germanwatch 150Berlin. - Ab dem 4. Mai leben wir ökologisch gesehen auf Kredit: Wenn alle Menschen auf der Welt so leben und wirtschaften würden wie wir in Deutschland, wäre bereits an diesem Tag das Budget an nachhaltig nutzbaren Ressourcen und ökologisch verkraftbaren Emissionen für das gesamte Jahr aufgebraucht. Der Tag wird jährlich vom Global Footprint Network errechnet.

Deutschland liegt mit seinem Pro-Kopf-Verbrauch und seinen Emissionen im obersten Viertel aller Länder. Die Übernutzung ist hierzulande so groß, dass wir drei Erden bräuchten, wenn für alle Menschen auf der Welt ein solcher Bedarf an Ressourcen und Emissionsausstoß ermöglicht werden sollte. Der globale Erdüberlastungstag wird im Juli oder August erwartet.

Ein zentraler Überlastungsfaktor in Deutschland sind die Treibhausgas-Emissionen. "Die CO2-Emissionen in Deutschland müssten dreimal so schnell sinken wie bisher. Zugleich müssen wir den Rohstoffverbrauch minimieren, wenn wir die Tragfähigkeit des Planeten und die Menschenrechte schützen wollen", sagte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. "Es gibt einige positive Ansätze hierzulande. Aber wenn wir die nicht massiv beschleunigen, werden wir noch Jahrzehnte brauchen, um zu einer nachhaltigen Lebensweise zu finden. Mit den schwerwiegendsten Folgen dieser jahrzehntelangen Übernutzung müssen vor allem die jungen und nachfolgenden Generationen sowie arme Menschen, vor allem im globalen Süden, fertig werden. Doch die haben am wenigsten zu dieser Krise beigetragen."

Priorität hat die weltweite Verringerung der Treibhausgasemissionen um mindestens 43 Prozent bis 2030 gegenüber 2019. Die notwendige Transformation muss zugleich so umgesetzt werden, dass Ressourcenverbrauch sowohl bei nachwachsenden als auch nicht nachwachsenden Rohstoffen soweit wie möglich reduziert wird, so Germanwatch. Dafür ist eine ganzheitliche Kreislaufwirtschaft ein wichtiger Hebel. Dies bedeutet im Kern: 1. Den benötigten Einsatz von Energie und Rohstoffen bei der Herstellung senken 2. Produkte langlebig und länger nutzbar machen, zum Beispiel durch reparaturfähiges und haltbares Produktdesign und ein effektives Recht auf Reparatur, welches die Wiederverwendung attraktiver macht als den Neukauf. Und 3. die Wiedergewinnung möglichst vieler Materialien über hochwertiges Recycling.

"Bundesregierung und EU müssen ihre Politik wirksam auf eine Kreislaufwirtschaft ausrichten. Es gibt aktuell viele Ansätze, wie eine Nationale Kreislaufstrategie in Deutschland oder eine Ökodesignrichtlinie und ein Recht auf Reparatur in der EU. Aber wir beobachten oft, dass zunächst ambitionierte Vorhaben am Ende nur die kurzfristigen Potentiale abgrasen und die größeren, wirksamsten Hebel liegen lassen. Das muss sich ändern", erklärte Luisa Denter, Referentin für Ressourcenpolitik und zirkuläres Wirtschaften bei Germanwatch.

Fliegen ist die mit Abstand klimaschädlichste Art zu reisen. "Die Bahn sollte auch auf grenzüberschreitenden Strecken in Europa das bevorzugte Reisemittel werden – das würde Reisen deutlich energieeffizienter und klimafreundlicher machen", forderte Jacob Rohm, Referent für klimafreundliche Mobilität bei Germanwatch. Nicht nur die Emissionen pro Fahrgast und Kilometer seien beim Fliegen viel größer als bei der Reise mit der Bahn. Emissionen im Flugverkehr seien zudem rund dreimal so klimaschädlich wie die gleiche Emissionsmenge am Boden, da beim Fliegen in großer Höhe Effekte wie Kondensstreifen den Schaden vervielfachen. Zudem ist der Flugverkehr noch viel weiter von klimaverträglichen Antriebsarten entfernt als jede andere Art zu reisen. Alle Faktoren eingerechnet, sind Bahn- und Busreisen im Inland pro Kilometer ungefähr sechsmal klimafreundlicher als Flugreisen.

"Damit der Wandel vom Flug zur Schiene gelingt, brauchen wir einen Ausbau der Direktverbindungen zwischen europäischen Metropolen am Tag und in der Nacht sowie einfachere internationale Ticketbuchungen", erklärte Rohm. "Zudem müssen im Flugverkehr alle klimaschädlichen Subventionen wie das Fehlen einer Kerosinsteuer abgebaut werden. Es besteht überdies keine Notwendigkeit für Flüge auf Strecken unter 500 Kilometern, die auch gut und schnell per Bahn bewältigt werden können."

Jeder kann den eigenen ökologischen Fußabdruck über die Art zu konsumieren, mobil zu sein oder zu wohnen verkleinern, aber die Wende zur Nachhaltigkeit gelingt nur über die Veränderung der Rahmenbedingungen für alle. Auf EU- und Bundesebene werden derzeit viele Rahmen gesetzt – von der Ausgestaltung des European Green Deal und dem derzeit verhandelten EU-Lieferkettengesetz über Abkommen zu entwaldungsfreien Lieferketten bis hin zur Transformation im Gebäude- und Verkehrssektor. Schnell genug und sozial verträglich umgesetzt können diese neuen Leitplanken den Ausstieg aus der Übernutzung der Erde stark beschleunigen.

Auch im persönlichen Umfeld kann jede*r mithelfen, Strukturen für mehr Nachhaltigkeit zu etablieren. "Das nennen wir den Handabdruck des eigenen Engagements", sagte Marie Heitfeld, Referentin für Bildung für nachhaltige Entwicklung bei Germanwatch. "Der Handabdruck steht für die Hebel, die jede und jeder von uns selbst in Bewegung setzen kann, um mehr Nachhaltigkeit in Mobilität, Ernährung, Energie, Finanzen oder Ressourcennutzung zum neuen Standard zu machen. Das geht am Arbeitsplatz, in der Schule oder Uni, im Verein oder in der Kommune sowie auf Landes- und Bundesebene."

Germanwatch hat zusammen mit Brot für die Welt einen Handabdruck-Test entwickelt. Dort erhalten Nutzer eine konkrete und zu ihren Interessen passende Idee, wie sie ihren eigenen positiven Handabdruck vergrößern und so Strukturen und Regelungen ermöglichen, die der Überlastung unserer planetaren Grenzen entgegenwirken: www.handabdruck.eu

Quelle: www.germanwatch.org


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