mccBerlin. - Der Flugverkehr ist ein zunehmendes Problem für das Klima – mit 680 Prozent Wachstum von 1960 bis 2018, aktuell drei Prozent der globalen CO2-Emissionen und schädlichen zusätzlichen Effekten durch die Kondensstreifen. Wie man zumindest den CO2-Austoß bis 2050 auf Null bringen könnte, beschreibt jetzt für den Passagier-Bereich als weitaus größten Teil des Flugverkehrs eine Studie unter Mitwirkung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).

Das Forschungsteam setzt auf eine linear auf 100 Prozent steigende gesetzliche Einspeisequote für synthetische Treibstoffe. Diese wird kombiniert mit einer CO2-Bepreisung, die auch die Effekte der Kondensstreifen berücksichtigt und im Ergebnis sukzessive von 100 auf 800 Euro je Tonne CO2 steigt. Die Studie wurde jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht.

Derzeit wird der Flugverkehr kaum klimapolitisch reguliert: der nationale meist gar nicht, der innereuropäische nur durch den niedrigen CO2-Preis im EU-Emissionshandel und der interkontinentale durch ein zahmes Maßnahmenpaket unter der Regie der Zivilluftfahrtorganisation ICAO. Nach deren Hochrechnung steigt der jährliche weltweite CO2-Ausstoß durch Passagierflüge, sofern 2022 die Corona-Krise überwunden ist, bis 2050 auf rund 1800 Millionen Tonnen – das ist zweieinhalbmal so viel wie noch 2018.

"In unserem Szenario dagegen wird der Antrieb auf nicht-biogene, strombasierte Treibstoffe umgestellt", erklärte Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport und Co-Autor der Studie. "Bei rund 150 Prozent höheren Treibstoff- und knapp 40 Prozent höheren Gesamtkosten würde dann im Jahr 2050 trotzdem noch deutlich mehr geflogen als 2018. Allerdings: Bis dahin müsste die Branche gewaltige Investitionen für Treibstoffproduktion und Energieversorgung auf den Weg bringen."

Wie groß dieser Investitionsbedarf ist, schätzt das Forschungsteam mit Hilfe eines Rechenmodells ab, und zwar für unterschiedliche Varianten des Nachfrage-Verhaltens. Als recht realistisch sieht es zum Beispiel eine Preiselastizität von 1 an (10 Prozent Preiserhöhung drücken für sich genommen, andere Einflüsse ausgeblendet, die Nachfrage um 10 Prozent). Dann käme die globale Luftfahrt im Jahr 2050 auf 15,9 Billionen Passagierkilometer – das wäre etwa halb so viel wie im Business-as-usual-Szenario, aber doppelt so viel wie noch im Jahr 2018. Der Atmosphäre würden dann im Zeitraum 2022 bis 2050 insgesamt Emissionen von 26,5 Gigatonnen CO2 erspart.

Der Effekt wäre geringer, wenn die Politik lediglich auf die Einspeisequote und nicht ergänzend auf die CO2-Bepreisung setzt; und sie wäre größer, wenn die Corona-Delle erst später als 2022 überwunden würde. Für die 15,9 Billionen Passagierkilometer in der von der Studie fokussierten Variante würden rund 320 Millionen Tonnen synthetische Treibstoffe benötigt. Die derzeit kostengünstigste und platzsparendste Möglichkeit, den dafür nötigen Strom CO2-frei zu produzieren, wären Solarkraftwerke. Platzbedarf nach aktueller Technik: rund 140.000 Quadratkilometer, das entspricht rund 40 Prozent der Fläche von Deutschland.

Die Standorte für die Solarzellen und damit auch für die Produktion des künftigen Flugzeug-Sprits könnten laut der Studie am besten in Wüstenregionen liegen. "Das wirft natürlich Fragen nach einem sicheren Transport auf, und überhaupt nach den sozialen und politischen Folgen solcher Großinvestitionen", betonte Stefan Gössling, Professor an der Universität Kalmar in Schweden und Leitautor der Studie. "Aber für CO2-freien Flugverkehr im Jahr 2050 muss man jetzt damit beginnen, die Produktion synthetischer Treibstoffe in großem Stil zu starten und sukzessive hochzufahren. Deshalb ist die Corona-Krise ein Zeitfenster zum Umsteuern – hin auf einen moderateren, aber einigermaßen nachhaltigen Wachstumspfad."

Quelle: www.mcc-berlin.net 


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