Walden BelloBerlin (epo.de). - Der philippinische Soziologe Walden Bello hat auf der Konferenz “Linke Auswege aus der Krise − ökonomische und soziale Perspektiven” der Bundestagsfraktion DIE LINKE und der Rosa Luxemburg Stiftung (RLS) darauf gedrängt, “technokratischen” und neo-keynesianischen Modellen zur Lösung der der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise eine linke Strategie “von unten” entgegen zu stellen. Im Interview mit Entwicklungspolitik Online spricht er den 20 führenden Industrie- und Schwellenländern (G20) und dem Internationalen Währungsfonds die Legitimität als Krisenmanager ab und prophezeit eine stärkere Regionalisierung als Antwort des Südens.

epo.de: Professor Bello, Sie lehnen die G20 und den Internationalen Währungsfonds (IWF) als Krisenmanager ab. Wie kann eine Antwort auf die Krise aus der Sicht des Südens aussehen?

Walden Bello: Die Antwort auf die Krise muss eine globale sein. Sie muss diejenigen mobilisieren, die bisher von der Globalisierung ausgeschlossen waren, besonders im Süden. Auf der anderen Seite müssen diejenigen, die von der Globalisierung profitiert haben, politisch neutralisiert werden, insbesondere diejenigen im Norden. Wir sprechen dabei von 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung.

Der IWF und die anderen Finanzinstitutionen haben alle das Mantra der Selbstregulierung der Privatwirtschaft bedient. Die Länder des Südens sind jetzt sehr skeptisch gegenüber all diesen Institutionen, auch wenn ihre Rhetorik etwas anders klingen mag. In Lateinamerika ist die Antwort eine eher regionale, die Stärkung monetärer Alternativen zum IWF. In Asien setzt man auf das Staatenbündnis “ASEAN+3”, das China, Korea und Japan sowie die ASEAN-Länder umfasst. Die Regierungen des Südens tüfteln derzeit an regionalen Lösungen - und ein wichtiger Akteur ist dabei die Zivilgesellschaft im Süden. Die Zivilgesellschaft war die treibende Kraft dabei, die finanzielle Globalisierung in Frage zu stellen. Wir sehen jetzt noch keine Antworten des Südens auf die Krisen, aber die werden kommen.

epo.de: Sollten die Vereinten Nationen ein Kristallisationspunkt für Veränderungen der globalen Finanzarchitektur werden?

Walden Bello: Wenn es um die internationale Finanzarchitektur geht, ist die einzig legitime Einrichtung die UNO. Im internationalen Kontext werden die Entwicklungsländern immer einfordern, dass Lösungen im Kontext der Vereinten Nationen stattfinden müssen. Die G20 sind ein exklusiver Prozess, das funktioniert nicht.

epo.de: Deutschland hat als “Exportweltmeister” von der Globalisierung profitiert. Viele hierzulande halten einen “Green New Deal” für geeignet, die Richtung hin zu einer ökologisch und sozial tragfähigen Weltwirtschaft einzuschlagen.

Walden Bello: Der wirtschaftliche Konversion hin zu einer weniger CO2-abhängigen Industrie wird sehr von politischen Entscheidungen der Regierungen abhängen. Sie werden wissenschaftliche Innovationen fördern und Garantien für zunächst nicht profitable Industriezweige übernehmen müssen. Man kann die “grüne Konversion” aber nicht voranbringen, ohne die grundlegende Dynamik des Kapitalismus anzugehen. Der Kapitalismus, wie wir ihn kennen, hängt von einer Produktionsweise ab, die von der Transformation lebender Natur in tote Rohstoffe lebt, angetrieben vom Profitstreben. Der Markt wird in der “green economy” eine Rolle spielen, aber die Frage ist, wie kapitalistisch angesichts dieses fundamentalen Widerspruchs eine grüne Wirtschaft sein kann. In einem “green new deal” könnte wenig Platz für den Monopolkapitalismus sein.

epo.de: Wie soll ein neues, auf weltweiter Gerechtigkeit, Sozial- und Umweltverträglichkeit basierendes Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell aussehen? “Marx is back”, sagen manche, andere arbeiten mit Schlagworten wie “globale soziale Marktwirtschaft”...

Walden Bello: Ich habe in den letzten 40 Jahren zwei Dinge gelernt: Erstens: Zentrale Planwirtschaft funktioniert nicht. Zweitens: Der unregulierte Markt neoliberaler Prägung funktioniert auch nicht. Mein Gefühl ist, dass wir etwas dazwischen schaffen müssen, eine Synthese zwischen Planung und Markt, aber nicht in einem technokratischen Sinn, sondern partizipatorisch, mit soviel Demokratie wie möglich.

Wie soll man so ein System nennen? Ich denke es ist nicht hilfreich, es sozialistisch zu nennen, sondern postkapitalistisch. Wir dürfen auf der Suche nach Lösungen aber nicht nur auf den Norden schauen. Die Politiker sagen uns, es könne eine weiche Landung nach dieser Krise geben. Wir sollten den Menschen sagen, dass jede Krise auch eine Chance in sich birgt. Aber es wird eine schmerzliche Landung werden.

Im Porträt: Walden Bello

Das Interview führte epo.de-Herausgeber Klaus Boldt.

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