Dt. BundestagBerlin (epo.de). - Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag mit einer Mehrheit der Stimmen der Großen Koalition und der FDP einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt, eine Milliarde Euro aus zurückfließenden Mitteln der EU für die Förderung der Landwirtschaft in Entwicklungsländern zu verwenden. Wie es aus Kreisen der Union hieß, sei eine Umwidmung der Mittel, wie sie von EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso vorgeschlagen worden war, finanztechnisch zu schwierig. In der SPD-Fraktion hieß es, es gebe Unstimmigkeiten in der Regierung. Insbesondere das Finanzministerium und das Landwirtschaftsministerium seien dagegen. Zur Bekämpfung der weltweiten Nahrungsmittelkrise hatte Barroso im Sommer auf dem G8-Gipfel in Japan angekündigt, die EU werde eine Milliarde Euro zusätzlich zur Unterstützung von Kleinbauern in den Ländern des Südens zu mobilisieren. Doch die Mitgliedsstaaten können sich seitdem nicht über die Finanzierung einigen.

Der Antrag von Bundestagsabgeordneten, der unter anderem von Grünen-MdB Thilo Hoppe initiiert wurde,  fordert die Bundesregierung auf, "die Initiative des Präsidenten der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, zu unterstützen", eine Milliarde Euro - nicht genutzte Gelder aus dem EU-Agrarhaushalt - zusätzlich für die Förderung der Landwirtschaft in Entwicklungsländern zu mobilisieren und "sich dafür einzusetzen, dass mit den zusätzlichen Geldern vor allem die nachhaltige kleinbäuerliche Landwirtschaft in Ländern unterstützt wird, die von der Nahrungsmittelkrise betroffen sind".

Kirchliche Hilfswerke wie Misereor, Lobby-Organisationen wie ONE und zahlreiche andere Organisationen der Zivilgesellschaft unterstützen die Initiative vehement, auch um angesichts der inzwischen Billionen Euro umfassenden weltweiten "Rettungspakate" für Banken und "Konjunkturpakete" für die Industrie zur Vermeidung einer Rezession ein Zeichen zu setzen, dass auch einige Krümel vom Kuchen der Reichen für die Armen übrig bleiben.

Die Organisation ONE, die eng mit den prominenten Rockstars Bono und Bob Geldof zusammenarbeitet, verwies angesichts der nicht bewältigten strukturellen Ursachen der Nahrungsmittelkrise "auf den dringenden Handlungsbedarf, der sich mit den Verfahrensstreitigkeiten in Brüssel schwer in Einklang bringen lässt".

Der Antrag der Grünen scheiterte jedoch schon in der Sitzung des Bundestags-Ausschußes für wirtschaftliche Zusammenarbeit (AWZ) am Mittwoch. Eine Mehrheit der AWZ-Mitglieder lehnte die Umwidmung der Gelder ab.

Der AWZ-Vorsitzende Thilo Hoppe von den Grünen zeigte sich schwer enttäuscht: "Das Nein nicht nur der Bundesregierung, sondern auch der Mehrheit des Entwicklungsausschusses, ist ernüchternd. Die Entwicklungspolitik der Koalition ist nicht kohärent: Großer Rhetorik gegenüber den Entwicklungsländern folgen keine konkreten Taten. Nationale Agrar- und Finanzinteressen haben mehr Gewicht als internationale Versprechungen. Auch der Ansehensverlust der EU in Folge nicht eingehaltener Zusicherungen wird ausgeblendet."

Beim Welternährungsgipfel in Rom habe die internationale Gemeinschaft im Juni diesen Jahres Hilfsgelder in Höhe von zwölf Milliarden US-Dollar zugesagt. "Es ist ein Armutszeugnis, dass hiervon erst eine Milliarde Dollar aufgebracht wurden. Zur Stabilisierung des Finanzsystems dagegen wurden innerhalb kürzester Zeit allein in Deutschland 480 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt", wetterte Hoppe.

Auch Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul tritt für eine Umwidmung der EU-Mittel zugunsten der Verbesserung der Ernährungslage in den Ländern des Südens ein. Eine SPD-Sprecherin sagte dazu, es gebe unterschiedliche Positionen innerhalb der Bundesregierung. Sie machte insbesondere das Finanz- und das Landwirtschaftsministerium für die Blockade des Barroso-Vorschlages verantwortlich.

Aus Kreisen der CDU/CSU-Fraktion verlautete, der EU-Haushalt sei nach dem Amtsantritt von Bundeskanzerin Angela Merkel nur mit Mühe über die Bühne gebracht worden. Für die Umwidmung der Mittel aus dem Agrarhaushalt für eine außenpolitische Aufgabe sei zwingend eine "Änderung der finanziellen Vorausschau notwendig". Es gebe andere, einfacher einzuschlagende Wege, EU-Mittel für diesen Zweck bereitzustellen. Offen blieb dabei, ob diese anderen Wege die Bereitstellung neuer Gelder vorsehen oder Mittel, die beispielsweise für die HIV/Aids-Bekämpfung vorgesehen sind, für die Unterstützung von Kleinbauern verwendet würden.

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