Entschuldungsdemo beim G8 Gipfel 2006Berlin (epo.de). - Sieben afrikanischen Ländern droht aufgrund einer wachsenden Schuldenlast im Gefolge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise noch in diesem Jahr die Zahlungsunfähigkeit. Darauf haben die Entschuldungsinitiative erlassjahr.de und die Kindernothilfe bei der Vorstellung des "Schuldenreports 2009" am Freitag in Berlin hingewiesen. Weitere sechs hochverschuldete Staaten weisen "ein hohes Risiko von baldiger Staatsinsolvenz" auf. "Über eigene Mittel zur Ankurbelung der Wirtschaft verfügen die ärmsten Länder, anders als die westlichen Industriestaaten, nicht", sagte erlassjahr.de-Koordinator Jürgen Kaiser.

Einbrüche auf den Exportmärkten, eine rasant anwachsende Verteuerung von Krediten sowie die Verringerung von Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit führten zu einer raschen Neuverschuldung der so genannten HIPC-Staaten (hochverschuldete ärmste Länder), heißt es im Schuldenreport 2009. Von einer "wahrscheinlichen Zahlungsunfähigkeit bedroht sind demnach Benin, Burundi, Gambia, Liberia, Mosambik, Niger und Sao Tomé & Principé. Ein hohes Risiko des Staatsbankrotts weisen Äthiopien, Burkina Faso, Guinea, Mali, Ruanda und Sudan auf. Auch in Afghanistan, Haiti, der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik Kongo und in Eritrea ist eine "Verschlechterung absehbar".

Die Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer belief sich Ende 2007 auf rund 3.757 Milliarden US-Dollar, so Jürgen Kaiser. Während die Verschuldung in absoluten Zahlen steigt, ist die Schulden-Export-Quote (das Verhältnis des Schuldenstandes zu den jährlichen Exporteinnahmen) auf durchschnittlich 66 Prozent (Ende 2006) gesunken. Viele Länder hatten sich bei vergleichsweise hohem Wirtschaftswachstum ein finanzielles Polster  angelegt, das mit dem weltweiten Einruch des Wirtschaftswachstums rapide schrumpft.

EXTERNE SCHOCKS TREFFEN DIE ÄRMSTEN

IWF und Weltbank hatten im Rahmen ihrer Jahrestagung im Oktober 2008 deutlich gewarnt, die ärmsten Staaten und Bevölkerungsgruppen würden von der Krise am stärksten getroffen. Frank Mischo von der Kindernothilfe verdeutlichte dies am Beispiel Ruandas, wo die ärmere Bevölkerung in extremer Weise externen Schocks wie dem Verfall der Kaffeepreise ausgesetzt seien. Der Anstieg der Energiepreise und eine Vervierfachung der Nahrungsmittelpreise seit 2006 hätten zusätzlich dazu beigetragen, dass der Staat derzeit nicht mehr in der Lage ist, seine Lehrer zu bezahlen und die Gesundheitsversorgung im erforderlichen Maße aufrecht zu erhalten.

"Die Gehälter von Lehrern und Ärzten werden schon heute zum Teil unregelmäßig oder nicht mehr bezahlt", erklärte John Kalenzi, Leiter des Kindernothilfe-Partners AEE (African Evangelistic Enterprise) in Ruanda. "In gerade fertig gestellten Schulen auf dem Land fehlen Lehrer und können auch nicht eingestellt werden. Gleichzeitig fehlen Ärzte und Krankenschwestern. Durch die Aidskatastrophe, aber auch durch Malaria und andere Krankheiten erkranken und sterben zunehmend Kinder und ihre Eltern, weil es schon heute an Medikamenten und Personal mangelt."

Die Entschuldung im Rahmen der HIPC-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries Initiative), die 41 der ärmsten Staaten um insgesamt rund 71 Milliarden Dollar entlastete, hat nach den Worten von Mischo dazu geführt, dass 34 Millionen Kinder weltweit zur Schule gehen konnten. Erfolge wie diese sind nun gefährdet.

Neue Kredite bleiben ebenso wie Auslandsinvestitionen im Zuge der Krise häufig aus. Wie Jürgen Kaisere berichtete, springen zunehmend arabische Länder oder China als Finanziers ein. So bereitet die Demokratische Republik Kongo eine Kreditaufnahme im Umfang von neun Milliarden Dollar in China vor, weil benötigte Infrastrukturprojekte von den traditionellen Gebern nicht mehr finanziert werden. Das internationale "Debt Sustainability Framework" zur Verhinderung der Überschuldung von Ländern setzte daraufhin zur Strafe Auszahlungen der Weltbank-Tochter IDA in zweistelliger Millionenhöhe aus. "Absurderweise beteiligt sich auch die Bundesregierung mit einer vorläufigen Einstellung ihrer bereits zugesagten 50 Millionen Euro Entwicklungshilfe für die DR Kongo an diesem Manöver", kritisiert der Schuldenreport 2009.

Angesichts der sich neu abzeichnenden Schuldenkrise fordern erlassjahr.de und Kindernothilfe ein internationales Insolvenzverfahren, das die Bettelei hoch verschuldeter Staaten gegenüber den einzelnen Gläubigern erübrigen würde und eine generelle Entlastung bringen könnte. Entscheidungen müssten im Rahmen von "fairen und transparente Schiedsverfahren" fallen, die verhindern, "dass die Staaten Kredite zu völlig überhöhten Zinsen aufnehmen und die Zivilgesellschaft entsprechend einbezogen wird".

UNTERSTÜTZUNG VON DER MINISTERIN

Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul unterstützte die "wichtigsten Forderungen" der Nichtregierungsorganisationen Kindernothilfe und Erlassjahr.de im Schuldenreport 2009: "Sie weisen in ihrem 'Schuldenreport' auf die Gefahren einer erneuten Überschuldung der Entwicklungsländer durch die Finanzkrise hin", erklärte Wieczorek-Zeul in einer Stellungnahme am Freitag. "Deshalb müssen wir gerade jetzt die Entwicklungsländer unterstützen. Sie müssen in die Lage versetzt werden, antizyklisch vorzugehen und in der Krise zu investieren."

Die Ministerin verteidigte hingegen die Einberechnung der Schuldenerlasse in die Entwicklungshilfe: "Schuldenerlasse setzen Haushaltsmittel in den entschuldeten Ländern frei. Dadurch gewinnen die Länder Spielraum für Investitionen und armutsreduzierende Ausgaben."