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Bild: Kain tötet Abel. Johann Sadeler (I), 1585. Via Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Berlin (epo.de). - Konflikte in Afrika wie die derzeitigen Bürgerkriege im Sudan, in Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo oder in der Sahelzone werden häufig mit autoritärer Herrschaft, Korruption durch die Eliten und Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Ethnien in Verbindung gebracht. Das klingt archaisch, und oft sind es auch seit langem schwelende und langandauernde Konflikte, die schließlich in gewaltsame Auseinandersetzungen münden. Wie zwischen den biblischen Figuren Kain und Abel geht es in vielen Regionen Afrikas noch immer um den Gegensatz zwischen Viehzüchtern und Bauern, Nomaden und Seßhaften. Hinzu kommen aber seit einigen Jahrzehnten der Einfluß des Rohstoffabbaus und des sich stetig verstärkenden Klimawandels. Eine Analyse von epo-Herausgeber Klaus Boldt.

Wer sich mit den Ursachen der Konflikte in den ländlichen Regionen Afrikas befasst, stößt irgendwann auf erstaunliche Parallelen. Sie gleichen den Erzählungen über Kain und Abel in der Bibel, den immer wiederkehrenden Konfliktlinien zwischen indigenen Völkern und weißen Siedler in Nordamerika, zwischen Cowboys und Farmern in US-Westernfilmen, zwischen australischen Einwanderern und Aborigines oder indigenen Völkern im Amazonas, die von Gummizapfern und Goldsuchern umgebracht oder vertrieben werden. Immer geht es um den Antagonismus zwischen Nomaden und Seßhaften, und oft endet er in Scharmützeln oder blutigen Kriegen.

Die auf der unterschiedlichen Nutzungsart agrarischer Flächen basierenden Hirten-Bauern-Konflikte vermischen sich mit ethnischen Gegensätzen, religiösen Differenzen, kolonialem Erbe (willkürlich gezogenen Grenzen) und infolge des Klimawandels immer kleiner werdenden Lebensräumen für Mensch und Vieh.

Herder-Farmer-Conflict: Blutiger als der islamische Terrorismus

Der «Herder-Farmer-Conflict» im mittleren Osten Nigerias, insbesondere im Bundesstaat Benue, zwischen den mehrheitlich muslimischen Fulani-Hirten und Bauern unterschiedlicher Ethnien wie den Tiv oder den Hausa und unterschiedlicher Religionen (Christen bzw. Moslems) reicht bis in die vorkoloniale Zeit vor 1900 zurück.

Der Bevölkerungsdruck und der Klimawandel haben die Gegensätze in den letzten Jahren verschärft. Im vergangenen Jahr (2023) verursachte der Hirten-Bauern-Konflikt mehr Todesopfer als der islamistische Extremismus, wie eine Liste der Terroranschläge in Nigeria zeigt. Vor allem die dünn besiedelten Bundesstaaten Benue und Plateau sind betroffen. Dennoch befürchten 8 % aller Nigerianer, sie könnten diesem Konflikt zum Opfer fallen.

Bei manchen indigenen Völkern Afrikas gehört es zur Mannwerdung, einer anderen Volksgruppe Vieh zu stehlen und damit seinen Mut zu beweisen. Aus Mutproben können aber auch tödliche Auseinandersetzungen werden. Auf Madagaskar entstand daraus sogar ein Geschäftsmodell. Im Süden der Insel töteten 2012 Dorfbewohner 67 Rinderdiebe, die Zebus gestohlen hatten. «Die Dorftradition des Zebu-Diebstahls, ursprünglich eine Mutprobe für junge Männer, entwickelte sich dort zum Geschäft», berichtete die Wiener «Presse».

«Jedes Jahr sterben zwischen 1.500 und 2.000 Menschen bei Viehdiebstählen im Südsudan», so die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) im April 2016. Anlass war ein Überfall von Angehörigen des Volkes der Murle aus dem Südsudan auf zehn Dörfer von Nuern in der Provinz Gambella in Äthiopien, bei dem mindestens 201 Menschen getötet wurden.

In Kenia kommt neben dem Nomaden-Bauern-Gegensatz noch der Tourismus als Konfliktfaktor hinzu. Die GfbV forderte 2017 mehrfach ein Umdenken «bei der Schaffung immer neuer Wildschutzgebiete und Nationalparks». Der Safari-Tourismus dürfe nicht Vorrang vor dem Schutz von Menschenrechten haben. Besonders gefährlich sei die Lage im Bezirk Laikipia im Rift Valley, wo im ersten Halbjahr 2017 mehr als 40 Menschen bei Auseinandersetzungen zwischen Nomaden, Bauern und Polizisten getötet wurden. Rund 10.000 Menschen seien vor der Gewalt geflohen.

Sudan: Machtkämpfe und historische Konfliktlinien

Im Sudan tobt gegenwärtig einer der blutigsten Konflikte Afrikas. Am 15. April 2023 brachen Machtkämpfe zwischen der sudanesischen Armee und der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) aus, die binnen weniger Wochen weite Teile des Sudans ins Chaos stürzten. Vermittlungsversuche scheiterten mehrfach und internationale humanitäre Hilfe ist in vielen Regionen aufgrund des fehlenden Zugangs nicht möglich.

Im aktuellen Konflikt geht es um einen Machtkampf zwischen dem De-facto-Staatschef Abdel Fattah Burhan, der die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) befehligt, und den RSF unter seinem bisherigen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo. In der Folge wurde die Hauptstadt Khartum weitgehend zerstört und entvölkert. Rund 14 Millionen Sudanesen wurden zur Flucht gezwungen. Die Hälfte der Bevökerung, ca. 21 Millionen Menschen, waren Ende 2023 von ausreichend Nahrungsmitteln abgeschnitten.

Den Hintergrund bildet aber der seit mehr als 20 Jahren schwelende Konflikt zwischen nomadischen Reitermilizen und seßhaften Bauern. Darfur besteht aus fünf Provinzen mit einer Gesamtfläche von 509.075 Quadratkilometern (knapp das Anderthalbfache der Größe Deutschlands). Die Region ist vom gleichnamigen Hochland geprägt, einer ariden Hochebene mit dem Marra-Gebirge im Zentrum. Die Bevölkerung besteht aus schwarzafrikanischen Volksgruppen wie den Fur, die knapp ein Drittel der Bevölkerung Darfurs ausmachen, Masalit im Westen und Zaghawa im Norden des Gebietes, sowie arabischen Stämmen, die seit dem 13. Jahrhundert in den heutigen Sudan vordrangen und von nomadischer Rinderzucht leben.

Map of Darfur 2011Fur und Masalit lebten in vor-kolonialer Zeit in hierarchisch strukturierten Staatswesen, die nomadischen Araber dagegen in lockeren Stammesverbänden. Während der britischen Kolonialzeit (bis 1956) wurden kaum Anstrengungen unternommen, die marginalisierte Region wirtschaftlich zu entwickeln. Die Einkünfte der Region stammten überwiegend von ausgewanderten Darfuris, die in den Baumwollplantagen der Gezira-Ebene Arbeit fanden.

Eine historischere Konfliktursache ist der Sklavenhandel. Sklavenhändler der Fur bezogen ihre Sklaven aus schwarzafrikanischen Kleinreichen wie dem Dar Fertit. Auch Streitigkeiten zwischen Ackerbauern und nomadischen Viehzüchtern um Wasser und Weideland gehören zu den historischen Konfliktgründen. Gewaltsame Streitereien wurden vormals mit Speeren ausgetragen und durch Vermittlung von Ältesten beigelegt. Zwei große Dürreperioden Anfang der 1970-er und Mitte der 1980-er Jahre verschärften die Konkurrenz um natürliche Ressourcen. Die Bevölkerung wuchs zudem von 1,3 Millionen Menschen 1973 auf 3,5 Millionen 1983. Und mit ihr der Viehbestand.

Auf den Kampf schwarzafrikanischer Rebellenbewegungen um mehr Mitbestimmung im Staat und eine Entwicklung ihrer Region reagierte die sudanesische Zentralregierung mit militärischen Mitteln. Sie unterstützte insbesondere lokale Milizen arabischer Reiter-Nomaden (Dschandschawid / Janjaweed) unter der Führung von General Mohamed Hamdan, dem zahllose Entführungen, Folter, Vergewaltigungen und Morde an Zivilisten vorgeworfen werden. Hamdan war Chef der berüchtigten Miliz Rapid Support Forces (RSF) und ist heute einer der beiden Protagonisten im Kampf um die Macht.

Der Einfluss von «Entwicklung» und Klimawandel

Im Oktober 2012 reichten mongolische Nomaden am Rande der IWF/Weltbank-Jahrestagung in Tokio eine Beschwerde bei der Weltbank ein. Sie verlangten eine gerechte Entschädigung für die Auswirkungen der Rio Tinto Oyu Tolgoi (OT) Kupfer- und Goldmine in der Wüste Gobi.
Die Nomaden sehen sich als Indigene mit historischen Weiderechten. Dies erkennen jedoch weder der brasilianische Rohstoffkonzern Rio Tinto noch die Weltbank an.

Im sudanesischen Darfur-Konflikt spielen Klimaveränderungen eine wichtige Rolle. Arabische Nomaden und schwarzafrikanische Bauern hatten meist friedlich zusammengelebt. Die durch den Klimawandel beschleunigte Wüstenbildung (Desertifikation) ließ die Weideflächen für die Viehherden schrumpfen und zwang Nomaden dazu, mit ihren Tieren in tradtionell von Bauern besiedelte Gebiete einzudringen. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon nannte bereits 2007 die Auswirkungen des Klimawandels als eine der Ursachen der Krise in Darfur.

Auch wenn jeder afrikanische Konflikt für sich betrachtet werden muss: In den meisten Fällen spielt der Klimawandel und die dadurch verschärfte Wasserknappheit inzwischen eine zentrale Rolle.

>> Im zweiten Teil der Serie geht es um die Hintergründe des erneut aufgeflammten Bürgerkrieges im Ostkongo. (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! für eine Benachrichtigung nach Erscheinen des Hintergrundbeitrags).

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Bild: Kain tötet Abel. Johann Sadeler (I), 1585. Gemeinfrei, via Wikimedia Commons.
Gravur, 203 x 279 mm, aus: H. Mielke, 'Antwerpener Graphik in der 2. Hälfte des 16. Jahrhundert. Der Thesaurus veteris Testamenti des Gerard de Jode (1585) und seine Künstler', Zeitschrift für Kunstgeschichte 38 (1975), S. 78, cat.nr. 2.

Beschreibung: Kain tötet seinen Bruder Abel mit dem Kieferknochen eines Esels. Im Hintergrund sind zwei Opferaltäre zu sehen. Kains Opfer wird abgelehnt, der Rauch geht nach unten. Das Opfer Abels wird von Gott angenommen. Im Hintergrund erscheint Gott Kain als ein Lichtstrahl vom Himmel. Am unteren Rand befindet sich ein Verweis auf den Bibeltext in 1. Mose 4 in lateinischer Sprache.


Zum Weiterlesen:
=> Das Klimakrisentagebuch
=> Klimawandel und Wasserknappheit: Mega-Dürren weltweit nehmen zu
=> Erderwärmung genial erklärt: A Timeline of Earth's Average Temperature
=> As The Desert Stretches, So Does Nigeria’s Farmer-Herder Crisis 
=> KI, Klimagerechtigkeit und der Einfluss der Superreichen
=> Die Top 10 der Klimastudien des Jahres 2024

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