Ilisu Staudamm

Berlin (epo.de). - Das Ilisu-Staudammprojekt im Südosten der Türkei befindet sich in einer kritischen Phase. Dies wurde jetzt bei einer Dialogveranstaltung in Wien deutlich, bei der Nichtregierungsorganisationen (NRO) mit den für die Projektüberwachung zuständigen Experten und den Exportagenturen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz diskutierten. Ein Anschlusstreffen in Berlin am Montag habe ergeben, dass auch zwischen NRO und den deutschen Ministerien mittlerweile ungewohnte Einigkeit über die Defizite des Projekts bestehe, teilte Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (WEED) mit.

Wie WEED zufolge aus den Aussagen der Experten deutlich wurde, gibt es kaum Fortschritte bei der Erfüllung der Auflagen, die das Projekt mit internationalen Standards in Einklang bringen sollen. Selbst nach Veröffentlichung vernichtender Berichte der Experten im März 2008 sei kaum etwas passiert. Zwar seien einige Umweltstudien in Auftrag gegeben worden, doch noch immer fehlten grundlegende Informationen, unter anderem über die Zahl der umzusiedelnden Menschen und die betroffenen Kulturgüter, und die Zuständigen vor Ort wüssten kaum über die Auflagen Bescheid, die sie erfüllen sollen. Wie der anwesende Umsiedlungsexperte, Michael Cernea, betonte, gebe es auch weiterhin keine Chance auf Auflagenerfüllung, wenn auf türkischer Seite nicht völlig neue Institutionen aufgebaut werden.

"Aus den Aussagen der Experten folgert eindeutig: Innerhalb der nächsten vier Jahre kann der Bau auf keinen Fall beginnen", erklärte Heike Drillisch von der deutschen Nichtregierungsorganisation WEED, die an dem Treffen mit den Experten teilnahm. Vor Ort seien allerdings die Errichtung von Zufahrtsstraßen und Militärstationen zur Absicherung der Baustelle bereits im Gange. "Die Bundesregierung muss jetzt eine klare Abmachung mit den türkischen Behörden treffen, dass alle Baumaßnahmen gestoppt werden, bis die Auflagen umgesetzt werden", forderte Drillisch. "Nur so kann Rechtssicherheit für die betroffene Bevölkerung entstehen, die zunehmend unter Druck gesetzt wird, ihr Land vorzeitig und ohne die versprochenen Entschädigungen zu verlassen."

Zu einer solchen Abmachung scheint es bei den jüngsten Verhandlungen zwischen den Exportkreditagenturen mit der Türkei nicht gekommen zu sein. Vertreter Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, die das Ilisu-Projekt mit Bürgschaften unterstützen, waren in der vergangenen Woche nach Ankara gereist, um mit der Türkei zu klären, wie die Auflagen vor dem offiziellen Baubeginn doch noch erfüllt werden könnten. Die Exportkreditagenturen bestätigten als Ergebnis der Verhandlungen jedoch lediglich, dass sich das Projekt in einer "kritischen Phase" befinde. Wenn nicht klar werde, dass die europäische Beteiligung zu einer Verbesserung des Projekts führe, werde der Ausstieg aus dem Projekt anvisiert. Auch ein Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums versicherte nach Aussage der NRO, dass die Bundesregierung nicht in ein Projekt involviert bleibe, das die Auflagen ignoriere.

Die NRO begrüßten die Dialogbereitschaft und Offenheit der Exportkreditversicherungen. Trotzdem urteilen sie: "Die Exportagenturen fahren eine permanente Verzögerungstaktik. Wenn sie von den türkischen Behörden jetzt keine eindeutige Zusage über eine Bauverschiebung erhalten können, müssen sie die Verträge auflösen."

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