wfp iconBerlin. - Etwa 1,14 Millionen Menschen im Süden Madagaskars leiden an einem hohen Maß an akutem Hunger. Um ein Worst-Case-Szenario abzuwenden, müssen dringend die Ernährungshilfe und die Unterstützung zur Sicherung landwirtschaftlicher Lebensgrundlagen aufgestockt werden. Mit jedem Tag, der vergeht, stehen mehr Menschenleben auf dem Spiel, da der Hunger im Süden Madagaskars immer stärker um sich greift. Das ist die eindringliche Warnung zweier Organisationen der Vereinten Nationen, der Food and Agriculture Organization (FAO) und des UN World Food Programme (WFP).

Fast 14.000 der rund 1,1 Millionen hungernden Menschen befinden sich laut WFP in Phase 5 – der höchsten und schlimmsten Kategorie der fünfstufigen Skala der sogenannten "Integrated Food Security Phase Classification" (IPC). Sie stellt den Katastrophenfall dar. Es ist das erste Mal, dass in Madagaskar Menschen in Phase 5 erfasst wurden, seitdem die IPC-Methodik 2016 eingeführt wurde. Wenn jetzt keine dringenden Maßnahmen ergriffen werden, wird sich die Zahl der Menschen in der Kategorie "Katastrophe" in der kommenden "mageren Jahreszeit", der Zeit zwischen den Ernten, in der Vorräte knapp werden, welche im Oktober beginnt, voraussichtlich verdoppeln.

Dürre, Sandstürme, pflanzliche und tierische Schädlinge und Krankheiten sowie die Auswirkungen von COVID-19 haben dazu geführt, dass bis zu drei Viertel der Bevölkerung im am stärksten betroffenen Distrikt Amboasary Atsimo mit schlimmen Folgen konfrontiert sind. Die Rate der akuten Mangelernährung hat einen alarmierenden Wert von 27 Prozent überschritten und verursacht irreversible Schäden bei Kindern.

"Es geht nicht mehr darum, wie schlimm es ist – es ist extrem schlimm. Kinder hungern, Kinder sterben. Ich traf eine Mutter mit einem 8 Monate alten Kind, das aussah, als wäre es erst 2 Monate alt. Sie hatte bereits ihr älteres Kind verloren", sagte Amer Daoudi, Senior Director of Operations bei WFP, der kürzlich eines der am schlimmsten betroffenen Gebiete, Sihanamaro, besuchte. "Wir erleben bereits, dass ganze Dörfer verlassen werden und Bewohner*innen in die städtischen Zentren ziehen. Das übt zusätzlichen Druck auf eine ohnehin schon fragile Situation aus."

Die schlimmste Dürre seit vier Jahrzehnten, die sich über drei aufeinanderfolgende Jahre hinzieht, hat die Ernten vernichtet und den Menschen den Zugang zu Nahrung erschwert. Hinzu kommen die jahrelange Abholzung und die daraus resultierende Erosion – die nun durch den Klimawandel noch verstärkt wird – die die Umwelt verwüstet haben, und beispiellose Sandstürme, die große Teile des Ackerlandes in Ödland verwandelt haben.

Die Agrarsaison 2019/20 sah einen dramatischen Rückgang der Nahrungsmittelproduktion. Dies wurde dann durch ein weiteres Jahr mit geringen Niederschlägen in 2020/2021 verschärft, das das fünfte Jahr mit unterdurchschnittlichen Regenfällen im halbtrockenen Süden der Insel war. Die Ernte von Pflanzen wie Reis, Mais, Maniok und Hülsenfrüchten wird 2021 voraussichtlich weniger als die Hälfte des Fünf-Jahres-Durchschnitts betragen, was die Vorbedingungen für eine lange und schwere "magere Jahreszeit" schafft.

"Eine kontraintuitive Tatsache ist, dass 95 Prozent der Menschen, die im Süden Madagaskars von akutem Hunger betroffen sind, von Landwirtschaft, Viehzucht und Fischfang leben. Jahrelange Missernten, getrieben von einer Dürre nach der anderen, und wetterbedingte Schäden in der Fischerei haben die Menschen an den Abgrund gebracht. Wir müssen dringend Maßnahmen ergreifen, um den Viehbestand am Leben zu erhalten und Saatgut, Bewässerung, Werkzeuge und Fischereiausrüstung bereitzustellen, um die lokale Nahrungsmittelproduktion und -verfügbarkeit schnell zu steigern – aber wir dürfen es nicht vernachlässigen, längerfristig klimaresistentere landwirtschaftliche Lebensgrundlagen aufzubauen", sagte Dominique Burgeon, Direktor für Notfälle und Resilienz der FAO.

Seit Oktober 2020 haben die Regierung und WFP schrittweise rund 750.000 Menschen durch allgemeine Nahrungsmittelverteilungen in Kombination mit der Verteilung von angereicherter Spezialnahrung zur Vorbeugung von moderater akuter Mangelernährung bei Kindern unter fünf Jahren sowie schwangeren und stillenden Frauen unterstützt. Doch die Hungerkrise hat sich schnell ausgeweitet und diese aktuelle Unterstützung reicht nicht aus, um die Auswirkungen und das Risiko einer Hungersnot zu mildern. WFP benötigt in den nächsten sechs Monaten dringend 74 Millionen US-Dollar, um eine Katastrophe im Süden Madagaskars abzuwenden.

Quelle: www.wfp.org