Vision Summit: v.l. Hans Reitz, Muhammad Yunus, Cberno Jobatai, Prof. Günther Faltin, Peter Spiegel. Foto: kb

Berlin (epo.de). - Die Bundeshauptstadt Berlin soll zu einem "Weltzentrum" für ein sozialökologisches Wirtschaften werden, das die Ökonomie in den unmittelbaren Dienst der sozialen Entwicklung stellt. "Social Businesses werden allein zum Zweck der Lösung von sozialen und ökologischen Problemen gegründet, nicht zur Gewinnmaximierung", erklärte Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus Yunus auf dem "Vision Summit" am Sonntag an der Freien Universität (FU) Berlin. Der Wirtschaftsprofessor und Gründer von mehr als zwei Dutzend "Sozialunternehmen" gab eine weitreichende Kooperation mit der FU Berlin sowie mit dem "Genisis Institut" bekannt.

{mosimage}Vor den 900 Teilnehmern des Vision Summit vom 1. und 2. November sagte Yunus, der die Grameen Bank in Bangladesch gründete, Berlin sei "genau der richtige Ausgangspunkt für das Grameen Creative Lab. Nach dem Modell der Kooperation mit der FU Berlin werden später ähnliche Kooperationen mit anderen Universitäten in anderen Ländern folgen."

Yunus erkennt in der neuen Generation von Unternehmen mit sozialer Ausrichtung die Chance zu einem Wirtschaften im Dienste von Mensch und Umwelt. Die erste Generation von Sozialunternehmen bestand aus Kleinkreditinstituten wie die von ihm gegründete Grameen Bank in Bangladesch, die inzwischen an 130 Millionen besonders arme Menschen weltweit kleine Existenzgründungskredite vergeben hat. Die zweite Gründerwelle von Sozialunternehmen sucht letztlich auf alle sozialen und ökologischen Fragen ökonomisch funktionierende Antworten.

Dieser Aufgabe widmet sich das Genisis Institut, das von dem früheren Verleger und Sprecher des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA), Peter Spiegel, initiiert wurde und geleitet wird. Es wertet die erfolgreichsten bereits bestehenden Sozialunternehmen weltweit aus und vermittelt dieses Wissen an Gründungswillige, vom einzelnen "Sozialunternehmer" bis hin zu Social Joint Ventures mit Großunternehmen.

Beim Vision Summit stellten mehr als 50 Sozialunternehmer aus aller Welt ihre Ideen und Geschäftsmodelle einen Publikum aus Stiftungen, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen vor. "Damit soll sich nun das multiplizieren, was bereits die Vorbereitungen zum Vision Summit ausgelöst haben", sagte Spiegel. Er hofft auf eine Gründungswelle von Sozialunternehmen in Deutschland und Europa.

Als Pionierbeispiele führt er den bereits im Juli öffentlich zugelassenen "Good Growth Fund" an, der Sozialunternehmen fördert. Die Social Business Management GmbH will anderen aussichtsreichen Sozialunternehmen als Inkubator auf die Beine helfen. Und das Projekt "Grameen Berlin", in dem deutsche Mikrofinanzexperten zusammenarbeiten, will die Erfahrungen der Grameen Bank auf deutsche Verhältnisse übertragen. Yunus selbst erklärte sich bereit, hierfür als Coach zu wirken.

GRAMEEN CREATIVE LAB AN DER FU

Das Konzept des Grameen Creative Lab wurde von Hans Reitz entwickelt, der beim Genisis Institut die Internationale Kommission für Social Business leitet und "Kreativberater" von Muhammad Yunus ist. Das Grameen Creative Lab, das Yunus jetzt mit der FU Berlin etablierte, will vor allem mittelständische und große Unternehmen für die neue Social-Business-Denkweise gewinnen.

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Von Seiten der FU wird dieses Projekt von Professor Günter Faltin betreut. Schon im Vorfeld des Vision Summit fanden erste Besprechungen mit den Chefs mehrerer deutscher Konzerne statt. Weitere "Grameen Creative Labs" im Umfeld des Vision Summit führten diese Gespräche nach Angaben des Genisis Instituts inzwischen so weit, dass in Kürze die ersten bedeutenden Social Joint Ventures zwischen Grameen und deutschen Unternehmen verkündet werden können.

Zum Vision Summit gab das Genisis Institut einen "Social Business Guide" heraus, der die Philosophie sowie erfolgreiche Beispiele von Sozialunternehmen aus aller Welt vorstellt.

VISION AWARDS VERGEBEN

Der Empfänger des im letzten Jahr erstmals vergebenen Vision Award, Muhammad Yunus, überreichte die diesjährigen Auszeichnungen an drei Sozialunternehmer.
  • Celso Grecco gründete die erste Sozialbörse der Welt in Brasilien;
  • Marcia Odell leitet das überaus erfolgreiche WORTH-Programm zur Ausbildung von besonders armen Frauen in Afrika zu selbständigen Unternehmerinnen;
  • Rodrigo Baggio holt in Brasilien Slumkinder durch die Ausbildung im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien aus der Armutsfalle.
  • Den Vision Award für herausragendes "soziales Unternehmertum" übergab der langjährige deutsche Außenminister und FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher an Dieter Reitmeyer, den Gründer der "redi-Group" in Langenfeld bei Düsseldorf. Reitmeyer hat es vermocht, Langzeitarbeitslose wieder bis zur Weltspitze im Ingenieurswesen zu requalifizieren.

Gemeinsam mit Yunus sowie einem weltweiten Netzwerk besonders erfolgreicher Sozialunternehmer will sich das Genisis Institut nun dem Ziel widmen, dem Ökonomiemodell von Social Business zu einem weltweiten Durchbruch zu verhelfen. "Die westliche Gesellschaft denkt im sozialen Bereich noch zu sehr in Charity-Kategorien", sagte Peter Spiegel. Da es in Deutschland bereits eine Reihe erfolgreicher Umwelt-Unternehmen gibt, werde das Genisis Institut versuchen, Öko-Firmen und Sozialunternehmen zusammen zu bringen.

AUS ERFAHRUNGEN VON NRO LERNEN

Hans Reitz, Gründer der circ corporate experience GmbH & Co. KG in Wiesbaden, will auch die Erfahrungen von Nichtregierungsorganisationen nutzen, um den Sozialunternehmen Schwung zu verleihen. Muhammad Yunus betonte, Entwicklungshilfe könne besser eingesetzt werden und nachhaltiger wirken, wenn sie für die Gründung von Initiativen verwendet werde, die sich selbst refinanzieren können. Statt Projekten, die immer wieder auf Zuschüsse von "Gebern" angewiesen sind, sollten Institutionen aufgebaut werden, die die schöpferische Kraft der Menschen selbst zur Entfaltung kommen lassen.

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Dass eine "Nehmermentalität" unter Hilfeempfängern vermieden werden kann, die letztlich in die Abhängigkeit von den "Gebern" führt, machte Yunus an einem Beispiel aus Bangladesch deutlich. Yunus und seinen Mitarbeitern der Grameen Bank war bei den häufigen Besuchen in den Dörfern aufgefallen, dass zahllose Kinder unter Nachtblindheit litten. Als erworbene Sehschwäche kann die Nachtblindheit durch Vitamin-A-Mangel entstehen.

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) bekämpfte die Nachtblindheit der Kinder in Bangladesch erfolgreich mit Vitamin-A-Tabletten. Die Bevölkerung gewöhnte sich daran dass sie Tabletten erhielt, und UNICEF kurierte weiter an den Symptomen der Krankheit, statt die Ursache zu beseitigen.

Die Grameen Bank begann stattdessen damit, Gemüse-Setzlinge an die Dorfbewohner zu verteilen. "Die Menschen erfreuen sich an den grünen Gemüsebeeten und die Kinder essen die gesunde Kost", erzählt Yunus. "Heute gehört Nachtblindheit in Bangladesch der Vergangenheit an."

-> Vision Summit 2008
-> GENISIS Institute for Social Business and Impact Strategies gGmbH


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