DR KongoKinshasa/Berlin (epo.de). - 33 Kandidaten bewerben sich bei den am Sonntag stattfindenden Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo um das Amt des Staatspräsidenten. Rund 9.000 Bewerber gibt es für die 500 Parlamentssitze. Mehr als 460 Millionen US-Dollar investiert die internationale Staatengemeinschaft in die ersten freien Wahlen seit Jahrzehnten. Der Wahlgang sei jedoch nicht mehr als ein symbolischer Akt - und eher im Interesse der westlichen Geldgeber als der kongolesischen Bevölkerung, sagt der profilierteste Politologe des zentralafrikanischen Landes, Georges Nzongola-Ntalaja.

Die Demokratische Republik Kongo, ein Land von 2,3 Millionen Quadratkilometern Fläche, rund 60 Millionen Einwohnern und einem Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 120 US-Dollar im Jahr, hat sich aus der Sicht von Nzongola-Ntalaja seit der Kolonialzeit unter dem belgischen König Leopold II. nicht aus der Abhängigkeit befreien können. Der Staat von der Größe Westeuropas verfüge "über genügend bebaubares Land, Niederschläge und Wasserreserven, um der Brotkorb Afrikas werden zu können, und über genügend Wasserkraft, um den ganzen Kontinent von Kapstadt bis Kairo zu beleuchten", so der kongolesischen Politologe in einem Interview mit dem in Oxford und Kapstadt erscheinenden Afrika-Informationsdienst Pambazuka News.  Seit den Tagen Leopolds II. würden die Reichtümer des Landes nicht zum Wohl der Bevölkerung, sondern zum Nutzen seiner Herrscher und ihrer ausländischen Verbündeten ausgebeutet.

Der Kongo könne keine positive Rolle bei der Entwicklung Afrikas spielen, "solange schätzungsweise 60 Prozent des Staatsetats, mehr als 400 Millionen US-Dollar für die nationalen Wahlen und sämtliche entwicklungspolitischen Entscheidungen aus dem Ausland kommen", ist Georges Nzongola-Ntalaja überzeugt. Wahlen seien unter diesen Umständen "keine Übung in Selbstbestimmung, sondern ein Ritual, das externe Kontrolle durch schwache und unpatriotische Elemente der politischen Klasse rechtfertigen soll".

Um eine wichtige und emanzipatorische Rolle innerhalb Afrikas spielen zu können, müsste die Demokratische Republik Kongo die Abhängigkeit überwinden, so der Autor des Buches "The Congo from Leopold to Kabila - A People's History". Dies suchten die westlichen Hegemonialmächte, allen voran Frankreich, jedoch zu verhindern. "The major powers of the world and the international organizations under their control would like to legitimize their current client regime in Kinshasa so they can continue unfettered to extract all the resources they need from the Congo", so Nzongola-Ntalaja in Interview mit Pambazuka News.

Bei den Wahlen am 30. Juli werde der gegenwärtige Amtsinhaber Joseph Kabila aller Voraussicht nach im Amt bestätigt, prognostiziert Nzongola-Ntalaja. An der politischen Lage werde dies aber nichts ändern: Die gewaltsamen Konflikte im Nordosten bestünden weiter, und Korruption und Inkompetenz würden "die hervorstechendsten Eigenschaften einer Regierung mit von außen gesteuertem Programm" bleiben.

Im Osten des Kongo sind rund 17.000 Blauhelme der UN-Friedensmission im Kongo (MONUC) stationiert, um die Gewalt zwischen Regierungstruppen und Rebellenorganisationen einzudämmen. Die Wahlen sollen von rund 2.000 Soldaten der European Force (EUFOR) abgesichert werden, die größtenteils in der Hauptstadt Kinshasa, aber auch im benachbarten Gabun eingesetzt werden. Die UN-Friedensmission kostet rund 1,1 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Bei den Wahlen sind mehr als 1.200 internationale Beobachter im Einsatz.

In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" erklärte der 62jährige Nzongola-Ntalaja, der derzeit den Aufbau des Africa Governance Institute (AGI) für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) in New York leitet: "Der Westen predigt zwar Demokratie, aber stützt meist die Staatschefs, die mit Gewalt an die Macht kamen. Weil sie zu Recht befürchten, dass Demokraten einer Verfassung und ihrem Volk verpflichtet sind und keine Weisungen aus dem Ausland befolgen. Sie brauchen aber Staatschefs, die Entscheidungen aus Washington, Paris, Brüssel und London akzeptieren. Männer wie Joseph Kabila eben. (...) Das ist ein junger Trottel, der kaum die Oberschule geschafft und keinerlei Erfahrung hat, ein Jasager, der sich darüber freut, Präsident zu sein, aber seine meiste Zeit damit verbringt, sich Musikvideos anzusehen und Videospiele zu spielen."

Der 35jährige Präsident Kabila, der das Amt von seinem Vater Laurent-D?sir? erbte, und vier Vizepräsidenten regieren den Kongo seit rund drei Jahren. Von sich reden gemacht hätten sie "vor allem wegen ihres gigantischen Raubzugs auf die kongolesischen Bodenschätze und ihres fehlenden Willens, die ehemaligen Kriegsgegner in eine gemeinsame Armee zu integrieren", urteilte die Neue Zürcher Zeitung. Die Bergbaukonzessionen der staatlichen Gesellschaft G?camines, vor allem Kupfer- und Kobalt-Vorkommen, hätten einen Marktwert von mehreren hundert Milliarden Dollar. "Trotzdem wurden sie zu einem grossen Teil in undurchsichtiger Weise für einen Pappenstiel an Unternehmen wie die amerikanische Phelps Dodge verscherbelt", so die NZZ. "Ein kongolesischer Geschäftsmann mit Einblick in die entsprechenden Verhandlungen erklärt dazu, dass Kabila von jeder der ausländischen Firmen eine monatliche Zahlung von durchschnittlich 250.000 Dollar erhalte - stillschweigend natürlich."

 Zum Weiterlesen: Der Kongo - Eine Konfliktanalyse (weltpolitik.net)

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