oxfamBerlin. - Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie könnten rund eine halbe Milliarde Menschen in Armut stürzen. Davor warnt die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam im Vorfeld der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank sowie des G20-Finanzministertreffens in einem neuen Bericht. Darin fordert Oxfam ein "Rettungspaket für alle", finanziert aus Schuldenerlassen, IWF-Sonderhilfen und zusätzlichen Mitteln für Entwicklungszusammenarbeit.

Oxfams neuer Bericht "Dignity Not Destitution" zeigt, dass die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie den Kampf gegen die Armut um ein Jahrzehnt zurückwerfen könnten, im Nahen Osten und einigen Regionen Afrikas sogar um 30 Jahre. Grundlage sind Analysen des Londoner King's College und der Australian National University, die das World Institute for Development Economics Research der Universität der Vereinten Nationen veröffentlicht hat.

Demnach würde ein Einkommensrückgang der Haushalte um 20 Prozent dazu führen, dass weitere 434 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag rutschen, die Zahl der Armen würde auf über eine Milliarde steigen. Setzt man die Armutsgrenze entsprechend der erweiterten Definition der Weltbank bei 5,50 US-Dollar an, würden 548 Millionen Menschen zusätzlich unter diese Schwelle rutschen. Die Gesamtzahl der Armen wüchse dann auf fast vier Milliarden Menschen an.

Die Pandemie droht, Armut und soziale Ungleichheit weiter zu verschärfen: Weltweit arbeiten zwei Milliarden Menschen im informellen Sektor ohne soziale Absicherung, die Mehrheit davon in armen Ländern. Nur jede*r fünfte Arbeitslose hat Zugang zu Arbeitslosenhilfe. Die Vereinten Nationen (UN) schätzen, dass in Afrika fast die Hälfte aller Arbeitsplätze verloren gehen könnte. Frauen sind besonders betroffen, denn sie sind häufiger prekär beschäftigt und schlechter bezahlt als Männer.

"Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie werden vor allem in armen Ländern verheerend sein, wenn G20, IWF und Weltbank nicht schnell ein Rettungspaket für alle auf den Weg bringen. Sie müssen die Lehren aus der Finanzkrise 2008 ziehen und dafür sorgen, dass nicht nur Unternehmen gerettet werden, sondern die breite Bevölkerung Unterstützung erfährt", erklärte Marion Lieser, Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland.

Oxfam fordert ein "Rettungspaket für alle“, damit arme Länder ihre öffentlichen Bildungs-, Gesundheits- und sozialen Sicherungssysteme stärken, betroffenen Menschen Bargeldzuschüsse gewähren und gefährdete Kleinunternehmen retten können. Die UN beziffern den Finanzbedarf in Entwicklungsländern auf 2,5 Billionen US-Dollar. Eine Billion davon ist laut UN durch Schuldenerlass aufzubringen, eine weitere durch Sonderhilfen des IWF (so genannte Sonderziehungsrechte). Für die restlichen 500 Milliarden müssten die reichen Länder ihre Etats für die Entwicklungszusammenarbeit erhöhen. Schon viel zu lange versäumen sie ihr Ziel, hierfür 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens aufzuwenden.

Um dies zu ermöglichen, ist auch die Bundesregierung gefordert. Drei Dinge sind jetzt für Oxfam entscheidend: Erstens müsse Deutschland sich bei den G20 und beim IWF für einen umfassenden Schuldenerlass für arme Länder sowie zusätzliche Finanzhilfen einsetzen und selbst mit gutem Beispiel vorangehen, wie von Entwicklungsminister Müller gefordert. Zweitens müsse der Etat der deutschen Entwicklungszusammenarbeit von derzeit 0,61 (2018) auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens steigen und hierfür die Einnahmen aus der geplanten Finanztransaktionssteuer nutzen. Und drittens müsse die Bundesregierung sich für international abgestimmte Mechanismen wie einen Globalen Fonds für soziale Sicherung einsetzen.

Quelle: www.oxfam.de 


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