KlimawandelPotsdam (epo.de). - Während die Industrienationen durch ihren hohen Ressourcenverbrauch den größten Einfluss auf das Weltklima nehmen, sind es die armen Länder, die am stärksten durch den Klimawandel verwundbar sind. Auf diese Gerechtigkeitslücke haben die Münchener Rück Stiftung und das katholische Hilfswerk MISEREOR in Potsdam hingewiesen. Anlass war der Start einer gemeinsam finanzierten Studie zum Zusammenhang von "Klimawandel und Gerechtigkeit. Klimapolitik als Baustein einer gerechten Globalisierung und nachhaltigen Armutsbekämpfung".

Die Studie wird vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und dem Institut für Gesellschaftspolitik (IGP) an der Hochschule für Philosophie, München, erarbeitet. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts, bezeichnete das Projekt als wichtige Herausforderung für das PIK. Es gehe darum, neue wissenschaftliche Grundlagen für die Armutsbekämpfung in Zeiten des Klimawandels zu erarbeiten.

Armut macht verwundbar - ganz besonders auch verwundbar für extreme Wetterereignisse. Dies machte Johannes Müller, Leiter des Instituts für Gesellschaftspolitik, deutlich. So würden beispielsweise viele Slums an Hängen gebaut, die bei extremen Wetterereignissen abrutschen könnten. Die ärmsten Länder, Regionen und Menschen würden wahrscheinlich Hauptopfer des Klimawandels sein. Für eine nachhaltige Überwindung von Armut sei es deshalb wichtig, das Handlungsvermögen der Armen zu stärken. Eine besondere Rolle kommt hierbei einer fairen Weltwirtschaftsordnung zu.

Auch Misereor-Hauptgeschäftsführer Josef Sayer kritisierte, dass Armut und Klimawandel bisher in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch als zwei eigenständige Probleme gesehen würden. Es gebe jedoch eine starke Wechselwirkung, die mit der Studie aufgedeckt werden solle. Der Klimawandel verschlechtere die Lebensbedingungen der Armen nachhaltig und konterkariere bisherige Entwicklungserfolge. Um die Folgen des Klimawandels abzumildern, seien nach ersten Schätzungen zusätzlich zu den derzeit aufgewendeten Mitteln Beträge in zweistelliger Milliardenhöhe nötig.

Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Instituts, sprach in diesem Zusammenhang von einer "Kohlenstoffschuld der reichen Länder". Schließlich hätten sie ihren Reichtum auf Kosten des Klimawandels angehäuft. Die Industrienationen müssten daher ihre Emissionen stark absenken und zugleich den ärmeren Ländern eine emissionsarme Entwicklung ermöglichen. Mit Hilfe technischer und institutioneller Innovationen sei dies zu relativ geringen volkswirtschaftlichen Kosten möglich. Wichtige Bausteine hierfür seien eine angepasste Technologiepolitik, die Einführung eines weltweiten, sektorübergreifenden Emissionshandels sowie der Aufbau von Anpassungsfonds.

Wie man den benachteiligten Menschen in Entwicklungsländern schon heute helfen kann, skizzierte Thomas Loster, Geschäftsführer der Münchener Rück Stiftung. So könnten neuartige Versicherungskonzepte helfen, die Risiken ärmerer Menschen zu senken. Denn vor allem Familien mit geringem Einkommen gerieten durch wirtschaftliche Krisen, meist ausgelöst durch Wetterkatastrophen, Krankheit oder Tod, noch tiefer in die Armut. "Besonders viel versprechend sind Mikroversicherungen und innovative Produkte im Agrar- oder Nutztiersektor. In Äthiopien wurde 2005 erstmals ein Deckungskonzept in die Praxis umgesetzt, das mehr als 15 Millionen Farmer gegen eine starke Dürre absichert", berichtete Loster.

Einzigartig am Projekt "Klimawandel und Gerechtigkeit" ist nach Darstellung der Initiatoren die interdisziplinäre Zusammenarbeit: Jeder Projektpartner bringe in zentralen Bereichen eine ganz besondere Expertise mit ein. Dadurch könnten Zusammenhänge beleuchtet werden, die sich bei isolierter Betrachtung oft nicht erschließen. Dabei gehe es keineswegs um eine reine Bestandsaufnahme: Ziel sei vielmehr, konkrete Handlungsoptionen und Empfehlungen zu erarbeiten und diese im öffentlichen Diskurs zu erörtern. Das Projekt zeige die Verbindung zwischen den Auswirkungen des Klimawandels und der Bekämpfung weltweiter Armut auf. Auf der Basis aktueller Klima- und Armutsforschungen sollten Vorschläge für eine ethisch verantwortbare Klimapolitik entwickelt werden, die eine gerechte Globalisierung und eine nachhaltige Armutsbekämpfung wirksam unterstützt.

www.klima-und-gerechtigkeit.de
www.misereor.de