Kinderspeisung. Foto: BfdWBerlin (epo.de). - Mit scharfer Kritik hat das globalisierungskritische Netzwerk Attac auf die gemeinsame Erklärung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank zum Abschluss ihrer Frühjahrstagung reagiert. "Es ist an Zynismus kaum zu überbieten, wie sich hier zwei Sensenmänner über das gefallene Gras wundern und die gestiegenen Lebensmittelpreise bedauern," sagte Pia Eberhardt vom Attac-Agranetz. Die Welthungerhilfe und Brot für die Welt erklärten, die hohen Nahrungsmittelpreise machten eine dringende Umschichtung der Entwicklungshilfe erforderlich.  IWF und Weltbank stünden seit Jahrzehnten für eine systematische Vernichtung kleinbäuerlicher Existenzen, warf Attac den beiden internationalen Finanzinstituten vor. So habe der IWF die Entwicklungsländer mit Strukturanpassungsmaßnahmen gezwungen, ihre gesamte Landwirtschaft auf den Export auszurichten und für billige Importe zu öffnen. Großflächige Monokulturen verdrängten den Anbau für den Eigenbedarf sowie lokale Märkte. Billigimporte täten ihr Übriges, um den Landwirten im Süden ihre Existenz zu rauben.

"Einen Sonderpreis für Doppelzüngigkeit verdient Weltbankpräsident Robert Zoellick, wenn er darüber klagt, dass die Lebensmittelpreise wegen des Klimawandels und der damit einhergehenden Dürren steigen", sagte Jutta Sundermann vom Attac-Koordinierungskreis. Die Weltbank trage selbst zum Klimachaos bei, "indem sie ein gigantisches Kohlekraftwerk in Indien finanziert, das die Atmosphäre mit insgesamt 700 Millionen Tonnen CO2 belasten wird".

Auch für die aktuelle Finanzkrise, die die Lebensmittelkrise noch verschärfe, seien IWF und Weltbank mitverantwortlich. Jutta Sundermann: "Bereits jetzt zeigt sich: Seit sich mit Aktien kein großer Profit mehr machen lässt, spekulieren professionelle Anleger verstärkt mit Agrarrohstoffen. Den Preis zahlen die Armen."

Attac kritisierte zudem die Energiepolitik der Industrieländer. Notwendig sei ein sofortiger Stopp des Agrosprit-Booms und die Abkehr von dem von IWF und Weltbank Jahrzehnte lang forcierten Wirtschaftsmodell, das natürliche Ressourcen rücksichtslos ausbeute und das Thema Verteilungsgerechtigkeit ausklammere.

Angesichts der drohenden weltweiten Hungerkrise sind die 500 Millionen Dollar, die IWF und Weltbank als Soforthilfe versprochen haben, Attac zufolge höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein. "Statt Sonntagsreden" fordern die Globalisierungskritiker eine grundlegende Veränderung der internationalen Handels- und Agrarpolitik. Pia Eberhardt: "Ein Weltmarkt von Lebensmitteln, auf dem nur die Lidls und Nestlés dieser Welt bestehen können, wird niemals die Hungerkrise lösen können. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in Richtung Ernährungssouveränität - und zwar jetzt."

DIE LANDWIRTSCHAFT FÖRDERN

Angesichts der globalen Nahrungsmittelkrise müsse ein größerer Anteil der Entwicklungshilfe für die Förderung von Landwirtschaft und ländlicher Entwicklung bereitgestellt werden, forderte die Vorsitzende der Welthungerhilfe, Ingeborg Schäuble. "Seit über zehn Jahren beobachten und beklagen wir einen Rückgang der Mittel für die Verbesserung der landwirtschaftlichen Erzeugung in Entwicklungsländern z.B durch Bewässerungssysteme, landwirtschaftliche Beratung und Agrarforschung. Dieser negative Trend muss umgekehrt werden!"

Die Ausgaben der deutschen Entwicklungshilfe für Ernährungssicherung und Landwirtschaft hätten sich in den letzten zehn Jahren fast halbiert, kritisierte Schäuble. Die Hilfszusagen der Weltbank und des internationalen Währungsfonds für kurzfristige Nahrungsmittelhilfe seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein und lösten das Problem nur vorübergehend. "Die Nahrungsmittelkrise darf nicht dazu führen, dass erneut subventionierter Reis oder Mais die lokalen Märkte der Entwicklungsländer zerstört", betonte Schäuble. "Ganz falsch" sei es, die Nahrungsmittelpreise künstlich zu verbilligen.

"Mit den Hungerrevolten in inzwischen 33 Ländern rächt sich die jahrzehntelange Vernachlässigung der bäuerlichen Landwirtschaft in der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit", erklärte die Direktorin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel. "Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds müssen jetzt schwere Fehler einräumen, auf die wir seit Jahren vergeblich hingewiesen haben."

Zwischen 1995 und 2005 seien die Ausgaben für den ländlichen Raum in den ärmeren Entwicklungsländern um knapp die Hälfte gesunken, so Brot für die Welt. Insgesamt sei der Anteil der Landwirtschaft an der Entwicklungszusammenarbeit über die letzten beiden Jahrzehnte von 20 Prozent auf nur noch drei Prozent zurückgegangen.

"Die Butterberge, Milchseen und Getreideüberschüsse der 1980er und 1990er Jahre haben die Agrarpreise zunächst verfallen lassen", so Füllkrug-Weitzel. Die USA und die Europäische Union hätten mit milliardenschweren Exportsubventionen ihr übriges getan, die Landwirtschaft in Entwicklungsländern aus dem Wettbewerb zu drängen. Das führte dazu, dass dort statt Lebensmitteln Exportgüter wie Baumwolle und in jüngster Zeit auch immer mehr Energiepflanzen für die Erzeugung von Agrokraftstoffen produziert wurden. Das räche sich jetzt mit einer besorgniserregenden Verknappung von Nahrungsmittelreserven und einem dramatischen Preisanstieg.

Eine massive Unterstützung bei der Stärkung lokaler Produktion von Grundnahrungsmitteln forderte die entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Heike Hänsel. "Die Entscheidung von Weltbank und anderen Gebern für umfangreiche Subventionen für Haiti, um den Preis für importierten Reis zu senken, ist nur kurzfristig eine wirksame Maßnahme. Mittel- und langfristig müssen aber die strukturellen Gründe angegangen werden, die dazu geführt haben, dass Haiti sich nicht selbst ernähren kann."

Mit der unter anderem von der Weltbank durchgesetzten Freihandelspolitik, insbesondere der drastischen Absenkung der Importzölle auf Grundnahrungsmittel wie Reis sei die lokale Produktion kaputt gemacht worden,  so Hänsel. Der zollfreie Handel mit Grundnahrungsmitteln nehme den Menschen in den Ländern des Südens ihre Ernährungssouveränität. "Haiti wurde auf diese Weise vom Selbstversorger zu einem hochgradig vom Weltmarkt und seinen Preisentwicklungen abhängigen Land - ein Bespiel, das für viele Länder steht. Die aktuelle Krise, die bereits sechs Tote gefordert hat und deren Nachwirkungen noch unabsehbar sind, hat vor allem damit zu tun. Deutschland und die EU aber setzen weiterhin auf Freihandel, beispielsweise im Rahmen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen."

Um die unmittelbare Not der betroffenen Menschen zu lindern, schlägt die Welthungerhilfe Beschäftigungs- und Sozialprogramme vor, mit denen die ländliche Infrastruktur verbessert wird. Der Lohn für die Arbeit, ob in Naturalien oder bar ausgezahlt, versetze die Bedürftigen in die Lage, sich selbst zu ernähren.

» www.attac.de
» www.welthungerhilfe.de
» www.brot-fuer-die-welt.de


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