UNICEFKöln (epo.de). - Permanente Unsicherheit und Gewalt gefährden nach Einschätzung von UNICEF Fortschritte für Kinder in Afghanistan. In einem neu erschienenen UNICEF-Report heißt es, wegen des maroden Gesundheitssystems habe Afghanistan bis heute die dritthöchste Kindersterblichkeit der Welt. Jeden Tag sterben dort 900 Kleinkinder zumeist an vermeidbaren oder behandelbaren Krankheiten. Zudem werden Kinder in Afghanistan sowohl zufällig als auch gezielt Opfer der Gewalt.

Der ehemalige BBC-Korrespondent Martin Bell, Verfasser der UNICEF-Berichts, schreibt: "Ich habe einen dramatischen Anstieg an Unsicherheit erlebt. Immer mehr Kinder werden getötet und immer mehr Schulen müssen geschlossen bleiben. Insbesondere im Süden leben viele Familien im Kreuzfeuer, außer Reichweite für humanitäre Hilfe." Im Sommer hatte Bell, der auch als unabhängiger Abgeordneter im britischen Parlament sitzt, für UNICEF in Afghanistan recherchiert und Hilfsprojekte besucht.

UNICEF ruft erneut zu Spenden für die Kinder in Afghanistan auf. Gleichzeitig appelliert der Bericht aber auch an die Afghanen, selbst Verantwortung für den Wiederaufbau und für die Sicherheit zu übernehmen. Hilfsorganisationen haben gegenwärtig lediglich zu 40 Prozent des Landes sicheren Zugang. Allein in 2007 gab es 44 Überfälle auf Schulen.

Bell weist darauf in, dass bei Selbstmordanschlägen auf die Koalitionstruppen oder durch Sprengfallen immer wieder viele Kinder getötet oder schwer verletzt werden. Der UNICEF-Bericht zählt zahlreiche schwere Anschläge zwischen August 2006 und Juni 2007 auf. Am 15.Juni 2007 starben zum Beispiel in dem Ort Tirin Kot in der Provinz Urzugan zwölf Kinder, als ein Selbstmordattentäter einen Militärkonvoi in der Nähe einer Schule rammte. Weiter ist die Gefahr durch Landminen aus dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg für Kinder enorm groß.

Zivilisten, darunter viele Kinder, geraten dem Bericht zufolge immer häufiger zwischen die Fronten, wenn die von der Nato geführten Sicherheitstruppen gegen Aufständische vorgehen. Während Taliban-Kämpfer Zivilisten als menschliche Schutzschilde einsetzen, führen auch Luftangriffe der Koalitionstruppen zu hohen Opfern unter der Bevölkerung. Bei zweitätigen Kämpfen in der Provinz Helmand im Juni 2007 hatten beide kämpfenden Parteien kaum Opfer zu beklagen. Aber 27 Zivilisten, darunter 17 Kinder, kamen ums Leben.

Besonders schockierend sind Berichte, dass Extremisten Kinder und Jugendliche zu Selbstmordanschlägen angestiftet haben sollen. Ein sechsjähriger Junge aus der Provinz Ghazni berichtete, dass er dazu aufgefordert wurde, eine Sprengstoffweste zu tragen. Diese würde Blumen verstreuen, wenn er den Auslöser drücken würde. Einem 15-Jährigen aus der Stadt Gardez wurde versprochen, dass er ins Paradies käme, wenn er einen Fremden töten würde.

Fast wöchentlich komme es zu Attacken auf Schulen, so der Bericht. Seit 2004 seien mehr als 440 Angriffe registriert worden, davon 44 allein in diesem Jahr. Vor allem Mädchenschulen und sogar einzelne Schülerinnen würden angegriffen. Zwischen 2002 und 2006 waren nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg in Afghanistan mit massiver Hilfe von UNICEF fast fünf Millionen Kinder in die Schule gebracht worden. Aus Angst vor Überfällen behalten jetzt wieder viele Eltern ihre Kinder zu Hause.

 www.unicef.de


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