UNCTAD LDC Bericht 2006Genf/Berlin (epo.de). - Die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) hat einen Paradigmenwechsel bei der Entwicklungshilfe für die ärmsten Entwicklungsländer gefordert. Die Least Developed Countries (LDC) bräuchten einen "aktiven Entwicklungsstaat" und bei den Hilfetransfers eine Abkehr von der konzentrierten Förderung humanitärer und sozialer Entwicklung hin zur Förderung des produzierenden Gewerbes, verbunden mit dem Aufbau von Institutionen und der Stimulation der Nachfrage, sagte der UNCTAD Economic Affairs Officer Michael Hermann am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung des "Least Developed Countries Report 2006".

Produktive Arbeitsplätze seien der beste Weg zur Entwicklung der ärmsten Länder der Welt, heißt es in dem Bericht mit dem Titel "Developing Productive Capacities". Zwar hätten die ? LDCs in jüngster Vergangenheit ein ansehnliches Wirtschaftswachstum erzielt (2004: 5,9%), dieses Wachstum habe sich aber nicht effektiv in eine Verringerung der Armut niedergeschlagen.

Der Schlüssel zur Linderung der Armut in den LDCs liege in der "Entwicklung produktiver Kapazitäten", so der Bericht. Geberländer und -institutionen müssten die LDC daher mehr bei der effizienten Produktion von Gütern und Dienstleistungen unterstützen und dabei darauf achten, dass auch die Qualität der hergestellten Güter zunehme. Nur so liessen sich stabiles Wachstum und Beschäftigung dauerhaft steigern.

Länder, die bei der "Entwicklung produktiver Kapazitäten" erfolgreich seien, müssten "nicht dauerhaft am Tropf der Geberländer" hängen und könnten dazu beitragen, dass "die Flüchtlingsströme verzweifelter Migranten nach Europa und Nordamerika abnehmen", hoffen die Autoren des Berichts. Mit Simulationen sei darstellbar, dass durch zusätzliche private und öffentliche Auslandsinvestionen, die Förderung von Unternehmergeist und Technologietransfers sowie durch "dynamische Verflechtungen zwischen Sektoren und Unternehmen, bzw. zwischen heimischen und ausländischen Investoren" eine Entwicklung des Produktionspotentials möglich sei.

Die Autoren räumen in ihrem Bericht selbst ein, dass ihr produktions- und beschäftigungsorientierter Ansatz zur Armutsreduzierung in den ärmsten Entwicklungsländern "nicht gänzlich neu" sei. Auch das Instrumentarium, dass sie vorschlagen, ist hinlänglich bekannt. Sie fordern in erster Linie Investitionen in die Infrastruktur, Institution-Building und die Forcierung der Nachfrage nach Gütern im In- und Ausland.

TERMS OF TRADE SOLLEN SINKEN

Im Infrastrukturbereich konzentrieren sich die Vorschläge auf den Bau von Straßen, die Verbesserung der Telekommunikation und insbesondere den Aufbau einer zuverlässigen Elektrizitätsversorgung. Die Überwindung der "Elektrizitätskluft" sei zumindest genauso wichtig wie die Überbrückung der "digitalen Kluft", so der Bericht.

Institutionelle Schwächen machen die Autoren des "Least Developed Countries Report 2006" vor allem bei (fehlenden) mittelständischen Unternehmen, im schwachen Bankensektor und beim Wissensmanagment aus. Auf der Nachfrageseite hoffen sie auf einen "sich selbst verstärkenden Kreislauf", der aus Wachstum im Agrarsektor und verstärktem Unternehmergeist beschäftigungswirksame Investitionen nach sich zieht.

Der Bericht setzt auf eine Verbesserung und Qualitätssteigerung bei den Exporten und sieht in sinkenden "terms of trade" und der Abwertung der heimischen Währung "wichtige Instrumente zur Förderung ökonomischen Wachstums" in den LDCs. Er lässt jedoch offen, wie die Menschen in den ärmsten Ländern reicher werden sollen, wenn die realen Austauschverhältnisse im Handel (terms of trade) sich zu Ungunsten der LDCs verschieben sollen.

ZU STARKE FOKUSSIERUNG AUF SOZIALE ZIELE?

Kapitalakkumulation, ein wirtschaftlicher Strukturwandel (Modernisierung der Landwirtschaft, Aufbau von Industrien) und eine Verlagerung der Beschäftigung vom informellen in den produzierenden industriellen Sektor seien wichtige Prozesse hin zu wirtschaftlicher Entwicklung und müssten stärker gefördert werden, sagte Michael Hermann bei der Vorstellung des Berichts im GTZ-Haus in Berlin. Zu viel Entwicklungshilfe sei in letzten Zeit in die humanitäre und soziale Entwicklung geflossen. Damit lasse sich jedoch keine substantielle, langfristige Verringerung der Armut erzielen.

Die UNCTAD sucht dies mit Zahlen zu untermauern. Das Wachstum in den LDCs sei von einer Verdoppelung der Entwicklungshilfe zwischen 1999 und 2004 auf 24,9 Milliarden US-Dollar begleitet gewesen. Allein 30% dieser Mittel aus der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) hätten jedoch Schuldenerlass und Nothilfe ausgemacht. Außerdem seien 30% der ODA in diesem Zeitraum nach Afghanistan und in die Demokratische Republik Kongo geflossen. Trotz großer Anstrengungen beim Schuldenerlass sei die Auslandsverschuldung der LDcs weiter gestiegen.

1992 habe die Entwicklungshilfe für Infrastruktur und Wirschaft noch 48% der ODA ausgemacht, 2004 nur noch 24%, beklagt die UNCTAD. Zudem seien 70% der ausländischen Direktinvestitionen im Jahr 2004 in jede LDCs geflossen, die Öl und andere Bodenschätze exportieren. Über die Hälfte des Anstiegs der LDC-Exporte im Jahr 2004 um 26% sei den vier ölexportierenden LDCs Angola, Äquatorial-Guinea, Jemen und Sudan zuzuschreiben.

Die 50 ärmsten Entwicklungsländer haben laut UNCTAD-Bericht einen Anteil am Weltgüterexport von lediglich 0,5%, bei Industriegütern sogar nur 0,2%. Viele LDCs sind Nettoimporteure von Nahrungsmitteln und Öl, die Zahl vor allem der ärmsten Länder in Afrika, die mehr Nahrungsmittel importieren als exportieren, steigt rapide. Die Entwicklung einer "produktiven Basis" sei auch das einzige Mittel, "den internationalen Migrationsdruck seitens der Entwicklungsländer zu verringern".

UNCTAD
UN Office of the High Representative in regard to LDCs


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