Foto: Tantalum Memorial. onument. transmediale.09 Award für Graham Harwood, Richard Wright, Matsuko Yokokoji. (c) transmediale.de

Berlin (epo.de). - Für ihre Installation "Tantalum Memorial" haben Graham Harwood, Richard Wright und Matsuko Yokokoji den ersten Preis der transmediale 2009 erhalten. Das Festival für Kunst und digitale Kultur, das am Sonntag in Berlin zu Ende ging, würdigte damit ein Mahnmal "für die drei Millionen Toten aus den Kongo-Kriegen des letzten Jahrzehnts um den Rohstoff Coltan, der für den Bau von Mobiltelefonen benutzt wird und wertvoller ist als Gold".

Die Telefon-Installation verknüpft das High-Tech-Zeitalter, das sich auf der transmediale.09 durch alle Veranstaltungen zieht, mit der archaischen Art und Weise, wie in der Demokratischen Republik Kongo Rohstoffe abgebaut und von Rebellengruppen wie Regierungssoldaten illegal über die Grenze gebracht und an Zwischenhändler vor allem in Ruanda und Uganda verkauft werden. Die weiterverarbeitende Industrie und die Mobilfunk-Konzerne in den Industriestaaten waschen ihre Hände in Unschuld und geben an, den begehrten Stoff auf dem Weltmarkt zu kaufen.

Aus dem Coltan-Erz wird das Metall Tantal gewonnen, das hitzebeständiger als herkömmliche Metalle und damit ein wichtiger Bestandteil der Mikroelektronik zur Herstellung von Mobiltelefonen und Computern geworden ist. Die hohe Nachfrage hat den Preis zeitweise über den von Gold schnellen lassen.

Harwood, Wright und Yokokoji konstruierten aus elektromagnetischen "Strowger" Telefonschaltern aus dem Jahr 1938, verbunden mit einem Computer, nicht nur ein Denkmal, sondern auch eine "Zentrale" für ein soziales Telefonnetzwerk, das in England lebende kongolesische Migranten mit der verlorenen Heimat verbindet. Angelehnt an das traditionelle kongolesische Prinzip 'Radio Trottoire', bei dem Neuigkeiten und Klatsch unzensiert auf den Straßen von Passant zu Passant weitergegeben werden, ruft 'Telephone Trottoire' über ein Londoner Radioprogramm die kongolesische Hörer an, spielt Nachrichten ab, die von diesen kommentiert und weitergeleitet werden können. 1.800 Nutzer verzeichnet dieses zwischen Tradition und Gegenwart zu verortende Kommunikationsmittel nach Angaben der Künstler.

MOWOSO UND MIKILI

Das Tantalum Memorial wurde durch die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützt und auch im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung thematisiert, die zu einen kritischen Konsumverhalten animieren sollte. Eine Liveschaltung per Webcam von Berlin in die kongolesische Hauptstadt Kinshasa brachte das Künstlerkollektiv MOWOSO ins Spiel. In einer Halle unweit des Stadions, in dem der damalige Boxweltmeister George Foreman und Ex-Weltmeister Muhammad Ali sich einen historischen Kampf lieferten (The Rumble in the Jungle), führte die Gruppe eine Performance auf.

Die Methode der Verknüpfung ist ein Video-Interface und eine Weltanschauung, wie Dominique Malaquais erläuterte. "In times of a world-at-war, dominated by ignorance, postcolonial policy and prejudice there may be little room on Planet Earth for exchange. Mikili is a live videosonic interface, a space wherein identities defragment in unexpected ways as means of survival. Our purpose? To connect Berlin's transmediale to bits, pieces, (de)fragments of Kinshasa, the capital of the Democratic Republic of Congo. Condensed bits through which MOWOSO, a Kinshasa based transmediatic art collective, will become, for a time, manifest by way of a screen, fictitious and fictionmaking, defying the global satellites that orbit 'our' world via a brief moment of human interaction."

JAROMIL, COLTAN UND BLUT

Der italienische Medienkünstler und Programmierer Denis "Jaromil" Rojo versuchte dem Publikum den Zusammenhang zwischen dem Coltanabbau und den Kriegen im Kongo nahezubringen. Der "Gypsy", wie er sich gerne nennt, bewegt sich zwischen Kunst und Programmierung, sozialem Aktivismus und der Entwicklung freier Software. Derzeit arbeitet Jaromil am niederländischen Institut für Medienkunst und im Kontext des Hackernetzwerkes dyne.org.

Dyne.org plädiert dafür, dass die High-Tech-Industrie ihre Produkte von allen profitträchtigen Restriktionen befreit. Jaromil entwickelt und fördert freie Software mit dem Ziel, Meinungsfreiheit und Kommunikation zu fördern. Er ist Autor der von frei nutzbaren audiovisuellen Tools und Netzkunst-Produktionen (ascii.dyne.org, tbt.dyne.org).

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Die Konflikte im Kongo verkürzt Jaromil freilich allzu sehr auf die Gier der Konzerne nach Coltan. Zwar lagern 80% der Weltvorräte an Columbite-Tantalite im Kongo, doch auch Australien und Brasilien sind wichtige Herkunftsländer. Coltan und andere Mineralien werden überwiegend von einzelnen Schürfern abgebaut, nicht direkt von Minengesellschaften wie den häufig an den Pranger gestellten American Mineral Fields (AMF), Cabot (USA) oder der deutschen H.C.Starck, einem der größten Produzenten von Elektrolytkondensatoren und Tantal-Pulverchemikalien.

70 bis 80% der Bevölkerung in den ostkongolesischen Provinzen sind in der einen oder anderen Form vom improvisierten Bergbau abhängig. Ein Boykott von Produkten wie Laptops, iPods oder Mobiltelefonen, zu dem kongolesische NGOs wie Yole Africa aufrufen, würde ohnehin ins Leere laufen - auch und gerade bei den Aktivisten auf der transmediale. Der kongolesische Videofilmer Petna Ndaliko Katondolo erarbeitet derzeit eine Dokumentation über "Coltan and Blood".

Fotos: (1) Tantalum Memorial. transmediale.09 Award für Graham Harwood, Richard Wright, Matsuko Yokokoji. © transmediale.de. (2) Jaromil Selbstporträt © jaromil.dyne.org

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