Köln. - Die Vereinten Nationen und das Davoser Weltwirtschaftsforum haben offenbar eine weitreichende Partnerschaft vereinbart. Die UN-Mitgliedsstaaten wurden hierzu vorab nicht konsultiert. Prof. Heiner Flassbeck, ehemaliger Direktor der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD), sprach anlässlich des Treffens in Davos von einer "fatalen Verbindung". FIAN International, Friends of the Earth, Action Aid und 240 weitere Organisationen fordern, die Kooperation zu stoppen.
Vor vier Jahren beschloss die Staatengemeinschaft die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG). Hierzu gehören die Beendigung von Armut, Hunger und Erderwärmung sowie die Gleichstellung der Geschlechter. Hunger, Umweltprobleme und der Klimawandel haben sich seitdem jedoch weiter verstärkt, zumeist aufgrund der rücksichtslosen Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Dennoch hat UN-Generalsekretär António Guterres zur Umsetzung der SDG eine weitreichende Partnerschaft besiegelt – ausgerechnet mit dem World Economic Forum (WEF). Weder Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen noch Umweltverbände besitzen einen vergleichbaren Zugang zu den UN.
"Eine Lobbyorganisation kann kein gleichberechtigter Partner der Staatengemeinschaft sein", sagte Philipp Mimkes, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland. "Die 100 größten Konzerne, die für zwei Drittel des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, werden nicht radikal umdenken und ihr Geschäftsmodell gefährden. Genauso wenig wird eine Kooperation mit der Finanzindustrie, deren Aktivitäten zu großen Teilen der Steuerflucht dienen, zur Überwindung der Armut führen. Vielmehr ist zu erwarten, dass die Lobbyverbände ein Engagement für nachhaltige Entwicklung vortäuschen und hierdurch bindende Regulierungen verhindern wollen." Mimkes fürchtet zudem, dass die fortschreitende Ausrichtung der UN auf eine unternehmerische Handlungslogik zu einer Delegitimierung der Vereinten Nationen führt.
Das vierseitige Memorandum vom Juni 2019 trägt ausschließlich das Logo des Weltwirtschaftsforums und wurde lediglich auf der Website des WEF veröffentlicht – der Verdacht lieg nahe, dass die Blaupause aus Davos stammte, so FIAN. Vereinbart worden sei eine Kooperation in sechs zentralen Bereichen, darunter Klimawandel, Digitalisierung, Gesundheit und Gleichberechtigung der Geschlechter. Die Abmachung sehe vor, dass sich die Vereinten Nationen bereits in der Planungsphase neuer Programme und Strategien mit dem WEF abstimmen. Die UN selber veröffentlichten laut FIAN weder das Memorandum noch Erläuterungen zu seiner konkreten Ausgestaltung.
FIAN International und das Transnational Institute fordern in einem von 240 Organisationen unterstützten Offenen Brief an den UN-Generalsekretär eine Aufkündigung der Kooperation, da diese die in der UN-Charta definierten Ziele gefährde. Die Unternehmen würden "ihren exklusiven Zugang nutzen, um sich für gewinnbringende 'Lösungen' globaler Probleme einzusetzen und zugleich echte und im öffentlichen Interesse liegende Verfahren zu untergraben", heißt es in dem Brief. Hierdurch würde das vom WEF seit vielen Jahren verfolgte Ziel, die Regulierung der Wirtschaft durch gleichberechtigte Multistakeholder-Verfahren zu ersetzen, befördert. Die Initiatoren des Briefs fordern stattdessen wirksame Maßnahmen gegen Interessenskonflikte und eine Ausrichtung auf die ursprünglichen Ziele der UN.
Quelle: www.fian.de