Berlin (epo). - Wer als Tschetschene vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg klagt, muss um sein Leben fürchten. Die EU schweige dazu, kritisiert amnesty international (ai) in einem heute veröffentlichten Bericht, der mit Blick auf den bevorstehenden EU-Russland-Gipfel in Den Haag auch den Staats- und Regierungschefs der EU zugegangen ist. Der ai-Bericht belegt an mehreren Einzelfällen, dass Tschetschenen und Inguschen getötet, gefoltert, sexuell missbraucht oder bedroht wurden, nachdem sie beim EGMR Klage eingereicht hatten. Der EGMR ist eine Einrichtung des Europarats.

Sharfudin Sambiev hatte nach Darstellung von ai wegen des "Verschwindenlassens" seines Sohnes Amir Pokaev durch das russische Militär geklagt. Kurz darauf sei sein anderer Sohn Anzor umgebracht worden. Die Menschenrechtsaktivistin Luisa Betergiraeva wurde 2001 erschossen. Seitdem werde ihre Familie kontinuierlich bedroht, im Juli dieses Jahres hätten russische Truppen den Sohn der Getöteten, Zelimkhan Betergiraev, verhaftet. Er sei seitdem verschwunden. In einem anderen Fall sei Yakub Magomadov verschwunden, nachdem er Klage wegen des "Verschwindens" seines Bruders eingereicht hatte.

"Die EU verspielt ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie sich nicht öffentlich und unmissverständlich zu diesen Fällen äußert, die direkt eine europäische Institution betreffen", sagte Peter Franck, Russlandexperte der deutschen ai-Sektion. "Wir fordern die EU auf, während des Gipfels bei der russischen Regierung auf eine unabhängige Untersuchung der Fälle zu drängen sowie deutliche Kritik an den Menschenrechtsverletzungen durch russische Sicherheitskräfte in Tschetschenien zu üben."

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats stellte kürzlich fest, dass das fortlaufende Morden und Leiden in Tschetschenien die gemeinsamen Werte des Europarats stark belaste. Russland habe mit Abstand die größten Menschenrechtsprobleme von allen Mitgliedsstaaten des Europarats. Die Parlamentarier riefen die EU-Mitgliedsstaaten auf, "nicht tatenlos zuzusehen, wenn Menschen täglich in Tschetschenien und den Nachbarrepubliken durch terroristische Angriffe, Heckenschützen, Landminen, missbräuchlicher Gewaltanwendung von Sicherheitskräften oder durch das organisierte Verbrechen ums Leben kommen."

Der Bericht "Russian Federation: The risk of speaking out. Attacks on human rights defenders in the context of the armed conflict in Chechnya" ist unter www.amnesty-eu.org abrufbar.

 amnesty international


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