BICCBonn (epo.de). - Mit 1.030 Milliarden US-Dollar Rüstungsausgaben weltweit ist im Jahr 2005 die Schallgrenze von einer Billion US-Dollar deutlich überschritten worden. Auch das Jahr 2006 "war kein gutes Jahr für den Frieden", bilanzierte Peter J. Croll, Direktor des Internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC), bei der Vorstellung des Jahresberichts 2006/2007. Das BICC sprach von einem "allgemeinen Trend weltweiter Aufrüstung".

Eine anhaltende Militarisierung spiegele sich auch in einer raschen Zunahme von kriegerischen Auseinandersetzungen wider, so das BICC: Zwischen 2005 und 2006 stieg die Anzahl an Konflikten, bei denen zumindest sporadisch physische Gewalt angewendet wurde, von 91 auf 111. Die BICC-Experten sehen den Trend zur globalen Aufrüstung auch in Zusammenhang mit den Rüstungsausgaben der USA, die 46 Prozent weltweit ausmachten. Der US-Regierung werfen sie vor allem in den Fällen Irak, Afghanistan und Iran "überholtes strategisches Denken" vor.

Der Trend zur Aufrüstung ging 2005, dem letzten Jahr, für das zum Zeitpunkt der Abfassung des BICC-Jahresberichts gesicherte Daten vorlagen, weiter. In absoluten Zahlen ausgedrückt überstiegen die Militärausgaben zum ersten Mal die Grenze von einer Billion US-Dollar, was ungefähr 2,5 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprach. Dies bedeute einen Zuwachs um 25 Prozent seit 2001, so das BICC. Auch pro Kopf gerechnet seien die globalen Militärausgaben von 135 US-Dollar 2001 auf 173 US-Dollar vier Jahre später (2004: 160 US-Dollar) gestiegen.

"Die gestiegenen Verteidigungsausgaben sind in erster Linie auf den wegen des Irak-Konflikts aufgeblähten US-Verteidigungshaushalt, aber auch auf den beträchtlichen Anstieg der Militärausgaben in Russland, Indien und China zurückzuführen", erklärte Croll. Mit 478 Milliarden US-Dollar mache der US-Verteidigungshaushalt 46 Prozent der weltweiten Militärausgaben aus.

Die Rüstungsausgaben Russlands lagen laut BICC im Jahr 2005 bei geschätzten 21 Milliarden US-Dollar (Anstieg seit 2001 um 34 Prozent), Indien verzeichnete 20,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2005 und in China stiegen die Rüstungsausgaben auf geschätzte 41 Milliarden US-Dollar (2001: 26,1 Milliarden).

Wie die Militärausgaben erhöhte sich auch die absolute Personalstärke des Militärs und paramilitärischer Einheiten, und zwar von 26,8 Millionen im Jahr 2004 auf 31 Millionen im Jahr 2005. Das weltweite Verhältnis Soldaten zu Zivilisten könne daher ungefähr auf eins zu 200 geschätzt werden, erläuterte das BICC.

Der Nahe und Mittlere Osten kann nach den Erkenntnissen des BICC als die am stärksten militarisierte Region der Welt bezeichnet werden. Dies gelte vor allem in Bezug auf den Anteil am Bruttoinlandsprodukt (5,2 Prozent 2005) und am Verhältnis Soldaten zu Zivilisten (durchschnittlich 1 zu 87).

KRISENHERDE IRAK, AFGHANISTAN, IRAN

Zu den wichtigsten Krisenherden zählt das BICC Afghanistan und Irak. Aber auch die Auseinandersetzungen um das iranische Atomprogramm bieten ein hohes Konfliktpotenzial.

"Es gibt keine Patentlösung. Dennoch ist der Widerspruch zwischen den globalen Führungsansprüchen der US-Regierung und ihrem fatalen Scheitern bei der Lösung von Konflikten nicht zu übersehen", betonte Volker Franke, Forschungsdirektor des BICC. Amerikas derzeitige Probleme seien auch auf das überholte strategische Denken der Entscheidungsträger zurückzuführen, die ihren politischen Einfluss in der Reagan-Ära erworben hätten.

Im Irak habe mangelnder Weitblick zur Gewalteskalation geführt, so das BICC. Die sektiererische Gewalt nehme rapide zu, was Ausmaß, Komplexität und Todesopfer angehe. "Handlungsoptionen sind durchaus vorhanden, z.B. der Beginn einer neuen Entspannungspolitik, die die Sicherheit im Irak in den größeren Kontext der Sicherheit in der Region (Nahost-Konflikt, Iran, Jemen, Syrien, Pakistan, Golfstaaten) stellt", sagte Franke. Auch sollten Gespräche mit allen Beteiligten (irakische Regierung, aber auch die mächtigsten Schiitenführer) über die Optionen für einen nachhaltigen Frieden geführt werden. Ziel sei ein Prozess der nationalen Aussöhnung, der die Gewalt eindämmt und die staatliche Einheit des Irak bewahrt. Schließlich müsse eine klare Aussage der Bush-Administration getroffen werden, dass es Washington weder um die Kontrolle über das irakische Öl noch um dauerhafte Militärstützpunkte im Irak gehe.

Nachhaltige Sicherheit in Afghanistan müsse von gezielter sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung begleitet werden, fordert das BICC. Neben dem Angebot von Schul- und Berufsbildungsmöglichkeiten sowie Aussichten auf zivile Arbeitsplätze, müsse die internationale Gemeinschaft sich hier dringend mit der Bekämpfung der zunehmenden Opiumproduktion und des Drogenhandels befassen. "Eine zentrale Rolle für die Stabilität Afghanistans spielt die Einbeziehung Pakistans", unterstrich Franke. Priorität habe, ein von beiden Seiten akzeptiertes Grenzkontrollsystem einzuführen und den derzeitigen Grenzverlauf als rechtmäßig zu akzeptieren.

Die BICC-Experten sehen die Iran-Politik der internationalen Gemeinschaft derzeit in einer Sackgasse. "Es ist Zeit für einen Kurswechsel und ein Angebot ernsthafter Verhandlungen ohne Vorbedingungen, allerdings mit dem erklärten Ziel, dem Urananreicherungsprogramm des Iran strikte Kontrollen aufzuerlegen", erklärte Croll. Der Iran sei dabei, die Fähigkeit zur Urananreicherung zu erwerben. Entscheidend sei deshalb nicht mehr, seine Anreicherungskapazität an sich zu verhindern. Vielmehr müsse der Iran jetzt durch eine neue Verhandlungsstrategie davon abgehalten werden, tatsächlich Atomwaffen zu produzieren. Von der US-Regierung erwarten die BICC-Experten statt einer weiteren gefährlichen Eskalation im Bereich der nuklearen Aufrüstung eine ähnliche Kurskorrektur wie gegenüber Nordkorea zu Beginn dieses Jahres.

Das BICC veröffentlicht in seinem Jahresbericht 2006/2007 Daten und Analysen zu weltweiten Auf- und Abrüstungstrends. Zudem stellt das Zentrum seine Produkte und Projekte in anwendungsorientierter Forschung, Beratung und capacity building vor.

www.bicc.de


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