Gr?nland-Eis. Foto: AWIBremerhaven (epo.de). - Große Flächen des arktischen Meereises sind in diesem Jahr nur einen Meter dick und damit etwa 50 Prozent dünner als im Jahr 2001. Dies ist das erste Ergebnis einer vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft geleiteten Expedition ins Nordpolarmeer. Im Rahmen der Expedition sind 50 Wissenschaftler zweieinhalb Monate an Bord des Forschungsschiffes Polarstern unterwegs, um die Meeresgebiete in der zentralen Arktis zu untersuchen.

Sie fanden unter anderem heraus, dass sich nicht nur die Meeresströmungen, sondern auch die Lebensgemeinschaften in der Arktis verändern. Ausgesetzte autonome Messbojen sollen auch nach Ende der Expedition wertvolle Daten aus diesem sich zurzeit stark veränderndem Ozean liefern.

"Die Eisbedeckung des Nordpolarmeeres schwindet, der Ozean und die Atmosphäre werden stetig wärmer, die Meeresströmungen verändern sich", so Fahrtleiterin Dr. Ursula Schauer vom Alfred-Wegener-Institut zu den aktuellen Expeditionsergebnissen. Sie ist mit 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Russland, Finnland, Niederlande, Spanien, USA, Schweiz, Japan, Frankreich und China in der Arktis unterwegs, um den Zustand von Ozean und Meereis zu untersuchen.

"Inmitten einer Phase dramatischen Wandels in der Arktis bietet das Internationale Polarjahr 2007/08 die einmalige Möglichkeit, diesen Ozean in Veränderung fächer- und länderübergreifend zu untersuchen", so Schauer. Ozeanographen an Bord des Forschungsschiffes Polarstern untersuchen die Zusammensetzung und Zirkulation von Wassermassen, die physikalische Beschaffenheit des Meereises und den Transport bio- und geochemischer Komponenten in Eis und Meerwasser.

Auch die Ökosysteme im Meereis, im Wasser und am Meeresboden stehen im Fokus der Beobachtungen. Wissenschaftler gewinnen Sedimentkerne vom Meeresboden, um die Klimageschichte der umgebenden Kontinente zu rekonstruieren. Erstmalig werden im Internationalen Polarjahr in allen Regionen des Nordpolarmeeres autonome ozeanographische Messbojen eingesetzt. Sie driften quer durch den Arktischen Ozean und messen dabei Strömung, Temperatur und Salzgehalt des Meeres. Die Bojen übertragen diese Daten regelmäßig per Satellit direkt in die Labore der Wissenschaftler. Ebenfalls neu ist der Einsatz eines Titanmesssystems, das durch seine hohe Effektivität erstmals in großem Umfang eine kontaminationsfreie Beprobung von Spurenstoffen ermöglicht.

Die Dicke des arktischen Meereises hat nach Angaben des AWI seit 1979 abgenommen und beträgt im zentralen arktischen Becken zurzeit etwa einen Meter. Ozeanographen fanden zudem einen besonders hohen Anteil an Schmelzwasser im Meer und eine große Anzahl von Schmelztümpeln. Diese an Bord von Polarstern und von Hubschraubern aus gesammelten Daten ermöglichen den Wissenschaftlern, aktuelle Satellitenaufnahmen besser interpretieren zu können.

Meereisbiologen des Instituts für Polarökologie der Universität Kiel untersuchen die Tiere und Pflanzen, die im und unter dem Eis leben. Sie nutzen die Chance, dieses vom Untergang bedrohte Ökosystem zu erforschen. Nach neuesten Modellrechnungen könnte die Arktis bei weiterer Erwärmung in weniger als 50 Jahren im Sommer eisfrei sein. Dies könnte zum Aussterben vieler an diesen Lebensraum angepasster Organismen führen.

Die Meeresströmungen in der Arktis sind ein wichtiger Bestandteil der globalen Zirkulation. Warme Wassermassen, die aus dem Atlantik einströmen werden in der Arktis durch Abkühlung und Eisbildung verändert und sinken in größere Tiefen ab. Dauermessungen des Alfred- Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung im vergangenen Jahrzehnt haben erhebliche Schwankungen und die Erwärmung des einströmenden Wassers aus dem Atlantik gezeigt. Auf der aktuellen Expedition wird die Ausbreitung dieser warmen Anomalien entlang verschiedener Stromarme im Nordpolarmeer untersucht.

Neben Meeresströmungen und Meereis werden auch das im Wasser schwebende  Zooplankton, Sedimentablagerungen am Meeresboden und Spurenstoffe untersucht. Zooplankton ist die Nahrungsgrundlage vieler Meeresbewohner und damit ein wichtiger Indikator für den Zustand des Ökosystems. Die Ablagerungen auf dem Grund des Nordpolarmeeres zeichnen wie ein Tagebuch die wechselvolle Geschichte der Klimaveränderungen auf den umliegenden Kontinenten auf. So können die Wissenschaftler mittels Sedimentkernen die Vergletscherungen Nordsibiriens entschlüsseln. Außerdem konnten die Expeditionsteilnehmer Spurenstoffe aus den sibirischen Flüssen und Schelfgebieten messen, die mit der Transpolardrift in Richtung Atlantik geführt werden.

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