Cox’s Bazar/Berlin, 22. August 2024. – Sieben Jahre nachdem mehr als 700.000 Menschen vor Gewalt in Myanmar nach Bangladesch geflohen sind, leben Rohingya-Kinder in den dortigen Geflüchtetencamps in ständiger Angst. Das zeigen Interviews von Save the Children mit mehr als 70 Bewohner*innen von Cox‘s Bazar, die meisten von ihnen Frauen und Kinder im Teenageralter.
„Meine Schwester kann nachts vor lauter Panik nicht schlafen; sie ist die ganze Nacht unruhig und verstört. Es wird Tag und Nacht geschossen. Wir können nicht einmal zur Schule gehen (…)”, berichtet die 15-jährige Kohinoor*, deren Familie von bewaffneten Gruppen bedroht wurde. “Wir haben Angst – wir haben zu viel Angst, um irgendwohin zu gehen. Wir wünschen uns ein Leben wie früher, als wir rausgehen und spielen konnten.“Weitere von Save the Children Befragte berichteten von Entführungen, Lösegelderpressungen und der Rekrutierung von Kindern durch bewaffnete Gruppen. Die Interviews machen deutlich, wie sehr Unsicherheit das Leben der Kinder einschränkt und unterstreichen, dass Rohingya-Geflüchtete dringend mehr Schutz brauchen. Die jüngsten politischen Unruhen in Bangladesch haben die Lage weiter verschärft, da auch in den Camps von Cox’s Bazar weniger Polizeibeamte im Einsatz sind.
Dass die Kinder dort unter Angst, Stress und Depressionen leiden, zeigten bereits frühere Untersuchungen von Save the Children. Die fehlende Sicherheit verschlechtert ihre mentale Gesundheit weiter. In der aktuellen Befragung gab fast die Hälfte (48 Prozent) der Haushalte an, dass sie sich vor Kriminalität und Gewalt fürchten. Viele berichteten außerdem, dass Früh- und Zwangsverheiratungen aufgrund der unsicheren Lage zugenommen hätten – einerseits erzwungen durch bewaffnete Gruppen, andererseits von den Familien selbst veranlasst mit dem Wunsch, ihre Töchter vor sexualisierter Gewalt zu schützen.
„Wir merken auch in unserer Arbeit, dass die Menschen Angst haben, ihre Unterkünfte zu verlassen“, sagt Marina Seizov, die bei Save the Children Deutschland Projekte in Cox’s Bazar betreut und letztes Jahr vor Ort war. „Unsere Kolleg*innen berichten etwa, dass weniger Menschen unsere Lern- und Gesundheitszentren aufsuchen oder sich Bargeld auszahlen lassen, und dass auch weniger Mädchen und Jungen in unsere Kinderclubs kommen. Das finde ich besonders bedrückend, denn die Kinder – immerhin mehr als eine halbe Million – kennen ohnehin nur das eintönige Leben in den Camps, und die Clubs sind Orte, an denen sie sich wohlfühlen und Freunde treffen können.“
Fast eine Million Rohingya-Geflüchtete leben in Bangladesch; etwas mehr als die Hälfte von ihnen sind Kinder. Seit sieben Jahren erhalten sie keine formale Bildung, ihre Eltern dürfen nicht arbeiten. Zusätzlich zur Gewalt kommt es in den Camps immer wieder zu Großbränden, Überschwemmungen und Erdrutschen, die Unterkünfte unbewohnbar machen.
Save the Children appelliert an die neue Übergangsregierung von Bangladesch, die Kinder und ihre Familien vor Gewalt und Unsicherheit zu schützen und ihnen Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten und damit eine Zukunft zu eröffnen. Die Kinderrechtsorganisation ist eine der führenden Hilfsorganisationen in Cox‘s Bazar und arbeitet in 29 der 33 Camps unter anderem in den Bereichen Kinderschutz, Bildung, Gesundheit und Ernährung sowie Wasser- und Sanitärversorgung. Seit 2017 hat Save the Children rund 600.000 Rohingya-Geflüchtete erreicht, darunter mehr als 320.000 Kinder.
Zusatzmaterial & Hinweise:
Ein Video-Interview (inkl. Transkript) mit der 15-jährigen Kohinoor zur Situation ihrer Familie in den Camps sowie B-Roll finden Sie hier:
https://www.contenthubsavethechildren.org/Share/mqh0808i50785m8uj6o050776rkj6o2w
Unter © Save the Children ist das Material honorarfrei auch zur Weitergabe an Dritte nutzbar.
Die Interviews und Fokusgruppendiskussionen mit 73 Rohingya-Geflüchteten fanden im Mai und Juni 2024 in den Camps in Cox‘s Bazar statt.
* Name zum Schutz geändert
Website: www.savethechildren.de