eedWashington/Bonn (epo.de). - Eine grundlegende Änderung des Völkerrechts bei zwischenstaatlichen Geldgeschäften ist notwendig und wird immer wahrscheinlicher. Das erklärt der Wiener Völkerrechtler August Reinisch am Dienstag in Washington. Er forderte international rechtsstaatliche Verhältnisse, damit Kreditgeschäfte nicht zu Lasten der Bevölkerung in den Schuldnerländern gehen. Bei einer Fachtagung der westfälischen Landeskirche und des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) mit Vertretern der Weltbank ging es um illegitime oder sittenwidrige Schulden eines Staates bei einem anderen Staat. "Wer Geld auf rechtswidrige Weise verleiht, verliert das Recht auf Rückzahlung", erklärte Reinisch.
Was illegitime Schulden sind, machte er am Beispiel einer Transaktion zwischen Deutschland und Indonesien deutlich. Im Jahr 1992 verkaufte die deutsche Bundesregierung 39 Kriegsschiffe der ehemaligen DDR an Indonesien. Sie sollten laut Vertrag für die Küstenwache eingesetzt werden, etwa zur Abwehr von Schmuggel. Der Verkauf wurde damals von vielen heftig kritisiert. Experten befürchteten, dass die Regierung die Schiffe benutzen würde, um Konflikte niederzuschlagen. Genau das geschah im Jahr 1999 in Osttimor, im Jahr 2000 auf den Molukken und in West-Papua, und 2003 in der Provinz Aceh. Die Frage der illegitimen Schulden ist im Moment wichtig in der Diskussion um die Entschuldung von Entwicklungsländern und bestimmt damit auch das Gespräch zwischen Kirchen in Nord und Süd.

An der Tagung beteiligte sich auch die United Church of Christ, die amerikanische Partnerkirche der westfälischen Kirche. "Wir sind mitverantwortlich, wenn unsere Regierung auf Kosten der Menschenrechte Geschäfte mit anderen Ländern macht", sagte der Präses Alfred Buß als leitender Theologe der Evangelischen Kirche von Westfalen. "Als Kirchen in Deutschland und Amerika erheben wir Einspruch, wenn die globale Finanzpolitik dazu führt, dass Menschen in armen Ländern ihrer Lebensgrundlagen beraubt werden."

Reinisch argumentierte, dass der Vertrag mit einem undemokratischen Regime abgeschlossen wurde, der Regierung Suharto. Dies hätte die Bundesregierung als Vertragspartner beachten müssen. Die deutschen Zahlungsansprüche seien illegitim und damit nichtig: Sie verletzten grundlegende Rechtsprinzipien.

Maurizio Ragazzi, leitender Jurist der Weltbank, wollte dem nicht folgen. Er räumte zwar ein, dass staatsübergreifende Schulden nach der Wiener Konvention im Einklang mit dem Völkerrecht stehen müssen. Der Tatbestand der illegitimen Schulden sei aber im Völkerrecht nicht ausdrücklich vorgesehen. Im Einzelfall seien sie schwer zu definieren.

Diese Argumentation ist für Professor Reinisch ein "Rückzugsgefecht". Er ist davon überzeugt, dass sich das Völkerrecht weiterentwickeln wird. Ein Vergleichsbeispiel: Noch vor wenigen Jahren wäre es nicht möglich gewesen, Menschenrechte vor dem Europäischen Gerichtshof einzuklagen.

August Reinisch hat zur Frage der illegitimen Schulden ein Rechtsgutachten erstellt. Es ist als Download im Internet verfügbar.

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