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Skyline von Hanoi. Foto: Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0


Berlin. - (epo.de) Es ist nicht die mangelhafte Umsetzung der Menschenrechte oder eine Wirtschaftskrise, die viele Vietnamesen die Flucht aus der Heimat und die riskante Überfahrt über den Ärmelkanal wagen lässt: Es ist die «relative Verarmung». In einer Untersuchung für den britischen Rundfunksender BBC haben Südostasien-Korrespondent Jonathan Head und Thu Bui von BBC News Vietnamese ergründet, warum im vergangenen Jahr überproportional viele Vietnamesinnen und Vietnamesen diesen «illegalen»» Weg der Auswanderung gewählt haben.

Die BBC-Journalisten zitieren in ihrer Story «Channel migrants: The real reason so many are fleeing Vietnam for the UK» Phuong,eine Vietnamesin, die sich 25.000 britische Pfund geliehen hatte, um zu ihrer Schwester in London zu kommen. Dreimal musste sie die Kanalüberquerung abbrechen, ehe es klappte. Allein im ersten Halbjahr 2024 wagten 2.248 Vietnamesen diesen Schritt. Vietnam stellt damit die meisten Kanalflüchtlinge, weit vor Afghanistan oder Iran - Länder, aus denen Menschen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen fliehen.

Manche Vietnamesinnen und Vietnamesen landen in England und werden als Sex-Arbeiterinnen missbraucht oder sie müssen in Marihuana-Farmen arbeiten, so die BBC. Häufig sind es vietnamesische Syndikate, die den Menschenschmuggel organisieren.

Das alles passiert, obwohl die Wirtschaft im «sozialistischen» Vietnam rasch wächst. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt acht Mal so hoch wie noch vor 20 Jahren. Vietnam ist mit seiner Naturschönheit inzwischen ein Tourismus-Magnet.

«Relative Verarmung» in einem boomenden «Tigerstaat»

Vietnam gilt als «Mini-China», als Billig-Lohn-Land mit enormen Potenzial. Aber Vietnam wirtschaftlich liegt immer noch weit hinter Nachbarländern wie Thailand, weil der Boom erst 1989 begann. Die Durchschnittslöhne liegen bei rund 230 britischen Pfund monatlich. Drei Viertel der 55 Millionen Beschäftigten arbeiten im informellen Sektor und damit ohne soziale Absicherung. Hinzu kommt die große Kluft zwischen boomenden Großstädten wie Hanoi und ländlichen Regionen. In letzteren reicht das Einkommen trotz 14 Stunden harter Arbeit oft nicht, um irgendwann eine Familie zu gründen oder ein Haus zu bauen, so der BBC-Bericht.

Phuong floh deshalb zu ihrer Schwester Hien, die neun Jahre zuvor in einem Schiffscontainer das Land verließ. Mit einem Vietnamesen hat sie eine gemeinsame Tochter. Alle drei sind inzwischen britische Staatsbürger.

«Phuong wanted what her sister had in London: the ability to save money and start a family. She could survive in Vietnam, but she wanted a home, a better life, with more security», zitiert die BBC Hien.

Lan Anh Hoang, Professorin für Entwicklungsstudien an der Melbourne University, hat eine Erklärung: «Twenty to thirty years ago, the urge to migrate overseas was not as strong, because everyone was poor», sagte sie BBC. «People were happy with one buffalo, one motorbike and three meals a day. Suddenly a few people successfully migrated to countries like Germany or the UK, to work on cannabis farms or open nail salons. They started to send a lot of money home. Even though the economic conditions of those left behind have not changed, they feel poor relative to all these families with migrants working in Europe.»

Arm ist, wer sich arm fühlt

Entwicklungspolitik Online hat im Oktober 2008 berichtet, wie «Armut» zustande kommt. Es ist nicht die Weltbank-Definition, die das bestimmt. «Arm ist, wer sich arm fühlt. Oder wer als arm abgestempelt wird.»

=> epo-Bericht von Ina Zeuch: Armutsbekämpfung in Afrika - Guinea auf dem Weg zum Schuldenerlass

=> Channel migrants: The real reason so many are fleeing Vietnam for the UK (BBC)

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