Berlin (epo). - Es war die "Naivität", die ihn getrieben hat, sagt Karlheinz Böhm. Vor einem Vierteljahrhundert, am 16. Mai 1981, wettete der Filmstar, bekannt als "Kaiser Franz Josef" aus den "Sissi"-Filmen, in der TV-Sendung "Wetten daß...?", dass nicht jeder Dritte Fernsehzuschauer eine Mark für die Hungernden in der Sahelzone spenden würde. Er gewann die Wette. Statt sechs Millionen Mark kamen gerade einmal 1,2 Millionen Mark zusammen. Böhm reiste dennoch nach Äthiopien, beseelt von der Vorstellung, durch sein Engagement werde "ein Jahr lang kein Kind an Hunger sterben". Heute beschäftigt er 677 Menschen auf einem Projektgebiet von der Größe Baden-Württembergs in dem ostafrikanischen Land. Seine Stiftung "Menschen für Menschen" hat in 25 Jahren 132 Schulen, 67 Krankenstationen und mehr als tausend Brunnen gebaut. Und die jüngste Städtewette bei "Wetten daß...?" hat er "glücklicherweise" verloren.
Noch immer verfolgen Böhm die Kameras, wenn er in der Öffentlichkeit auftritt. Der 78jährige wirbt unermüdlich für sein Lebenswerk. "Ich habe meinen Lebenssinn gefunden", sagt er. 2,8 Millionen Menschen profitieren heute in Äthiopien davon, dass er, ohne dies so zu planen, die Rolle gewechselt hat. An seiner Seite ist statt Romy Schneider aus den Sissy-Filmen Almaz Böhm, eine äthiopische Viehzuchtexpertin, die er 1981 kennen gelernt und zehn Jahre später geheiratet hat. Sie ist heute Vorsitzende des Stiftungsrates - und noch immer verwundert, dass ausgerechnet ein Mann ihr "die Augen geöffnet hat" - etwa, indem er das Tabuthema weibliche Beschneidung bei den Dorfältesten erfolgreich zur Sprache gebracht und in seinem Projektgebiet Schluss mit dieser archaischen Praxis gemacht hat.
Die Region in Äthiopien, in der für Böhm alles angefangen hat, das Erertal, ist heute sein Zuhause, das "meiner Familie", wie er sagt. An der Stelle des einstigen Hungerlagers steht ein Studentenwohnheim. Überhaupt will Böhm sich verstärkt im Bildungsbereich engagieren, denn noch immer kann noch nicht einmal jedes zweite Kind in Äthiopien eine Schule besuchen. In den nächsten zwei Jahren will er 50 neue Schulen bauen - unter anderem mit zwei Millionen Euro, die seine jüngste Wette eingebracht hat.
Denn Böhm kann das Wetten nicht lassen. Bei der "Städtewette" hatten 21 Oberbürgermeister bei "Wetten dass...?" gewettet, dass jeder Dritte Einwohner ihrer Stadt einen Euro spenden werde. 19 OBs gewannen die Wette, die gespendete Summe reicht für Bau und Einrichtung von zehn Schulen. "Es ist herrlich, eine Wette zu verlieren", sagt Karlheinz Böhm. "Ohne Bildung ist Entwicklung nicht möglich", ist Almaz Böhm überzeugt.
Almaz und Karlheinz Böhm. Foto ? MfM
Neben der Bildung stehen intergrierte ländliche Entwicklung, Gesundheit, Medizin und Frauenprojekte im Mittelpunkt der Stiftungstätigkeit. Allein durch den Brunnenbau und die Tatsache, dass Frauen und Mädchen nicht mehr stundenlang Wasser holen müssen, habe sich die Einschulungsrate für Mädchen beträchtlich erhöht, erzählt Almaz Böhm der Presse in Berlin. Die Stiftung leistet nach ihren Worten "Hilfe zur Selbstentwicklung", die Äthiopier sollen "nicht dauerhaft am Tropf der Entwicklungshilfe hängen".
Böhms größter Wunsch sei, heißt es in einem Papier von "Menschen für Menschen", dass "eines Tages ein Vertreter der äthiopischen Regierung zu ihm käme und sagte: 'Karl, jetzt warst du schon so lange hier. Vielen Dank. Wir brauchen dich nicht mehr. Wir kommen jetzt mit unseren Problemen selbst zurecht'."
Doch dieser äthiopische Regierungsvertreter muss wohl noch geboren werden. Äthiopien gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, 2005 waren mindestens vier Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Mehr als 1,5 Milliarden Dollar öffentlicher Entwicklungshilfe fließen Jahr um Jahr ins Land, zahllose Hilfsorganisationen und NGOs gründen seit Jahrzehnten Projekt um Projekt. Internationale Geber, vor allem Weltbank und EU, finanzieren rund 40 Prozent des äthiopischen Staatshaushalts.
Ein Licht am Ende des Tunnels scheint dennoch nicht in Sicht, bei der nächsten großen Dürre werden wieder Menschen verhungern müssen. Währenddessen gibt das Regime unter Premierminister Meles Zenawi in Addis Abeba fast 300 Millionen Dollar pro Jahr für das Militär aus. Allein eines der im Grenzkrieg gegen Eritrea eingesetzten russischen SU 27-Kampfflugzeuge kostet mehr als 30 Millionen Dollar. Äthiopien besitzt fast 50 Kampfjets. Aber Politik spielt keine Rolle beim Presse-Event "25 Jahre Menschen für Menschen" im Berliner Presseclub.
? Menschen für Menschen (MfM)