logo Europäischer RatBerlin/Brüssel (epo.de).- Die 27 Staats- und Regierungschefs haben in Brüssel einen Kompromiss bei den offenen Klimafragen gefunden. Beschlossen wurde auch ein Europäisches Konjunkturprogramm in Höhe von 200 Milliarden Euro sowie ein Fahrplan für das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon. "Wir sind sehr erfolgreich gewesen", fasste Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ergebnisse des Gipfels zusammen. Die Nord-Süd-Inititive Germanwatch kommentierte die Ergebnisse der Klimaverhandlungen am Freitag allerdings mit dieser Überschrift: "Klimaziel verfehlt, Dammbruch vermieden." Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte, der Kompromiss könne Arbeitsplätze kosten.



Die Verhandlungen fürs Energie- und Klimapaket in Brüssel waren nicht einfach, darüber sind sich alle Seiten einig. Es  bringe die EU jedoch "nicht auf den Pfad, um die international verkündeten Klimaziele zu erreichen. Der in den letzten Tagen vermutete große Dammbruch konnte allerdings vermieden werden", kommentierte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.

Die Pressemitteilung der Bundesregierung fasste die Ergebnisse hingegen so zusammen: Bei den Klimaschutzzielen machten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) keinerlei Abstriche. "Das Paket wird die Einhaltung der ehrgeizigen Verpflichtungen gewährleisten, die die EU in den Bereichen Energie und Klima eingegangen ist", heißt es im Abschlussdokument.

Damit sei klar, so die Mitteilung der Bundesregierung weiter: Die europäischen CO2-Emissionen müssten bis zum Jahre 2020 um 20 Prozent sinken, der Anteil der erneuerbaren Energien um 20 Prozent steigen."Damit werden wir unserer Vorreiterrolle gerecht", sagte Merkel in Brüssel. Wenn die übrigen Industrieländer mitziehen, wolle die Gemeinschaft ihre Emissionen gar um 30 Prozent verringern.

"Strittig war bis zuletzt, wie diese Ziele umgesetzt werden können", so die Bundesregierung. Schließlich habe man sich darauf geeinigt, für den Bereich der Energieerzeugung Emissions-Zertifikate ab 2013 erst zu 30 Prozent und schrittweise bis 2020 zu 100 Prozent zu verkaufen. Damit komme die Gemeinschaft Polen und anderen osteuropäischen Staaten entgegen, die jetzt langsam in den Emissionshandel hineinwachsen könnten. Diese Länder gewönnen ihren Strom aus zum Teil veralteten Kraftwerken und fürchteten einen drastischen Anstieg der Strompreise aufgrund des Emissionshandels. "Wirtschafts- und Klimaschutzpolitik stehen nicht im Widerspruch, aber es müssen natürlich Kompromisse gefunden werden", erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nach der Einigung.

Die Sicht von Germanwatch ist nicht so positiv: Es komme nun darauf an,"in den nächsten 24 Monaten genug politischen Druck aufzubauen, um dieses Paket nachzubessern, sobald es im nächsten Jahr ein internationales Klimaschutzabkommen gibt", kommentierte Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch. Wenn das internationale Abkommen 2009 in Kopenhagen beschlossen werde, müsse das Paket ohnehin überarbeitet werden. Statt der jetzt beschlossenen 20prozentigen Reduktion wolle die EU ja dann ein 30prozentiges Reduktionsziel akzeptieren.

SONDERREGELUNG FÜR ENERGIEINTENSIVE BRANCHEN

Ein Teil der Zertifikatserlöse soll in eine Art "EU-Klima-Fonds" fließen. Dieser solle insbesondere osteuropäische Länder beim Aufbau einer effizienten Energieerzeugung unterstützen. Im Gegenzug erhalten im internationalen Wettbewerb stehende und energieintensive Industrien wie die Zement- und Stahlproduzenten unter bestimmten Bedingungen kostenlose Zertifikate zugeteilt. Die Industrie ist in Deutschland für rund ein Siebtel der gesamten Emissionen verantwortlich.

"Diese Regelung war notwendig geworden, um die Abwanderung energieintensiver Betriebe in Länder ohne Klimaschutzregime zu verhindern. Das hätte den Verlust vieler Arbeitsplätze bedeutet", heißt es aus Berlin.

"DRINGENDER NACHBESSERUNGSBEDARF"

Auch hierzu hat Germanwatch andere Ansichten und das gleich in mehreren Punkten:
"Die EU-Regierungen hatten nicht den Mut, das Verursacherprinzip auf die Industrie anzuwenden. Die Industrie erhält viel zu viel und zu lange (2025) kostenlos Emissionsrechte zugeteilt." Es sei zwar gelungen, dass der Stromsektor ab 2013 als wichtigster Sektor in den meisten EU-Staaten - einschließlich Deutschlands - zu 100 Prozent seine Emissionsrechte ersteigern müsse. Dies sei auch ein struktureller Durchbruch für den Klimaschutz. Für die osteuropäischen Staaten gebe es hier aber weitreichende Ausnahmen.

Die Versteigerungserlöse könnten zudem zeitweise (2013-2016) als Subventionsinstrument für neue Kohlekraftwerke benutzt werden. Solche neuen Kohlekraftwerke, die etwa 40 Jahre laufen, untergrüben alle ehrgeizigen Klimaziele für die Zeit nach 2020. Nur kurzfristig könne durch effiziente Kohlekraftwerke CO2 reduziert werden, und auch nur, wenn die alten tatsächlich still gelegt würden.

Die Chance, Geldmittel für den großen Umbau des Energiesystems und das internationale Klimaregime aufzubringen, sei  teilweise verspielt worden, so die Kritik weiter. Anstatt die Versteigerungserlöse nun für den notwendigen Umbau und grüne Jobs, sowie für den internationalen Klimaschutz Zweck zu binden, sei lediglich eine politische Erklärung abgegeben worden: Demnach soll zumindest die Hälfte des Geldes für nationalen und internationalen Klimaschutz zur Verfügung gestellt werden. Allerdings sei das eine unverbindliche Absichtserklärung und durch die vielen Ausnahmen deutlich weniger Geld als erwartet.

Außerdem dürfe ein viel zu großer Anteil der Reduktionen im Ausland, über sogenannte "Flexible Mechanismen" (CDM) getätigt werden. Allenfalls die Hälfte des Klimaschutzes müsse in den EU-Staaten gemacht werden. Die andere Hälfte könne durch Finanzierung kostengünstiger Klimaschutzprojekte in den Entwicklungsländern geleistet werden. Hier bestehe dringender Nachbesserungsbedarf.

Dazu Hans Verolme, Klimaberater von Germanwatch: "Es kann nicht funktionieren, wenn wir die kostengünstigen Reduktionen in den Schwellenländern unseren Zielen anrechnen wollen, und dann zugleich diese auffordern, mehr Klimaschutz zu leisten." Erfreulich hingegen sei das Erneuerbare-Energien-Paket, das ein verbindliches 20prozentiges Ziel für Erneuerbare Energien für die EU bis 2020 durchsetzt. "Damit ist ein massiver Ausbau Erneuerbarer Energien in der EU vorgezeichnet", so das Fazit von Germanwatch. Bedauerlicherweise sei dabei allerdings das Ziel für Agrosprit, sehr problematisch angesichts der Ernährungskrise, nicht ausreichend reduziert worden.

BDI: CHANCE VERPASST

Ein düsteres Bild. aber aus anderen Gründen zeichnet der Bundesverband der Deutschen Industrie, BDI in seiner Pressemitteilung vom Freitag: Nach dem gefundenen Kompromiss beim EU-Emissionshandel sei der Verlust von Arbeitsplätzen in den energieintensiven Branchen nicht auszuschließen. Die Regelung sei zwar deutlich besser als der Kommissionsentwurf - aber Europa hat die Chance verpasst, dem deutschen Konzept zu folgen und Klimaschutz und Wachstum miteinander zu verbinden." So bewertet BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf die heute vom Europäischen Rat erzielten Ergebnisse zum EU-Emissionshandel für die Zeit nach 2012. "Harte Kritik übt die deutsche Industrie an der komplizierten Kombination von Ausnahmekriterien", erläuterte Schnappauf.


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