Gr?nlandeisBrüssel/Berlin (epo.de). - Die Menschen in den ärmsten Regionen der Welt werden am meisten unter den Folgen des Klimawandels zu leiden haben. Zu dieser Einschätzung kommt der von den Vereinten Nationen eingesetzte Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) im zweiten Teil seines jüngsten Weltklimaberichts, der am Freitag in Brüssel veröffentlicht wurde. Für Milliarden Menschen werde die Erderwärmung Wassermangel mit sich bringen, hunderten Millionen werde es an Nahrung fehlen, sagt der Bericht voraus. Auf Druck vor allem der US-Regierung wurden Passagen des Berichtes abgeschwächt.

Die ärmsten Menschen in den Entwicklungsländern, die am wenigsten für die Erderwärmung durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe verantwortlich seien, könnten sich am schlechtesten an den Klimawandel anpassen, warnten die mehrere Hundert Klimaexperten, die auf einer Konferenz in Brüssel bis zuletzt am Text des Berichts gefeilt hatten. Die Veröffentlichung hatte sich um zwei Stunden verzögert, weil vor allem die USA, China und Saudi-Arabien Aussagen über das Ausmaß der Schädigung von Ökosystemen und der erwarteten Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten abmildern wollten. Einige Wissenschaftler wollten solche Änderungen durch Regierungsvertreter nicht hinnehmen. In der Zusammenfassung für Politiker fehle beipielsweise eine ursprünglich vorgesehene Passage über die verheerenden Folgen des Klimawandels für Nordamerika, berichteten Beobachter.

Am zweiten Teil des IPCC-Berichts hatten rund 2.000 renommierte Wissenschaftler aus aller Welt sowie Regierungsvertreter aus rund 120 Ländern mitgearbeitet. Sie analysierten rund 30.000 Datensätze aus den letzten 20 Jahren. Die Experten warnen in dem Bericht davor, das Leben auf der Erde befinde sich infolge des Klimawandels auf einer "Autobahn zur Auslöschung". Die Erderwärmung verursache in weiten Teilen der Welt Dürren und Hungerkatastrophen, während an anderen Orten mit permanenten Überschwemmungen zu rechnen sei. Hitze, Smog, überhöhte Ozonwerte und Unterernährung würden viele Todesfälle nach sich ziehen und zu einem Artensterben von ungeahnten Ausmaßen führen. Vor allem in den tropischen Zonen der Erde seien immer mehr Menschen vom Hungertod bedroht.

Dem Bericht zufolge wird schon ein Temperaturanstieg um durchschnittlich ein Grad Celsius bis zum Jahr 2020 Wassermangel für mindestens 400 Millionen, möglicherweise aber bis zu 1,7 Milliarden Menschen nach sich ziehen. Bei einem ungebremsten Klimawandel seien mindestens ein Fünftel aller Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht.

Der jetzt vorgelegte Bericht ist der zweite Teil des vierten Klimastatusberichts des IPCC. Der erste Teil zu den wissenschatlichen Aspekten des Klimawandels war im Februar veröffentlicht worden und kam zu dem Schluß, mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent sei die Erderwärmung seit 1950 auf menschliche Einflüsse zurückzuführen. Der dritte Teil soll im Mai erscheinen und Lösungswege aufzeigen, wie der Klimawandel eingedämmt werden könne. 

UMWELTVERBÄNDE FORDERN TATEN STATT WORTE

Internationale und nationale Umweltverbände zeigten sich durch den Report in ihrer Ansicht bestätigt, es sei höchste Zeit für die Politik, dem Klimawandel endlich  entgegenzusteuern. 100 Millionen Menschen in Küstengebieten seien in Gefahr, ihre Heimat zu verlieren, warnte der World Wide Fund for Nature (WWF). Die Industriestaaten müssten ihre Verantwortung akzeptieren und mit der Lösung des Problems beginnen.

"Den alarmierenden Studien müssen endlich Tagen folgen. Wir dürfen die Augen nicht länger davor verschließen, dass unsere Welt tagtäglich verarmt und wir uns damit um einen Großteil der Anpassungsfähigkeit bringen, die uns die Natur im Klimawandel leistet", sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke zum IPCC-Bericht. "Instabile Ökosysteme, verarmte Böden, zusammenbrechende Wälder und Gewässer verschärfen den Klimawandel unnötig. Kein Investitionsprogramm kann den Verlust an Arten und ihren Leistungen im Erdsystem kompensieren."

Wenn die globale Mitteltemperatur um weitere 1,5 bis 2,5 Grad steige, bedeute dies ein hohes Risiko für ein weitreichendes Artensterben, warnte der NABU. Korallenriffe seien genauso bedroht wie Salzmarschen oder Mangrovenwälder; tropische Regenwälder könnten durch Wassermangel zu Steppen werden, Zugvögel und Säugetiere hätten mit der Verschiebung von Vegetationszonen und Vegetationsperioden zu kämpfen.

"Auch wenn insbesondere die USA, China und Russland versucht haben, die Aussagen bis zuletzt abzumildern, sind die drastischen Warnsignale des neuesten IPCC-Berichts überdeutlich: die Arktis, Afrika südlich der Sahara, die kleinen Inselstaaten, der Amazonasregenwald und die asiatischen Megadeltas werden die Hauptleidtragenden mit Millionen von Betroffenen unter den Regionen dieser Welt sein", sagte Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch. "Globaler Effekt wird voraussichtlich der Schwund von einem Drittel der bisherigen Artenvielfalt sein, also ein riesiger Verlust in den Tier- und Pflanzenvorkommen."

"Ein Durchschnittsdeutscher pumpt pro Jahr zehn Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre, ein Afrikaner eine Tonne", erklärte der Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Gerhard Timm. "Extreme Dürreperioden in der Sahel-Zone, die Wüstenausbreitung in China, das Auftauen des sibirischen Permafrostbodens, Erdrutsche in Südamerika oder Überschwemmungen in Südostasien sind die extremen Folgen der Klimaerwärmung in den armen Regionen. Der Klimawandel hinterlässt dort die tiefsten Spuren, wo sich die Menschen am wenigsten schützen können. Weil die Industrieländer sich auch auf Kosten der armen Länder entwickelt haben, stehen sie jetzt in der Pflicht, zu helfen."

Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse den G8-Gipfel zu einem Klimakrisengipfel machen und mit dem Angebot offensiv in die internationalen Klimaverhandlungen gehen, dass Deutschland seine Treibhausgase um 40 Prozent bis 2020 reduziert, ohne dies an andere Staaten zu koppeln", forderte Greenpeace-Klimaexpertin Gabriela von Goerne. Die Menschheit könne die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels noch aufhalten, die technischen Lösungen seien vorhanden. Es fehle allein an politischem Willen, betonte von Goerne.

www.ipcc.ch


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