Berlin. - Einkommensschwache Länder entschulden, Übergewinne auf krisenbedingte Extraprofite von Konzernen sowie sehr hohe Privatvermögen besteuern und deutlich mehr Unterstützung für Hunger leidende Menschen fordert die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam von den G20 beim Gipfel auf Bali. Die G20 müssten dem skandalösen Widerspruch zwischen der dramatisch steigenden Anzahl an Menschen, die von Hunger und Armut betroffen sind, einerseits und den sprudelnden Krisengewinnen von Milliardären andererseits etwas entgegensetzen.
Corona-Pandemie, Konflikte und Klimakrise verschärfen weltweit Hunger und Armut, so Oxfam. In Ostafrika droht aufgrund einer Dürre von historischem Ausmaß alle 36 Sekunden ein Mensch an Hunger zu sterben. Weltweit sind mittlerweile bis zu 828 Millionen Menschen von Hunger betroffen - besonders Frauen sowie Menschen, die wegen ihrer Herkunft, Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Der Weltbank zufolge hat die weltweite Armut während der Corona-Pandemie zum ersten Mal seit Jahrzehnten zugenommen.
Unterdessen machen Konzerne aus den G20-Ländern Rekordgewinne. Deutsche Konzerne zahlten 2022 so hohe Dividenden wie noch nie aus. Auch US-Konzerne verzeichnen die höchsten Gewinnspannen seit 1950.
Von den Rekordgewinnen profitieren insbesondere Reiche. Das Vermögen der Milliardäre in den G20-Ländern ist seit 2020 um 1,88 Billionen US-Dollar gestiegen. Inzwischen besitzen sie Oxfam zufolge mit rund 10 Billionen US-Dollar 89 Prozent des gesamten weltweiten Milliardärs-Vermögens. Milliardäre, die ihren Vermögens- und Investitionsschwerpunkt in der Energie- und Lebensmittelindustrie haben, werden derzeit jeden Tag um eine halbe Milliarde US-Dollar reicher.
"Die G20 müssen in Bali konkrete Maßnahmen gegen die schockierende soziale Ungleichheit und Rekordgewinne auf Kosten einkommensschwacher Menschen ergreifen. Diese Ungleichheit lässt Armut und Hunger erst entstehen und wird durch die derzeitigen multiplen Krisen dramatisch verschärft. Den Preis zahlen weltweit die Menschen mit geringem Einkommen, die angesichts steigender Lebensmittel- und Energiekosten kaum über die Runden kommen", erklärte Tobias Hauschild, Leiter Soziale Gerechtigkeit bei Oxfam Deutschland.
"Die G20 müssen nun einen Aktionsplan gegen Armut, Hunger und Ungleichheit aufsetzen und dafür Schuldenerlasse, die Besteuerung von Übergewinnen und mehr Unterstützung für einkommensschwache Länder auf den Weg bringen", so Hauschild. "Jetzt die Ausgaben zu kürzen ist genau die falsche Reaktion auf die Krise."
Seit Beginn der Corona-Pandemie mussten einkommensschwache Länder 113 Milliarden US-Dollar an ihre Gläubiger aus den G20-Ländern zahlen. Die G20-Länder erhalten jeden Tag 136 Millionen US-Dollar an Schuldenrückzahlungen von den ärmsten Ländern der Welt, kritisierte Oxfam. Einkommensschwache Länder haben im vergangenen Jahr durchschnittlich 27,5 Prozent des Staatshaushalts für die Rückzahlung von Schulden ausgegeben. Das ist viermal mehr als für die Gesundheitsversorgung und zwölfmal mehr als für soziale Sicherung.
Die Folgen sind fatal: Oxfams jüngst veröffentlichter Commitment to Reducing Inequality Index zeigt, dass die Hälfte aller einkommensschwachen Länder seit Ausbruch der Corona-Pandemie den Anteil der Gesundheitsausgaben am Staatshaushalt gekürzt hat. Fast die Hälfte aller 161 untersuchten Länder hat die Sozialausgaben gekürzt, 70 Prozent haben ihren Anteil an den Bildungsausgaben gekürzt. In den nächsten fünf Jahren planen drei Viertel aller Länder weltweit weitere Kürzungen in diesen Bereichen in Höhe von insgesamt 7,8 Billionen US-Dollar.
Oxfam fordert die G20-Staats- und Regierungschefs dazu auf, einen weitreichenden Schuldenerlass und Schuldenerleichterungen für alle Länder zu beschließen, die dies benötigen, insbesondere für einkommensschwache Länder. Private Gläubiger müssten verpflichtet werden, Schuldenerleichterungen zu denselben Bedingungen anzubieten wie Staaten und internationale Institutionen.
Zudem müssten die G20 eine stärkere Besteuerung von Konzernen und sehr vermögenden Menschen durch ambitionierte Übergewinnsteuern und eine höhere Vermögensbesteuerung in die Wege leiten. Angesichts der sich verschärfenden Hungerkrise seien die dringend benötigten Mittel für humanitäre Notsituationen deutlich zu erhöhen und Ressourcen für die Umgestaltung der in einkommensschwachen Ländern vor allem von Frauen getragenen Landwirtschaft durch die Unterstützung von Kleinbäuerinnen zu verstärken.
Quelle: www.oxfam.de