EULACWien (epo). - Rund 60 Staats- und Regierungschefs aus der EU, Lateinamerika und der Karibik haben sich in Wien versammelt, um nach den Worten der österreichischen EU-Präsidentschaft der bi-regionalen Zusammenarbeit neue Impulse zu verleihen. Am Freitag tagen beim so genannten EULAC-Gipfel, der bis Samstag dauert, die Staats- und Regierungsspitzen. Eines der Themen ist die Verstaatlichung der nationalen Erdgasressourcen durch die Regierung Morales in Bolivien. Deutsche NGOs haben bereits dagegen protestiert, dass die EU hinter den Kulissen Druck im Sinne europäischer Konzerne ausübe.

Bei EULAC-Gipfel sind die Staats- und/oder Regierungschefs der 25 EU-Staaten und der Beitrittskandidaten Rumänien und Bulgarien sowie ihre 33 Amtskollegen aus dem Raum Lateinamerika und Karibik geladen. Am 4. Gipfeltreffen dieser Art nimmt erstmals auch UNO-Generalsekretär Kofi Annan teil. 1.500 Beamte sorgen für die Sicherheit der Spitzenpolitiker, von rund 1.500 Delegierten und zahlreichen Journalisten.

Parallel zum offiziellen Gipfel hat bereits am Mittwoch der alternative EU-Lateinamerika-Gegengipfel ("Enlazando Alternativas" - Alternativen verknüpfen) begonnen. An der Veranstaltung nehmen als prominenteste Gäste die Staatschefs von Venezuela und Bolivien, Hugo Chavez und Evo Morales, teil.

Nach Bekanntwerden der Verstaatlichung hatten die Aktienkurse der in Bolivien engagierten Energiekonzerne deutlich nachgegeben. Neben ExxonMobil und Total sind vor allem die brasilianische Erdölgesellschaft Petrobras, die spanisch- argentinische Repsol-YPF sowie die britische BP betroffen. Die amerikanischen Ölkonzerne Chevron und ConocoPhillips sind nicht in Bolivien aktiv.

Betroffen von der Nationalisierung der Rohstoffreserven ist nach Angaben des FDCL auch das Hamburger Unternehmen Marquard & Bahls, das seit rund 60 Jahren im internationalen Ölgeschäft tätig ist und die Tochter Oiltanking Bolivia CLHB S.A. im bolivianischen Santa Cruz betreibt. Oiltanking ist nach Darstellung von Marquard & Bahls "der weltweit zweitgrößte gewerbliche Betreiber von Tanklägern für Mineralöle, Chemikalien und Gase". Auch in Venezuela hat Oiltanking eine Niederlassung.

Evo MoralesBeim EULAC in Wien sagte Boliviens Präsident Evo Morales nach einem Bericht der Deutschen Welle, Firmen, die ihre Investitionen in Bolivien wieder finanziell hereinbekämen, könnten nicht mit Entschädigungen rechnen. "Wenn wir technische Anlagen und Ausrüstung enteignet hätten, würde es um Entschädigungen gehen, aber in diesem Fall haben wir niemanden enteignet", sagte Morales laut DW-World. "Unsere Bodenschätze sind mehr als 500 Jahre lang geplündert und unsere Rohstoffe exportiert worden, das muss jetzt aufhören." Bolivien ist trotz der zweitgrößten Gasreserven der Region das ärmste Land Lateinamerikas.

Die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik wurde mit den Worten zitiert, die bolivianische Regierung müsse für Klarheit über ihre Absichten sorgen. Rechtssicherheit sei eine wesentliche Frage für Investoren.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte erstmals bei einem Besuch in Chile am 2. Mai auf die Verstaatlichung in Bolivien reagiert und gesagt, dies sei keine günstige Ausgangsbedingung für Boliviens Wirtschaftsbeziehungen mit den Nachbarstaaten und für den wirtschaftlichen Austausch mit Europa. In Wien sagte Steinmeier, die allermeisten süd- und mittelamerikanischen Regierungen seien "in ihren Werthaltungen und Sichtweisen doch sehr nahe bei uns".

PROTEST GEGEN DRUCK AUF BOLIVIEN

Die Nichtregierungsorganisation WEED, das globalisierungskritische Netzwerk Attac und das Berliner Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) befürchten, dass auf dem EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel Druck auf Bolivien und andere linke Regierungen in Lateinamerika ausgeübt wird, damit diese im Interesse der europäischen Konzerne auf die Überführung der natürlichen Ressourcen in öffentlichen Besitz verzichten. "Entgegen der Kritik der Bundesregierung ist die Maßnahme in Bolivien der richtige Schritt zur Armutsbekämpfung", erklärte Thomas Fritz vom FDCL.

Stefan Schmalz von WEED sagte, die Hälfte der bolivianischen Bevölkerung lebe am oder unter dem Existenzminimum. "Die Privatisierungspolitik der letzten Jahrzehnte hat daran nicht nur nichts geändert, sondern die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft. Es ist Zeit, dass die Reichtümer des Landes endlich auch den Armen zugute kommen."

Im Rahmen des Gegengipfels "Enlazando Alternativas 2" tagen Tribunale gegen europäische Konzerne, die in Lateinamerika aktiv sind. Kerstin Sack von Attac sagte, beim Alternativgipfel gehe es um eine bessere Vernetzung der sozialen Bewegungen beider Kontinente, zum Beispiel im Bereich der Privatisierung von Wasser und der Diskussion von Alternativen zur neoliberalen Politik. "Längst sind es gemeinsame Kämpfe gegen die menschen- und umweltfeindliche Durchökonomisierung der Welt."

An dem Gegengipfel werden unter anderem der Anführer der brasilianischen Landlosenbewegung MST, Joao Pedro Stedile, der Träger des Alternativen Nobelpreises, Johan Galtung aus Norwegen, und die Vize-Präsidentin von Attac-Frankreich, Susan George, teilnehmen. Auf der Abschlusskundgebung sprechen auch die Präsidenten Boliviens und Venezuelas, Evo Morales und Hugo Chávez.

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? Alternativengipfel Lateinamerika/Karibik und EU


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