Berlin (epo.de). - Der Schweizer Soziologe und UN-Berater Jean Ziegler hat gefordert, kriminelle Banker international strafrechtlich zu verfolgen. "Wirtschaftsdelikte müssen wie Kriegsverbrechen verfolgt werden. Die Banker haben mehr Menschen auf dem Gewissen als mancher afrikanische Warlord", sagte Ziegler in einem am Montag veröffentlichten Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel".

Ziegler verwies auf Kürzungen der humanitären Hilfe infolge der Finanzkrise, die dazu führten dass das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) in Krisengebieten wie der sudanesischen Provinz Darfur, wo 2,7 Millionen Flüchtlinge leben, nur noch Tagesrationen von 1500 Kalorien statt der von den UN festgesetzten 2200 Kalorien verteilen könnten. "Die UN organisieren also die Unterernährung. Und das etwa auch in Somalia, Kenia und Bangladesch. Die Katastrophenbanker haben nicht nur die westlichen Volkswirtschaften ruiniert. Woanders morden sie. Das ist keine Hypothese, sondern eine Tatsache", sagte Ziegler.

Der frühere UN-Sonderberater für das Recht auf Nahrung erklärte, bei den Vereinten Nationen werde bereits über einen internationalen Gerichtshof für Wirtschaftskriminalität diskutiert. "Die Menschen der Herrschaftswelt müssen endlich begreifen, dass es so nicht weitergehen kann", betonte Ziegler. "Jeden Tag sterben hunderttausend Menschen am Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen. 963 Millionen Menschen sind permanent schwerstens unterernährt, alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter 10 Jahren. Laut Welternährungsorganisation aber könnte die derzeitige Landwirtschaft problemlos 12 Milliarden Menschen ernähren, also das Doppelte der Menschheit. Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet. Wir brauchen einen neuen planetarischen Gesellschaftsvertrag."

Der 75jährige Jean Zieger hatte Anfang Februar den Millenniumspreis der Hilfsorganisation CARE Deutschland-Luxemburg erhalten.

Foto: © CARE/Stefan Trappe