Göttingen. - Das Coronavirus droht Bürgerrechtsbewegungen in aller Welt zu ersticken, warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen. "Was repressiven Regierungen in Algerien und Indien mit monatelanger Einschüchterung und Verfolgung nicht gelungen ist, scheint nun das Virus zu schaffen. Bürgerrechtsbewegungen in beiden Ländern droht das Aus, weil Menschen aus Angst vor Ansteckung nicht mehr an Massenprotesten teilnehmen", erklärte GfbV-Direktor Ulrich Delius.
"Das Coronavirus tötet Menschen und Ideen. Menschenrechte und Demokratisierung kommen durch den Anti-Virus-Kampf massiv unter Druck", warnte die Menschenrechtsorganisation. Die Bürgerrechtsbewegungen könnten ihre Anliegen wirksam nur weiter vertreten, wenn sie sich neuer Protestformen bedienen würden. Doch Proteste in sozialen Medien seien öffentlich weniger sichtbar und von Regierungen nicht so gefürchtet wie alltägliche Proteste in den Straßen.
In Algerien steht die Protestbewegung Hirak vor dem Aus. Seit dem 22. Februar 2019 protestierten jeden Freitag Zehntausende gegen Vetternwirtschaft, Korruption, Willkür und den großen Einflus der Armee auf Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Protestbewegung erzwang den Rücktritt des Staatspräsidenten Abdelaziz Bouteflika und die Einleitung von Strafverfahren gegen korrupte Politiker und Generäle. Doch immer mehr Menschen meiden die Proteste aus Angst sich anzustecken. Bislang starben in Algerien drei Personen am Virus, 37 Menschen gelten als infiziert.
Auch in Indien wird es für Muslime immer schwieriger, zu Protesten gegen ihre Ausgrenzung aus der Gesellschaft zu mobilisieren. Seit Dezember 2019 nahmen Millionen Menschen an Massenprotesten gegen die Diskriminierung von Minderheiten durch die Hindu-nationalistische Regierung teil. Nach Pogrom-ähnlichen Übergriffen gegen Muslime, bei denen Ende Februar 2020 in New Delhi 52 Menschen starben, und nach extremer Gewalt von Sicherheitskräften gegen Protestierende hatte die Protestbewegung in den letzten Wochen großen Zulauf.
Doch seit in Indien die Angst vor einer Ausbreitung des Virus zunimmt, droht auch dieser Protestbewegung das Ende. Zwar hat sich das Virus in Indien im weltweiten Maßstab bislang nur begrenzt ausgebreitet, doch angesichts der großen Bevölkerungdichte besteht große Angst vor einer massiven Zunahme der Zahl der Infizierten. Bislang sind in Indien drei Menschen an dem Virus gestorben und 84 Personen gelten als infiziert, so die GfbV. Mit einer rigorosen Einreisesperre für Ausländer versuchen Indiens Behörden die Ausbreitung des Virus einzudämmen.
Quelle: www.gfbv.de