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Berlin (epo.de). - Von der transmediale, dem "Festival für Kunst und digitale Kultur", erwartet man Visionäres oder zumindest Inputs, die originell sind. Die Podiumsdiskussion "Shift, Break, Control" zwischen den Ökonomen Claudia Kemfert (DIW), Lorenz Petersen (GTZ) und dem Essener Sozialpsychologen Harald Welzer zeigte, warum viele Aktivisten davon ausgehen, dass relevante Lösungsvorschläge für die drängenden Probleme und Krisen unserer Zeit im nichsttaatlichen und nichtwissenschaftlichen Bereich und/oder in den Länden des Südens zu suchen sind. Die Wissenschaftler auf dem Podium im Berliner Haus der Kulturen der Welt mussten zugeben, dass die Machtpole unserer Demokratie, die sie beraten und mit Ideen füttern, zum größten Teil beratungsresistent sind.


Das durchgängige Thema der transmediale.09 sind der Klimawandel und die kulturellen und sozialen Umwälzungen, die er mit sich bringt. Die Berliner Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die die Bundesregierung und die Europäische Kommission und diverse Landesregierungen berät, räumte ein, dass sie oft auf taube Ohren stösst. Die Konzernlenker denken an kurzfristige Profite, die Politiker an kurzfristige Wahlerfolge.

Rezepte zum ökonomischen und ökologischen Umbau in Richtung einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise gibt es, aber die Menschen an den Machtschaltern hängen am Status Quo. Profite und Wählerstimmen sind ihre Stimulanz. Es seien "eher Wirtschaftsinteressen, die viel blockieren", sagt Kemfert diplomatisch. Sie meint die Cheflobbyisten der deutschen Automobilindustrie und der Energiekonzerne, die einen kurzen Draht zur Kanzlerin haben (epo.de berichtete).

So rettet man sich in Bekanntes. "Wir brauchen einen anderen Lebensstil" (Welzer). "Die Leidtragenden sind immer, immer, immer die Ärmsten dieser Welt" (Kemfert). "Hunger ist ein Verteilungsproblem" (Kemfert). "Wir fliegen alle viel zu viel" (Welzer). "Wir dürfen unser Entwicklungsmodell anderen nicht überstülpen" (Petersen). "Jeder kann etwas tun" (Welzer).

Dennoch glaubt Claudia Kemfert ("Ich bin sehr technikgläubig"), dass es von der Wissenschaft in den Industriestaaten abhängt, ob außer Kontrolle geratene Entwicklungen wie die globale Erwärmung gestoppt oder zumindest abgemildert werden können. "Wir müssen die Lösungen anbieten", sagt die DIW-Energieexpertin.

Die Hoffnungen ruhen bei den Experten vor allem darauf, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer nicht dieselben Fehler machen wie die Industriestaaten. Lorenz Petersen, Leiter des Klimaschutzprogramms in Entwicklungsländern in der Zentrale der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn, hofft darauf, dass eine "Sonnen-OPEC" das Oligopol der Erdöl produzierenden Staaten ablösen kann. Die beispielsweise in Nordafrika produzierte Solarenergie könnte die Welt mit genügend Strom versorgen. Andererseits habe der Westen nicht die moralische Autorität, Schwellenländern wie China oder Indien die Nutzung ihrer Kohlevorräte zu verbieten.

Petersen hofft auch darauf, dass Entwickungsländer manche der von den Industriestaaten durchlaufenen Entwicklungsstadien überspringen können ("leapfrogging"). Ob dazu auch gehört, eine Autodichte wie in den USA oder Westeuropa zu vermeiden? "Die Chinesen wollen nicht dieselben Fehler machen", ist Kemfert überzeugt.

Einig sind sich die Wissenschaftler, dass die Öffentlichkeit mehr "Druck erzeugen" müsse, damit sich etwas ändert. Und dass jeder bei sich anfangen muss. "Wir sind Vorbild für andere", sagt Vielfliegerin Kemfert. Ihre eigene Kohlendioxid-Bilanz hat sie deshalb von rund 17 Tonnen auf sieben Tonnen jährlich reduziert.

 


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