Landminen

Berlin (epo.de). - Wer Geld anlegen und dabei sicherstellen will, dass er nicht an Fonds oder Gesellschaften gerät, die in die Produktion von Landminen und Streumunition verwickelt sind, dem steht jetzt ein neues Informationsmedium zur Verfügung: Das Aktionsbündnis Landmine.de stellte am Mittwoch in Berlin eine Datenbank zum ethischen Investment vor, die in die Tiefe geht: Sie nennt Ross und Reiter, also Firmen und Anteilseigner in der Rüstungsproduktion. Auch Fonds, die mit Nachhaltigkeit werben, finden sich dort – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die Vorstellung war mit Bedacht auf den Tag gelegt worden, an dem vor 60 Jahren die UN-Menschenrechtserklärung verabschiedet worden ist. Rückenwind bekommt das Projekt durch die Konvention von Oslo zum Verbot von Streumunition, die am 3. Dezember in der norwegischen Hauptstadt bereits von mehr als 100 Staaten, darunter auch Deutschland, unterzeichnet wurde. Sie tritt dann in Kraft, wenn sie von 30 Staaten ratifiziert worden ist. Die Ratifizierung hierzulande steht noch aus (epo berichtete).

Unterstützung gab es aber auch noch von anderer Seite. UNICEF-Vorstandsmitglied Tom Koenigs, früher UNO Sonderbeauftragter im Kosovo und in Afghanistan, formulierte es so: "Die Blindgänger bleiben." Seit mehr als 60 Jahren gebe es nun diese "Pest der Streumunition", und um sie auszurotten "hilft nur Druck", auch von Nichtregierungsorganisationen. In Afghanistan sind laut Koenigs derzeit rund 8.700 Minenräumer unterwegs, doch auch in zehn Jahren noch verbleibe "eine Riesenfläche" voller Minen. Betroffen seien fast immer die Ärmsten, 75 Prozent der Opfer sind laut Koenigs Zivilisten, 60 Prozent von ihnen Kinder. Das Instrument der Aufklärung versage oft, in Afghanistan zumeist aufgrund fehlender Schulbildung: "Wie erreicht man Analphabeten?"

Die Kriterien für die Aufnahme von Fonds und Firmen in die Datenbank beruhen auf einem Grundsatzpapier von Landmine.de und sind weiter gesteckt als die offiziellen Definitionen für Streumunition und Landminen. Es gehört zum Beispiel auch die bisher nicht geächtete alternative Streumunition dazu. "Mindestens 2.000 Investmentfonds sind weltweit in die Geschäfte mit Minen und Streumunition investiert", rechnete Thomas Küchenmeister, Leiter des Aktionsbündnis' Landmine.de vor. Selbst nachhaltige Fonds, zum Beispiel jene von DEXIA, Sarasin oder BNP Paribas seien betroffen, so Küchenmeister. Überdurchschnittlich belastet erscheinen ihm die Produkte der Fondsgesellschaft JP Morgan Asset Management Europe S.à r.l. (ca. 150 Fonds), wobei Ähnliches für Allianz Global Investors (40 Fonds) gilt, beziehungsweise für 50 Fonds der DWS Investment GmbH. Aber auch Anbieter wie AXA oder auch DEKA halten Anteile an relevanten Anbietern und Anteilseignern.

Die neue Landmine.de-Datenbank zum ethischen Investment identifiziert bislang gut 260 Rüstungsunternehmen, die die geächteten Waffen oder deren Komponenten (z.B. Verlegesysteme) anbieten, herstellen oder entwickeln. Die Quellen und das Datum, von dem die Information stammt, sind jeweils offengelegt. Projektkoordinatorin Julia Dubslaff von Landmine.de hat neben Produzenten auch insgesamt 300 Anteilseigner der Rüstungsunternehmen identifiziert. Zu den Unternehmen gehören aus Deutschland nach Angaben von Landmine.de Rheinmetall als Hersteller und Anbieter von alternativer Streumunition und von Verlegesystemen, sowie deren Anteilseigner Deutsche Bank, aber auch die Siemens AG, die an der Krauss Maffei Wegmann GmbH & Co. KG beteiligt sei, die ebenfalls Verlegesysteme für Streumunition herstelle.

Zu den Haupt-Zielgruppen des Projektes "Druck machen (Koenigs)" zählen Stiftungen. Wie das gehen könnte, erkärte Ingrid Rosenburg von  Nord-Süd-Brücken. Die Stiftung zählt zu den Förderern des Projektes und hat immerhin 17 Millionen Euro anzulegen. Die Renditen  sollen aber keinesfalls aus Anlagen stammen, die "mit Streubomben kontaminiert" sind. Natürlich informiere sich die Stiftung bei den Agenturen, die Nachhaltigkeitsratings veröffentlichten, dennoch gingen die Informationen oft nicht genügend in die Tiefe.  Mit dem Hintergrundwissen aus solchen Projekten könnten Kapitalanlagen gezielter ausgewählt, aber auch "Druck auf Investmentgesellschaften ausgeübt werden, ihre Portfolios nachhaltig zu gestalten", so Rosenburg.

Dass auch nachhaltige Investmentstrategien durchaus profitabel sein können, verdeutlichte Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur von "Finanztest". Er verwies auf die Ergebnisse der Langzeitbeobachtung von rund 8000 Fonds. Etwa 60 davon seien im ethisch-ökologisch nachhaltigen Bereich anzusiedeln und meist auch erstaunlich transparent bezüglich ihrer Anlagestrategien. Etwa 50 dieser Fonds schlössen eine Investition in Waffen und Rüstung aus, doch die Anleger-Informationen darüber reichten meist nur bis zu den Produzenten und deren Unternehmenstöchtern. Mit ihnen verbundene Firmen würden nicht mehr berücksichtigt.

Die Datenbank erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll noch ausgebaut sowie um weitere relevante ethische Bereiche ergänzt werden. Thomas Küchenmeister sieht das Projekt als einen ersten Schritt. Er hofft auf das Entstehen eines ganzes Netzwerkes, durch das auch andere Bereiche zum Thema ethisches Investment erfasst und publiziert werden können. Vor diesem Hintergrund kann er sich vorstellen, dass in nicht allzu ferner Zukunft nicht nur die Namen und Daten der "schwarzen Schafe" veröffentlicht werden, sondern dass es auch eine Positiv-Liste gibt.

Mehr zur Konvention von Oslo finden Sie auf der Website der internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL). Das ist ein Netzwerk von mehr als 1400 nichtstaatlichen Organisationen in 90 Ländern, die für ein globales Verbot der Landminen kämpfen.

Foto: Vorstellung einer neuen Internetsite am Mittwoch in Berlin: Tom Koenigs, Vorstand UNICEF-Deutschland und ehemaliger UN-Sonderbeauftragter für Afghanistan; Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur Finanztest; Thomas Küchenmeister Leiter  Aktionsbündnis Landmine.de; Julia Dubslaff, Projektkoordinatorin "Investment und Profit", Aktionsbündnis Landmine.de; Ingrid Rosenburg von der Stiftung Nord-Süd-Brücken. © epo.de/Petra Gabriel