urgewald neuGlasgow. - Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald und mehr als 20 internationale Partner-NGOs haben im Rahmen des UN-Klimagipfels in Glasgow die "Global Oil & Gas Exit List" (GOGEL) vorgestellt. Sie ist weltweit die erste öffentliche, umfangreiche Datenbank zu Unternehmen aus der Öl- und Gasindustrie. GOGEL umfasst derzeit 887 Unternehmen und bildet damit knapp 95% der weltweiten Öl- und Gasproduktion ab. Nutzer der Datenbank, insbesondere aus der Finanzindustrie, können mit GOGEL die Öl- und Gasfirmen mit den größten Expansionsplänen sowie mit den umstrittensten Formen der Öl- und Gasförderung identifizieren.

"In den letzten zwei Jahren haben wir eine Welle von Richtlinien zum Ausschluss von Kohle durch Finanzinstitute gesehen, aber fast keine, die sich mit Öl und Gas befassen. Mit Hilfe von GOGEL wollen wir sowohl öffentliche als auch private Finanzinstitute dazu bewegen, die Expansion der Öl- und Gasbranche nicht länger zu unterstützen. Die Finanzindustrie muss ihrer Verantwortung bei allen fossilen Energieträgern gerecht werden", sagte Katrin Ganswindt, Senior Finanz-Campaignerin bei urgewald.

Laut dem UN-Umweltprogramm (UNEP) steigen die Treibhausgasemissionen, die auf die Öl- und Gasindustrie zurückzuführen sind, rapide an. Erdgas leistet demnach in einigen Regionen der Welt inzwischen den größten Beitrag zu den fossilen CO2-Emissionen. "Unsere Zahlen belegen, dass die Branche sich insgesamt auf einem rücksichtslosen Expansionspfad befindet", erklärte Nils Bartsch, Leiter GOGEL-Research bei urgewald. Selbst wenn die Nutzung von Kohle über Nacht beendet würde, würden die Emissionen aus bereits erschlossenen Öl- und Gasvorkommen das gesamte weltweite CO2-Budget für 1,5 °C ausschöpfen. GOGEL zeige zudem auf, dass mehr als 95% der in der Datenbank gelisteten Öl- und Gasunternehmen im Upstream-Bereich weiterhin nach neuen Reserven suchen bzw. die Förderung vorbereiten.

"Wir sollten uns nicht von den unrealistischen Net Zero-Versprechungen der Öl- und Gasunternehmen für 2050 täuschen lassen. Die Einhaltung unseres 1,5 °C-Budgets erfordert jedoch mindestens einen sofortigen Expansionsstopp", sagte Bartsch. Ganswindt ergänzte: "Hinter jeder expandierenden Öl- und Gasfirma stehen Banken, Investoren und Versicherungen, die diese Pläne unterstützen. GOGEL wurde so konzipiert, dass insbesondere die Expansion auf Unternehmensebene sichtbar wird, sowohl für die Finanzindustrie als auch die allgemeine Öffentlichkeit."

Im Upstream-Subsektor beginnt Expansion mit der Exploration. GOGEL führt insgesamt 387 Unternehmen auf, deren durchschnittliche Investitionsausgaben (CapEx) für die Öl- und Gasexploration mehr als 10 Millionen US-Dollar pro Jahr betrugen. In den letzten drei Jahren wurden insgesamt 168 Milliarden US-Dollar für Öl- und Gasexploration ausgegeben. Mehr als die Hälfte dieses Betrags ist jedoch auf nur 16 Unternehmen zurückzuführen. Im Zeitraum 2019-2021 waren die fünf Unternehmen mit den größten jährlichen Investitionsausgaben für die Öl- und Gasexploration demnach PetroChina (6 Mrd. USD), China National Offshore Oil Corporation (2,8 Mrd. USD), Shell (2,4 Mrd. USD), Sinopec (2,3 Mrd. USD) und Pemex aus Mexiko (1,9 Mrd. USD).

"Selbst die Internationale Energieagentur warnt mittlerweile vor weiterer Öl- und Gasexploration. Aber keine der großen globalen Banken ist bisher bereit, eine rote Linie für Kund*innen zu ziehen, die Milliarden von Dollar für die Öl- und Gasexploration ausgeben. Mitglieder der 'Glasgow Financial Alliance for Net Zero' sind davon nicht ausgenommen", kritisierte Ganswindt.

Viele Öl- und Gasunternehmen sind notorisch intransparent hinsichtlich ihrer Expansionspläne. GOGEL verwendet daher die renommierte Datenbank von Rystad Energy aus Norwegen, um zu ermitteln, welche neuen Öl- und Gasreserven in naher Zukunft in Produktion gebracht werden sollen. Die Analyse zeigt: 506 Upstream-Öl- und Gasproduzenten planen, ihr Produktionsportfolio innerhalb der nächsten 1 bis 7 Jahre um 190 Milliarden Barrel Öläquivalent (bboe) zu erweitern. 14 Unternehmen sind für mehr als die Hälfte dieser enormen Expansion verantwortlich. Die Top 5 sind laut Gogel: Qatar Energy (20 bboe), Gazprom (17 bboe), Saudi Aramco (15 bboe), ExxonMobil (7 bboe) und Petrobras aus Brasilien (7 bboe).

Infrastruktur für die Öl- und Gasindustrie wie Pipelines, LNG-Terminals oder Gaskraftwerke sind teuer im Bau und ihre geplante Betriebsdauer erstreckt sich über Jahrzehnte. Die 1.230 km lange Nord Stream 2-Pipeline von Gazprom kostete beispielsweise 9,5 Milliarden Euro und hat eine voraussichtliche Lebensdauer von 50 Jahren. Das Projekt Arctic LNG 2 von Novatek und Total soll über 21 Milliarden USD kosten und auf der Grundlage von Gasabnahmeverträgen über 20 Jahre finanziert werden.

"Neue Infrastrukturprojekte für die Öl- und Gasindustrie gefährden die Ziele von Paris, da sie uns für die nächsten Jahrzehnte auf einen hohen Emissionspfad festlegen. GOGEL führt aktuell 273 Midstream-Unternehmen auf, die neue Öl- und Gaspipelines oder Flüssiggas-Terminals (LNG) bauen. Dies ist ein todsicheres Rezept für den Klimakollaps", so Ganswindt.

GOGEL listet auch alle Unternehmen auf, die mindestens 100 Kilometer neue Öl- oder Gaspipelines bauen. Diese Informationen stammen aus dem 'Fossil Infrastructure Tracker' von Global Energy Monitor (GEM), wobei die ermittelten Zahlen für jedes Unternehmen anteilig anhand der tatsächlichen Eigentumsverhältnisse berechnet werden. "Die Zahlen sind wirklich erschreckend", sagte Bartsch. "Derzeit befinden sich 211.849 km an Öl- und Gaspipelines in der Entwicklung. Das ist quasi die halbe Strecke von der Erde bis zum Mond."

Quelle: www.urgewald.org


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