen für 2018 existenzsichernde Löhne versprochen hatte. Die Kampagne hatte für die Untersuchung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von sechs Fabriken in Bulgarien, Kambodscha, Indien und der Türkei befragt.
Die befragten ArbeiterInnen in Indien und der Türkei verdienen nach Angaben der Kampagne für Saubere Kleidung ein Drittel eines Lohns, der als existenzsichernd gilt; in Kambodscha sei es weniger als die Hälfte. Die Interviewten in einer bulgarischen, von H&M als "Gold"-Zulieferer ausgezeichneten Fabrik würden in regulärer Arbeitszeit sogar weniger als zehn Prozent eines existenzsichernden Lohns erhalten.
Eine Arbeiterin einer H&M "Gold"-Zulieferfabrik in Indien sagte: "Die Löhne sind so niedrig, dass wir Überstunden machen müssen, um zumindest unsere Grundbedürfnisse zu decken." In drei der sechs untersuchten Fabriken überschreiten die Überstunden laut der Clean Clothes Campaign oft das gesetzlich zulässige Höchstmaß, Sonntagsarbeit sei in allen gängige Praxis. "Wir betreten die Fabrik um 8 Uhr früh, aber wir wissen nie, wann wir gehen dürfen. Manchmal wird es 4 Uhr morgens", berichtete eine bulgarische Näherin der Fabrik "Koush Moda" – ebenfalls ein strategischer "Gold-"Zulieferer von H&M. Dort liege der Lohn für die reguläre Arbeitszeit sowohl unter dem gesetzlichen Mindestlohn als auch unter der Armutsgrenze.
Hungerlöhne, exzessive Überstunden und die zusätzliche Arbeitsbelastung im eigenen Haushalt führen nach den Recherchen der Kampagne für Saubere Kleidung häufig zu Mangelernährung, Burnout und Ohnmachten am Arbeitsplatz. Jede dritte befragte Person in Indien und zwei Drittel der Interviewten in Kambodscha seien schon einmal am Arbeitsplatz in Ohnmacht gefallen. Eine Arbeiterin aus Indien habe berichtet, dass sie dabei auf eine Maschine gefallen war und aufgrund innerer Blutungen ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
Die Interviews und die Studie wurden zwischen März und Juni 2018 im Rahmen der Kampagne "Turn Around H&M" erstellt. "Nachdem wir H&M mit den Ergebnissen der Recherche konfrontiert hatten, veröffentlichte der Konzern eine Pressemeldung. Darin schrieb er, dass er mit seiner Living Wage Strategie knapp eine Million Arbeiter*innen erreichen würde. Doch offensichtlich kommt bei ihnen nichts davon an. Statt Marketing-Versprechen fordern wir von H&M reale Steigerungen der Löhne von Arbeiter*innen in seinen Lieferketten – so, wie er es 2013 versprochen hatte", sagte Isabell Ullrich, Referentin für die Kampagne für Saubere Kleidung bei der Christlichen Initiative Romero.
Quelle: www.saubere-kleidung.de