WTOGenf/Berlin (epo.de). - Die Verhandlungen im Rahmen der sogenannten Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO sind vorerst gescheitert. Nach fast fünf Jahren zäher Auseinandersetzungen empfahl WTO Generaldirektor Pascal Lamy am Montag in Genf die Aussetzung der Welthandelsgespräche auf unbestimmte Zeit, nachdem eine Sechserrunde der wichtigsten WTO Mitgliedsländer sich erneut nicht auf einen Kompromiss einigen konnte. Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul forderte einen "neuen Anlauf", während nichtstaatliche Organisationen überwiegend erklärten, kein Ergebnis sei für die Entwicklungsländer besser als ein schlechtes Ergebnis.

WTO Generaldirektor Pascal Lamy hatte am Montag eine unbefristete Vertagung der "Entwicklungsrunde" der Welthandelsgespräche anberaumt, da die seit Sonntag tagenden Vertreter der Handelsnationen Australien, Brasilien, Indien, Japan und der USA sowie der Europäischen Union keine Lösung gefunden hatten. Umstritten waren bis zuletzt insbesondere die Subventionen und Beihilfen der USA und der EU für die Landwirtschaft.

Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul kritisierte das vorläufige Scheitern der WTO-Handelsgespräche: "Den Entwicklungsländern war im Jahr 2001 eine echte Entwicklungsrunde im Rahmen der WTO-Verhandlungen versprochen worden", sagte sie in Berlin. "Es ist ein schwerwiegendes Versagen der internationalen Gemeinschaft, dass die laufenden Gespräche gescheitert sind. Denn die Entwicklungsländer könnten durch den erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde ein eigenes Einkommen von über 200 Mrd. US-Dollar erzielen. Ich fordere alle Beteiligten auf, einen neuen Anlauf zu unternehmen. Ein fairer Welthandel ist für die Menschen in den Entwicklungsländern lebensnotwendig."

OXFAM: AUSSETZEN KEINE LÖSUNG

Die britische Hilfsorganisation Action Aid machte die "eigensinnige Unnachgiebigkeit" der USA und der EU für das Scheitern verantwortlich. Greenpeace-Handelsexperte Daniel Mittler sagte in Genf, das Scheitern beweise erneut, dass die Zeiten vorbei seien, in denen die Interessen der Entwicklungsländer einfach beiseite geräumt werden konnten.

Die internationale Entwicklungshilfsorganisation Oxfam sieht im Aussetzen der Doha-Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation "keinen Beitrag zur Überwindung der Krise und Ausweglosigkeit, in der sich die Bemühungen um ein entwicklungsgerechtes Handelsabkommen befinden". Damit würden die tiefer liegenden Ursachen nicht beseitigt. "Die Gespräche kommen keinen Schritt voran, weil die Vereinigten Staaten und die Europäische Union sich weigern, ihre Ausgaben für landwirtschaftliche Unterstützung tatsächlich zu kürzen, um so das Agrar-Dumping zu beenden. Zugleich verlangen sie aber von Entwicklungsländern eine weitere Marktöffnung sowohl bei Agrarprodukten als auch bei Industriegütern", erklärte Marita Wiggerthale von Oxfam Deutschland.

"Solange die EU und die USA ihre Angebote nicht grundlegend verbessern, werden diese Gespräche nichts für die Entwicklung der armen Länder bringen", sagte Wiggerthale weiter. "Das Potenzial, das der Welthandel in sich birgt, um armen Ländern eine Entwicklung zu ermöglichen, wird verloren gehen."

Laut Oxfam ist der Preis weiterer Verzögerungen gewaltig. Die EU und die USA könnten nach wie vor ihre größten landwirtschaftlichen Erzeuger subventionieren und das Agrar-Dumping auf dem Weltmarkt fortsetzen. Die Entwicklungsländer hingegen müssten weiter um das Überleben ihrer Kleinbauern und den Zugang zu den Märkten der Industrieländer ringen.

Oxfam befürchtet, dass das multilaterale System noch mehr in die Krise gerät. "Wir fürchten, dass die EU und die USA verstärkt versuchen werden, durch schädliche regionale Handelsabkommen die Marktöffnung der Entwicklungsländer zu erzwingen", sagte Wiggerthale.

KEIN ERGEBNIS BESSER ALS EIN SCHLECHTES

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac und die Nichtregierungsorganisation Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (WEED) begrüßten hingegen das Scheitern der Verhandlungen: "Kein Ergebnis zu haben, ist besser als ein schlechtes Ergebnis. Die so genannte Doha-Entwicklungsrunde war von Anfang an eine Mogelpackung", sagte Alexis Passadakis von WEED. Die großen Industrieländer hätten ausschließlich auf die Interessen ihrer großen Konzerne und ihrer Verbände wie dem BDI gepocht und sich vollständig auf ihre Forderung nach Zollsenkungen für Industriegüter fixiert. Auf ihrer Agenda habe nicht Entwicklung, sondern der freie Zugang zu den Märkten in der Dritten Welt gestanden.

"Einmal mehr ist deutlich geworden, dass es den Industrieländern lediglich darum geht, ihre Produkte weltweit möglichst profitabel zu vermarkten", sagte Passadakis. Das angebliche Ziel - die Bekämpfung von Armut auf dem ganzen Globus -  sei nur vorgeschoben.

Der indische Handelsminister Kamal Nath sagte am Montag in Genf, bis zu einer Wiederaufnahme der Gespräche könne es Jahre dauern. Die WTO Mitgliedsländer hatten seit 2001 versucht, in der nach der Hauptstadt Katars benannten Doha-Runde den Welthandel stärker zu liberalisieren. Die Gespräche der als G6 bezeichneten großen Handelsnationen am Sonntag in Genf galten als "letzte Chance" zur Rettung der Doha-Runde.

Aus Sicht der Globalisierungskritiker eröffnet das Scheitern der Gespräche Spielräume für eine Neuordnung des Welthandels, "die sich stärker an den Interessen des Südens orientiert". "Das Platzen der Doha-Runde bietet nun eine Chance für eine grundlegend andere Welthandelspolitik", erklärte Hanni Gramann von der Attac-AG Welthandel. "Dazu gehören ganz andere Handelsregeln, die sich an Umwelt und Entwicklung, an Arbeits- und Menschenrechten ausrichten und ein alternatives Forum für die Verhandlungen zum Welthandel bieten."

Die Krise der Welthandelsorganisation dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die WTO-Verträge als "mächtiges Instrument neoliberaler Globalisierung" bestehen bleiben, so Attac und WEED. "Die bestehenden Abkommen wirken sich weiter negativ aus auf Umwelt, Entwicklung und soziale Gerechtigkeit. Und diese Wirkungen werden zunehmen, weil Übergangsfristen auslaufen und die WTO weiter wächst, da ihr immer mehr Staaten beitreten", warnte Gramann.

BGA FORDERT BILATERALE ABKOMMEN

Der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) erklärte am Montag in Berlin, das Aussetzen der Verhandlungsgespräche in Genf komme "praktisch einem Scheitern" der WTO-Runde gleich. "Jetzt müssen wir uns den neuen Realitäten stellen", sagte BGA-Präsident Anton F. Börner. Die EU solle so schnell wie möglich bilaterale und regionale Verhandlungen mit Handelspartnern aufnehmen, damit die deutsche Wirtschaft gegenüber Wettbewerbern insbesondere in Südostasien nicht ins Hintertreffen gerate.

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