Welt-Aids-Konferenz 2008Mexico City/Berlin (epo.de). In Mexico City ist die 17. Welt-Aids-Konferenz zu Ende gegangen. "Im Mittelpunkt standen diesmal die Menschenrechte von betroffenen Gruppen, die Ausweitung von geeigneten Präventionsmaßnahmen und die Behandlung von Aidskranken, um dem Ziel des Universellen Zugangs bis 2010 näher zu kommen", sagte Astrid Berner-Rodoreda, Sprecherin des Aktionsbündnis gegen AIDS. Das Thema Prävention habe viel Raum eingenommen, ebenso sei aber immer wieder gefordert worden, Prävention und Behandlung als Einheit und nicht als konkurrierende Ansätze zu sehen.
 Das Aktionsbündnis gegen AIDS und die Ecumenical Advocacy Alliance führten bilaterale Gespräche mit verschiedenen Pharmakonzernen. Ziel war es, die Vertreter der Pharmaindustrie davon zu überzeugen, den Zugang zu neueren und preisgünstigen Aids-Medikamenten für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu erleichtern.
 
"Das Problem der zu teuren Medikamente ist bekannt - vor allem auch in Lateinamerika, wo viele Länder auf vorbildliche Weise an HIV/Aids erkrankte Menschen therapieren und zunehmend PatientInnen auf neue und teurere Medikamente umgestellt werden müssen. Mexiko zum Beispiel gibt 90 % seines Aids-Budgets für Medikamente aus, da Originalpräparate zu hohen Preisen eingeführt werden müssen", sagte Astrid Berner-Rodoreda. Der mexikanische Präsident Felipe Calderón kündigte an, Mexiko werde künftig den Import von Aids-Generika zulassen.
 
Ein Instrument für die bessere Verfügbarkeit von Aids-Medikamenten könnten aus der Sicht der Aids-Kampagne "Patent-Pools" sein. Patente für bestimmte Wirkstoffe würden gesammelt und die entsprechenden Lizenzen kostengünstig an Generika-Hersteller vergeben. Auf diese Weise würde der Wettbewerb verstärkt, durch den die Preise für Aids-Medikamente deutlich sinken. "Das ist dringend nötig, um alle Behandlungsbedürftigen in Therapie zu bringen", so die Kampagne. "Zwar wurde die Behandlung in den vergangenen Jahren ausgeweitet, doch noch immer sind weltweit etwa sieben Millionen Menschen davon ausgeschlossen - das sind 70% derer, die die Behandlung benötigen."
 
Während einige Pharma-Konzerne Patent-Pools gegenüber offen sind, rücken sie nach Angaben der Aids-Kampagne an anderer Stelle "nicht von ihren Profitinteressen ab". So fordert das Aktionsbündnis gegen AIDS in seiner aktuellen Kampagne "Leben vor Pharmaprofit! Patente können tödlich sein" drei führende Unternehmen auf, ihre Patentanträge in Indien auf neue, wirksamere Aids-Medikamente zurück zu ziehen. Diese behinderten den Wettbewerb und somit dringend benötigte Preissenkungen. Die Firmen Abbott und Gilead, mit denen auf der Konferenz Gespräche stattfanden, "lenkten jedoch nicht ein", erklärte die Kampagne.

BMZ WILL SCHULDENERLASSE IM KAMPF GEGEN AIDS EINSETZEN

Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hatte zum Abschluss der 17. Internationalen AIDS-Konferenz in Mexiko die Industrieländer aufgefordert, Schuldenerlasse zur AIDS-Bekämpfung einzusetzen: "Die Konferenz hat deutlich gemacht, dass der Kampf gegen HIV/AIDS zu gewinnen ist, wenn wir unser Engagement verstärken und auch innovative Finanzierungswege gehen", sagte die Ministerin (epo.de berichtete) .

Deutschland habe seit 2007 damit begonnen, Entwicklungsländern einen Teil ihrer Schulden zu erlassen, unter der Bedingung, dass sie die frei werdenden Mittel für HIV/AIDS Programme einsetzen, erklärte Wieczorek-Zeul. "Diesem Beispiel sollten andere Industrieländer folgen, denn so können neue umfangreiche Mittel bereitgestellt werden, die dringend benötigt werden."

HIV-POSITIVE NICHT DISKRIMINIEREN

Die Kirchen hatten sich an der Konferenz aktiv beteiligt und schon in der Vorkonferenz "Faith Action Now" zum Thema Aids Stellung bezogen. Bischof Hanson, der Präsident des Lutherischen Weltbundes, betonte den Kampf gegen die Diskriminierung von HIV-positiven Menschen und speziell die Notwendigkeit der Gleichstellung von Frauen, um der Epidemie beizukommen. "Menschen mit HIV müssen vollwertige Mitglieder in Kirchengemeinden sein dürfen", so Hanson. Der Schlüssel hierzu sei die aktive Beteiligung von Menschen, die mit HIV leben. Ein Netzwerk von Pfarrern und Priestern, die selbst infiziert sind, gebe 'Aids ein Gesicht' und trägt dazu bei, dass Kirchen vorurteilsfrei mit HIV umgehen und alle Präventionsmethoden anerkennen.

Das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" unterstützt die Forderung, die Menschenrechte für alle von Aids betroffenen Gruppen in vollem Umfang zu gewähren. Die Forderung wurde auf der internationalen Aidskonferenz in Mexiko vielfach geäußert.  Mehr 70 Länder hätten Einreisebeschränkungen für HIV-Positive, beklagte die Aidsbeauftragte für Afrika von "Brot für die Welt", Astrid Berner-Rodoreda, zum Abschluss der Konferenz am 8. August in Mexico City.

"Wir sind der Meinung, dass die Kriminalisierung von Homosexuellen und Sexworkern die Situation verschlimmert, indem sie die Betroffenen in den Untergrund treibt und stark stigmatisiert", sagte die Expertin. Damit werde ihnen auch der Zugang zu Gesundheitsdiensten und die Möglichkeit, sich selbst und andere zu schützen, verbaut. Außerdem begrüßte Berner-Rodoreda, dass das Thema "Gewalt gegen Frauen" ebenfalls eine große Rolle in Mexiko spielte - "im Gegensatz zu früheren Konferenzen".

Die Expertin kritisierte, dass die Pharmaindustrie weiter ihre Patentanträge in Indien auf neue Medikamente aufrechterhalte. Dies behindere den Wettbewerb und verhindere dringend benötigte Preissenkungen. Als positiv bewertet Berner-Rodoreda, dass die Prävention wieder stärker in den Blick kam. "Brot für die Welt" unterstützt den auf der Konferenz viel diskutierten Ansatz der Kombinationsprävention, bei der verschiedene Methoden angewandt werden, um die Zahl der Neuinfizierungen auf Dauer zu senken. Auf zwei Menschen, die neu therapiert werden, kommen fünf Menschen, die sich neu infizieren, konstatiert Brot für die Welt.

Die Organisation unterstützt auch die Forderung nach Verknüpfung von Prävention und Behandlung. Studien belegten, dass eine erfolgreiche Behandlung das Übertragungsrisiko stark reduziere, so Berner-Rodoreda. Es fehle aber an  Finanzmitteln, um Prävention und Behandlung auszubauen. Weltweit seien etwa sieben Millionen Menschen, etwa 70 Prozent der Betroffenen, von der Behandlung ausgeschlossen.

Ebenso begrüßte Berner-Rodoreda, dass die Rolle der Geschlechter überall auf der Konferenz miteinbezogen wurde. Dies ist ein Schwerpunkt der Arbeit von "Brot für die Welt". Insbesondere die Notwendigkeit der stärkeren Einbeziehung von Männern in die Präventionsarbeit sei erkannt worden.

Konkrete Projekte wurden bei der Konferenz vorgestellt, wie die Zusammenarbeit mit Soldaten im Sudan. Jetzt gelte es, solche lokalen Ansätze auszuweiten, so dass sie weltweit Wirkung zeigen, betonte Berner-Rodoreda. Sie fügte hinzu, dass die internationalen Bemühungen von allen Beteiligten verstärkt werden müssen, um dem Ziel des universellen Zugangs zu Prävention, Pflege und Behandlung bis 2010 näher zu kommen. Bis jetzt würden nur drei Millionen an Aids Erkrankte behandelt - ein Ziel, das schon 2005 erreicht werden sollte.

ARBEIT AN DER BASIS WICHTIG

Die internationale Hilfsorganisation World Vision fühlt sich durch die Welt-Aids-Konferenz darin bestärkt, den Kampf gegen Aids durch kombinierte Strategien und im Schulterschluss mit Netzwerken an der Basis voranzutreiben. "Die Wissenschaftler haben klar gemacht, dass es vorerst keine Wunderwaffe geben wird und das Leben vieler Menschen nur zu retten ist, wenn eine Infektion rechtzeitig erkannt und behandelt bzw. durch Prophylaxe oder richtiges Verhalten verhindert wird", sagte Marwin Meier, HIV-und Aids-Beauftragter bei World Vision Deutschland. "Wir kennen aber Waffen, die gemeinsam einiges ausrichten können." Viele Aidsaktivisten hätten aus ihren Ländern berichtet, dass die Krankheit zurückgedrängt werden könne, wenn ein Klima der Offenheit hergestellt werde, wenn bewusste Entscheidungen zu sexuellen Kontakten gefördert würden und wenn eine Gesellschaft auf die Einhaltung der Menschenrechte achte.

Die aktuelle Nahrungsmittelkrise mit weltweit steigenden Preisen für Grundnahrungsmittel bot den Experten ebenfalls Anlass, über den Tellerrand hinauszuschauen. "Es gibt viele Anzeichen dafür, dass dieses wirtschaftliche Problem Fortschritte in der Aidsbekämpfung gefährdet", warnte Ramon Soto, HIV- und Aids-Koordinator für Lateinamerika /Karibik bei World Vision. "HIV-positive Menschen, die schlecht ernährt sind, haben größere Probleme mit den Medikamenten und sind häufiger gezwungen, die Behandlung zu unterbrechen; gleichzeitig werden sich mehr arme Mädchen und Frauen prostituieren müssen, um ihre Familien zu ernähren."

Studien zeigten auch, dass die Übertragung des Virus von Müttern auf Kinder durch Mangelernährung gefördert werde. "Um Kinder und ihre Eltern am Leben zu halten, brauchen wir beides: eine gesunde Ernährung und Medikamente. Deshalb suchen Hilfsorganisationen wie World Vision nach Wegen, um in der Krise schon bei Kleinstkindern Unterernährung zu verhindern und den Familien Mittel an die Hand zu geben, mit denen sie ihr Einkommen bzw. ihr Nahrungsangebot verbessern können", so Soto.

Stärker als bei früheren Welt-Aids-Konferenzen wurden in Mexiko auch die Auswirkungen der Epidemie auf Kinder thematisiert. Hierzu konnten unter anderem die World Vision-Experten Stefan Germann aus der Schweiz und Jane Chege aus Sambia sowie Oswaldo Benitez aus Mexiko zusammen mit drei Jugend-Delegierten Erfahrungen aus der Praxis beitragen. Stefan Germann: "Wir haben in afrikanischen Projekten zum Beispiel festgestellt, dass regelmäßige Hausbesuche durch geschulte Nachbarschaftsnetzwerke und Gruppentherapien den psychischen Zustand der Kinder und ihrer Betreuer sehr gut stabilisieren können, und das ist neben der Befriedigung der Grundbedürfnisse eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die nächste Generation ein eigenes Leben aufbauen kann – trotz Aids."

Zur Zeit engagieren sich weltweit rund 59.000 freiwillige Helfer in den von World Vision geförderten Nachbarschaftsnetzwerken, die einerseits aufklärend arbeiten, andererseits auch infizierte Menschen beraten, zu HIV-Tests ermutigen und die Familienangehörigen bei der Bewältigung ihrer vielfachen Probleme unterstützen. Dem neuesten Weltaidsbericht zufolge leben zur Zeit rund zwei Millionen Kinder mit dem Virus, 90 Prozent von ihnen in Afrika. 15 Millionen Kinder haben mindestens einen Elternteil durch die Epidemie verloren.

WELTFREMDE HALTUNG DER KATHOLISCHEN KIRCHE

Die entwicklungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ute Koczy, erklärte zum Konferenzergebnis, es gingen "wichtige Signale" von der 17. Welt-Aids-Konferenz in Mexiko-Stadt aus. "Schon die Wahl dieses Ortes war ein Erfolg. Denn auch Lateinamerika tut sich sehr schwer, die Realität der Krankheit zu akzeptieren, entschlossen bei der Bekämpfung zu handeln und die Diskriminierung zu beenden. Deshalb droht in Lateinamerika ein weiterer Anstieg an Neuinfizierungen. Leider gibt die katholische Kirche ihre weltfremde Haltung bei der Ansteckungsgefahr nicht auf. Wer nur auf Enthaltsamkeit und Treue als Schlüssel im Kampf gegen HIV/Aids setzt und das Kondom als Schutz vor Ansteckung ablehnt, agiert leider an der Wirklichkeit und dem verantwortungslosen Sexualverhalten vieler lateinamerikanischer Männer vorbei. Die Konsequenzen tragen überwiegend Frauen und Kinder."

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