rog logo neuBerlin. - Nur eine kleine Gruppe von Unternehmen dominiert die Medienlandschaft Indiens. Diese wirkt zwar auf den ersten Blick vielfältig, doch trotz der enormen Anzahl an Printmedien und Rundfunksendern gefährdet eine hohe Medienkonzentration den Medienpluralismus im Land. Obwohl mehr als 118.000 Printtitel im Land registriert sind, vereinen auf vielen regionalen Zeitungsmärkten jeweils die zwei führenden Medien mehr als die Hälfte der Leseranteile auf sich. Das geht aus dem Rechercheprojekts Media Ownership Monitor (MOM) Indien hervor, das Reporter ohne Grenzen (ROG) jetzt zusammen mit dem indischen Projektpartner DataLEADS veröffentlicht hat.

Die Ergebnisse sind ab sofort unter http://india.mom-rsf.org abrufbar. Sie stellen eine Bestandsaufnahme der indischen Medienlandschaft dar und zeigen, wem die Massenmedien des Landes gehören und wer sie letztlich kontrolliert.

"Indien ist einer der größten Medienmärkte der Welt. Doch die Konzentration von Medienbesitz zeigt, dass eine Handvoll Personen Medien im Land besitzt und kontrolliert. Unsere Recherchen bringen Transparenz in die Besitzstrukturen und zeigen ihre Auswirkungen auf den Medienpluralismus im Land", sagte Syed Nazakat, Gründer und CEO von DataLEADS.

"Die Ergebnisse des Media Ownership Monitor in Indien zeigen, dass eine Vielzahl an Medien nicht gleichbedeutend ist mit einer pluralistischen Medienlandschaft. Dank unserer Recherchen konnten wir eine Online-Datenbank erstellen, durch die alle Bürgerinnen und Bürger sehen können, welche Gesichter hinter den wichtigsten Medien im Land stehen", erklärte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.

Die Größe des südasiatischen Landes spiegelt sich auch in der Medienlandschaft wider. Laut den jüngsten Zahlen von Ende März 2018 sind mehr als 118.000 Printtitel bei der zentralen Registrierungsstelle für Zeitungen registriert, mehr als 36.000 davon sind wöchentlich erscheinende Magazine. In Indien senden mehr als 550 UKW-Radiosender und laut Informationsministerium mehr als 880 Satellitenfernsehsender, von denen 380 nach eigenen Angaben auch Nachrichten übertragen. Genaue Angaben zur Anzahl von Nachrichtenwebseiten im Land sind schlichtweg unmöglich.

Für das MOM-Projekt wurden 58 der reichweitenstärksten Medien Indiens untersucht. Die Recherchen zeigen, dass der Markt für Printmedien stark konzentriert ist. Unter den Zeitungen, die auf Hindi erscheinen, entfallen auf vier Medien – Dainik Jagran, Hindustan, Amar Ujala und Dainik Bhaskar – 76,45 Prozent der Leserschaft.

Ein ähnliches Bild ergibt sich in den regionalen Zeitungsmärkten der verschiedenen Sprachen, darunter Tamilisch, Telugu, Bengalisch, Oriya, Punjabi, Kannada, Gujarati, Urdu, Marathi und Assamesisch. Die zwei führenden Zeitungen vereinen jeweils mehr als die Hälfte der Leseranteile auf sich. So erreichen zum Beispiel auf dem Markt für Telugu-sprachige Zeitungen die Medien Eanadu und Sakshi rund 71 Prozent der Leserschaft.

Auf dem Radiomarkt hat das staatliche All India Radio (AIR) landesweit das Monopol für Radionachrichten. Das größte Radio-Netzwerk der Welt sendet in verschiedenen Sprachen und richtet sich an eine Vielzahl von Bevölkerungsgruppen. Private Rundfunkanstalten, die UKW-Radiosender betreiben, dürfen zwar Musik und Unterhaltungsprogramme senden, jedoch keine eigenen Nachrichtensendungen.

Zahlen über die Publikumskonzentration auf dem Fernsehmarkt waren laut ROG nicht verfügbar, da diese in Indien als Firmengeheimnis gelten. Die dafür zuständige Institution BARC habe sich wiederholt geweigert, die Daten dem MOM-Team zur Verfügung zu stellen. Die Entwicklungen in der indischen Medienlandschaft seien auch eine Folge der lückenhaften Regulierung. Es mangele an übergreifenden Vorgaben, die den Medienpluralismus effektiv schützen können. Gesetze, die der Besitzkonzentration Schranken setzen, gebe es weder für den Print- noch den Rundfunkmarkt.

Die Rechercheergebnisse offenbaren, dass die Mehrheit der untersuchten Medienunternehmen Verbindungen in Wirtschaft und Politik hat. Diese zeigen sich vor allem auf regionaler Ebene. Der Sender Odisha TV im Bundesstaat Odisha etwa ist im Besitz der Familie Panda. Baijayant Jay Panda wiederum ist nationaler Vizepräsident und Sprecher der regierenden Bharatiya Janata Party (BJP). Der Fernsehsender NewsLive im Bundesstaat Assam gehört der Frau von Himanta Biswa Sarma, einem mächtigen Kabinettsmitglied der BJP-Regierung in Assam.

Die meisten der führenden Medienunternehmen gehören großen Konglomeraten, die immer noch von den Gründungsfamilien kontrolliert werden und neben der Medienbranche in eine Vielzahl an weiteren Branchen investieren. Diese Verflechtungen zwischen Medien, Wirtschaft und Politik bedeuten ein hohes Risiko für den Medienpluralismus im Land, so ROG.

Ein mögliches politisches Druckmittel ist die Vergabe von staatlicher Werbung an Medien. Insbesondere auf regionaler und lokaler Ebene sind viele Medien finanziell davon abhängig. Jedoch waren keine Zahlen zu staatlicher Werbung auf Indiens Fernsehmarkt verfügbar und Auskunftsanfragen blieben ohne Erfolg. Neben der Regierung investieren auch politische Parteien in Werbung. Einer der größten – wenn nicht sogar der größte – Anzeigenkunde ist die BJP.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit ist Indien um zwei Plätze gefallen und steht nun auf Rang 140 von 180 Staaten. Im vergangenen Jahr wurden dort mindestens sechs Journalistinnen und Journalisten in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet. Damit war Indien eines der gefährlichsten Länder für Medienschaffende weltweit. Viele weitere Reporterinnen und Reporter wurden ROG zufolge das Ziel von Mordversuchen, körperlichen Angriffen und Drohungen. Hasskampagnen gegen Journalistinnen und Journalisten bis hin zu Aufruf zum Mord seien in sozialen Netzwerken alltäglich und würden von Trollarmeen aus dem Umfeld der hindunationalistischen Regierung befeuert.

Quelle: www.reporter-ohne-grenzen.de 


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