IrakKöln (epo.de). - Im Irak haben ein Rückgang der Gewalt und eine etwas bessere Versorgungslage fünf Jahre nach Kriegsbeginn offenbar dazu geführt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung wieder Hoffnung schöpft. Das ist das Ergebnis einer großen Umfrage unter mehr als 2.200 Irakern, die im Auftrag der Fernsehanstalten ARD, ABC, BBC und NHK vom Institut "D3 System" durchgeführt wurde, das auf den Nahen und Mittleren Osten spezialisiert ist. Die Umfrage zeigt jedoch eine tiefe Spaltung zwischen Schiiten, Kurden und Sunniten.

Erstmals seit zwei Jahren beurteilt eine Mehrheit der Iraker der Umfrage zufolge die persönliche Situation wieder überwiegend positiv (55 %) und knapp die Hälfte (46 %) glaubt, dass es ihnen in einem Jahr noch besser gehen wird. "Dieser Stimmungswandel steht in deutlichem Kontrast zu der extremen Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und dem Hass auf die Besatzungstruppen, die wir noch vor einem Jahr bei einer vergleichbaren Umfrage festgestellt haben", erklärte Arnd Henze, der als stellvertretender Auslandschef die Studie für den WDR betreut hat.

Getrübt wird das Bild allerdings beim Blick auf die extremen Gegensätze zwischen den Bevölkerungsgruppen. Während 73 % der Kurden und 62 % der arabischen Schiiten ihre persönliche Situation insgesamt positiv bewerten, beschreiben 67 % der arabischen Sunniten ihre Lage immer noch als schlecht - mit deutlich geringerer Hoffnung, dass sich die Situation grundlegend bessern wird. Nur 12 % von ihnen glauben, dass es ihre Kinder einmal besser haben werden, verglichen mit 39 % in der Gesamtbevölkerung.

Große Unterschiede gibt es vor allem bei der  Sicherheit im eigenen Dorf oder Wohnviertel: 70 % der Schiiten fühlen sich in ihrer unmittelbaren Umgebung wieder einigermaßen sicher,  bei den Sunniten sind es nur halb so viele. Allerdings gibt es auch hier einen Hoffnungsschimmer: vor einem Jahr bezeichneten noch 93 % der Sunniten die persönliche Sicherheits-Lage als schlecht.

"Wir sind mit den Werten wieder da, wo der Irak vor der Offensive der US-Truppen stand: besser als zuletzt, aber immer noch deutlich schlechter als 2004 und 2005", erklärte Arnd Henze. So berichteten immer noch vier von zehn Irakern, es habe in den letzten sechs Monaten Selbstmordanschläge, Straßenkämpfe, Entführungen oder andere Gewaltaktionen in ihrem Wohngebiet gegeben.

Wenig geändert hat sich die Stimmung gegenüber den US-Besatzungstruppen. Nur 4 % der Iraker werten den Rückgang der Gewalt als Erfolg der US-Truppen, die Verstärkung der Streitkräfte wird mehrheitlich als Verschärfung der Lage empfunden und nur jeder Fünfte (und das sind vor allem Kurden) hat Vertrauen zu den Truppen.

42 Prozent der Iraker (bei den Sunniten 57 %) berichten, dass es auch in den letzten Monaten noch in ihrer Nachbarschaft Gewalt von US-Soldaten gegenüber Zivilisten gegeben hat. Entsprechend ist die Akzeptanz für Anschläge auf US-Soldaten zwar in allen Bevölkerungsgruppen gesunken, mit 42 % (bei den Sunniten sogar 62 %) aber immer noch sehr hoch.

Trotz dieser extrem schlechten Noten für die USA befürworteten nur 38 % einen sofortigen Abzug der Besatzungstruppen, während die große Mehrzahl diesen an Bedingungen knüpfe, so die Ergebnisse der Umfrage. "Die Iraker wollen einen gut vorbereiteten  Abzug. Sie fürchten ein Machtvakuum, einen Bürgerkrieg zwischen den hochgerüsteten Milizen und die Bedrohung durch die Nachbarn", sagte Arnd Henze.

Einig sind sich die Iraker in ihrer Forderung, dass die USA auch nach einem Abzug eine große Verantwortung für den Wiederaufbau sowie für den Schutz gegenüber Al Qaida, dem Iran und der Türkei übernehmen sollen. "Hier unterscheidet sich die Stimmung deutlich von der aktuellen Wahlkampf-Debatte in den USA, bei der es bisher ausschließlich um den Zeitplan eines Abzugs, aber nicht um die langfristige Stabilisierung des Iraks geht. Und es zeigt sich, dass die Stimmung der Iraker weniger durch einen rein emotionalen Hass auf die USA geprägt ist, als durch die sehr rationale Erwartung, dass die Besatzer die Verantwortung für den Schaden übernehmen, den sie im Irak angerichtet haben", so Arnd Henze.

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