Wie aus den neuesten DAC-Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht, stieg die ODA im Jahr 2008 um real 10,2% auf 119,8 Mrd. US-$. Lässt man die durch Entschuldung erbrachten Leistungen unberücksichtigt, so die OECD, stiegen die Mittel von 2007 auf 2008 real und wechselkursbereinigt um 12,1%.
Besonders stark stiegen dem Bericht zufolge die bilateralen Entwicklungsprojekte und -programme (um 12,5%). “Dies lässt erkennen, dass die Geber ihre EZ-Kernprogramme erheblich aufgestockt haben”, konstatiert die OECD. Nach den vorläufigen Daten für 2008 betrugen die bilateralen ODA-Nettoleistungen der DAC-Geber für Afrika insgesamt 26 Mrd. US-$. Davon gingen 22,5 Mrd. US-$ an Subsahara-Afrika. Sieht man von den stark schwankenden Entschuldungsprogrammen ab, stieg die bilaterale Hilfe für Afrika real um 10,6% und für Subsahara-Afrika um real 10% (die Zuwächse einschließlich Entschuldung lagen bei 1,2% bzw. 0,4%).
Die meisten zusätzlichen Mittel kamen aus den USA, dem Vereinigten Königreich, Spanien, Deutschland, Japan und Kanada. Große Zuwachsraten verzeichneten Australien, Belgien, Griechenland, Neuseeland und Portugal.
DEUTSCHE LEISTUNGEN
In Deutschland beliefen sich die ODA-Aufwendungen 2008 auf 13,9 Mrd. US-$. Sie stiegen gegenüber 2007 real und wechselkursbereinigt um 5,7%. Die Steigerung geht auf eine Ausweitung der technischen Zusammenarbeit und höhere Beiträge an die EU zurück. Insgesamt lagen die ODA-Leistungen in Deutschland 2008 bei 0,38% des BNE. Schuldenerlasse beliefen sich 2008 auf 2,6 Mrd. US-$. Ohne Schuldenerlasse lag die inflations- und wechselkursbereinigte Steigerungsrate der deutschen ODA bei 12,1%. Um bis 2010 das im Rahmen der EU vereinbarte Ziel von 0,51% ODA/BNE zu erreichen, müsste die deutsche staatliche Entwicklungshilfe von 2008 bis 2010 um 27%, bzw. um rund 3,8 Mrd. US-$ erhöht werden.
“Die OECD-Zahlen für 2008 belegen, dass Deutschland sein Engagement für die weltweite Armutsbekämpfung kontinuierlich ausbaut”, sagte die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. “Wir stehen zu der europäischen Zusage, die ODA-Quote bis 2010 auf 0,51 Prozent und bis 2015 auf 0,7 Prozent zu steigern.”
Den Anstieg der ODA insgesamt nannte die Ministerin “ermutigend”. Er sei aber angesichts der dramatischen Folgen der Finanz-, Wirtschafts- und Nahrungsmittelkrise auch dringend notwendig. “Insgesamt muss die internationale Gemeinschaft ihr Engagement noch deutlich steigern. Nur dann können die Millenniumsentwicklungsziele bis 2015 auch tatsächlich erreicht werden”, so Wieczorek-Zeul. “Die Mittel für die Armutsbekämpfung haben eine positive antizyklische Wirkung. Diesen Effekt müssen wir gerade jetzt nutzen.”
Die kombinierten ODA-Nettoleistungen der 15 DAC-Mitglieder, die der EU angehören sind 2008 um real 8,6% auf 70,2 Mrd. US-$ gestiegen. Der ODA-Anteil am BNE aller DAC-EU-Mitgliedstaaten stieg auf 0,42%. Einen Rückgang der ODA-Nettoleistungen aufgrund eines geringeren Schuldenerlassvolumens im Vergleich zu 2007 verzeichnete Österreich (-14.0%). Die ODA-Nettoleistungen der Europäischen Kommission stiegen um real 6,8% auf 13,4 Mrd. US-$, infolge einer Zunahme der technischen Zusammenarbeit und der humanitären Hilfe.
Zu den DAC-Mitgliedstaaten zählen neben den EU-Ländern die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Norwegen und die Schweiz. Bei den Geberländern, die nicht Mitglieder des DAC sind, entwickelten sich die ODA-Nettoleistungen 2008 wie folgt: Tschechische Republik -0.4%, Ungarn -7.4%, Korea +31.5%).
20 MRD. US-$ FEHLBETRAG
Auf den beiden Gipfeltreffen im Jahre 2005 (Gleneagles G8 und UNO-Millennium+5) hatten sich die Geber verpflichtet, ihre Entwicklungshilfe zu erhöhen. Die Zusagen dieser Treffen zusammen mit anderen verbindlichen Zusagen bedeuten, dass die EZ-Leistungen von 80 Mrd. US-$ im Jahre 2004 auf 130 Mrd. US-$ im Jahre 2010 (zu konstanten Preisen des Jahres 2004) ansteigen muss.
Seit 2005 haben einige Länder ihre Ziele leicht gesenkt, doch der überwiegende Teil der Zusagen gilt nach wie vor, so die OECD. Allerdings werden das geringere Wirtschaftswachstum im Jahr 2008 und die voraussichtliche Rezession 2009 den Geldwert der Verpflichtungen reduzieren, da sich diese auf einen Prozentsatz des Nationaleinkommens beziehen.
Insgesamt entsprechen die derzeitigen Zusagen, so die OECD, zu Preisen und Wechselkursen von 2004 ODA-Leistungen in Höhe von 121 Mrd. US-$. Sie liegen damit um 20 Mrd. US-$ über den gezahlten ODA-Leistungen von 2008. Einer neuen Erhebung über die Ausgabenplanung der Geber sei zu entnehmen, dass zwischen 2008 und 2010 mit einer Aufstockung der programmierten Hilfe um 11% gerechnet werden kann, darunter auch größere Beträge von einigen multilateralen Einrichtungen. Auch der Schuldenerlass dürfte leicht zunehmen, da die Schulden der noch übrigen hochverschuldeten armen Länder vom Pariser Club geregelt werden.
Dennoch müsse man davon ausgehen, dass die Geber zu ihren derzeitigen Ausgabenpläne noch um mindestens 10 bis 15 Mrd. US-$ aufstocken müssen, um ihren derzeitigen Verpflichtungen bis 2010 nachzukommen, warnt die OECD. Die ODA-Zahlen von 2008 sowie die bestehenden Ausgabenprogramme legten aber nahe, “dass mit einigen zusätzlichen Anstrengungen die meisten Geber ihre Ziele bis 2010 erreichen können”.
In einigen Ländern ist laut OECDE-Berichz aber mit umfangreichen Defiziten zu rechnen. In Österreich, Italien und Griechenland lagen die ODA-Leistungen im Jahr 2008 ohne Schuldenerlass “weit unter der Hälfte der Zielvorgaben für 2010”.
ENTWICKLUNGSHILFE UND DIE KRISE
Die gegenwärtige globale Finanzkrise “hat starke Auswirkungen auf die einkommensschwachen Länder”, warnt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. “Weltweit schrumpft das Handelsvolumen stärker als jemals zuvor seit 1929, und die Preise von Rohstoffen, auf deren Export insbesondere die einkommensschwachen Länder angewiesen sind, fallen dramatisch.” Ausländische Direktinvestitionen und andere private Mittelzuflüsse sinken, und 2009 sei auch mit einem erheblichen Rückgang der Überweisungen von Arbeitsmigranten zu rechnen. Die Haushalte vieler Entwicklungsländer hätten in den vergangenen zwei Jahren massiv unter den steigenden Preisen für Nahrungsmittel und Erdöl gelitten. Viele Länder seien deshalb kaum in der Lage, die derzeitige Finanzkrise zu bewältigen.
“Zwar sind die Auswirkungen und die Dauer der Finanzkrise noch nicht zu übersehen, doch in jedem Fall sollte die Entwicklungszusammenarbeit eine antizyklische Rolle spielen, um das Versiegen der Mittel für Entwicklungsländer aufzuhalten und umzukehren”, fordert der DAC-Ausschuss. Kürzungen der EZ-Leistungen zum jetzigen Zeitpunkt hätten “eine gefährliche Überbelastung der Entwicklungsländer zur Folge, die bereits heute mit geringerem Einkommen und wachsender Armut konfrontiert sind, und sie würden wahrscheinlich einen Teil der Fortschritte zunichte machen, die auf dem Weg zur Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele bereits gemacht worden sind”.
Ende 2008 hatten OECD-Generalsekretär Angel Gurría und der DAC-Vorsitzende Eckhard Deutscher das “Aid Pledge” vorgestellt, in dem die Mitglieder des DAC aufgerufen werden, ihre Verpflichtungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit zu bekräftigen. Die DAC-Mitglieder folgten diesem Aufruf im November. Die Weltbank und der IWF riefen jüngst erneut zu einer Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit auf.
“Wenn sichergestellt werden soll, dass die EZ-Leistungen antizyklisch wirken, dann müssen die entsprechenden Maßnahmen weltweit und auf Landesebene klare politische Priorität erhalten und koordiniert werden”, betont die OECD. Die Teilnehmer der DAC-Jahrestagung Ende Mai dieses Jahres werden die gegenwärtigen und zu erwartenden Auswirkungen der Krise sowie die Frage erörtern, wie Initiativen zur Unterstützung der Entwicklungsländer während der Krise geschaffen und gefördert werden können.
Christian Ruck, entwicklungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erklärte zu den Zahlen, die OECD habe “bestätigt, dass die von Angela Merkel geführte Bundesregierung ihre Versprechen gehalten hat. Als zweitgrößter Geber steht Deutschland in schwierigen Zeiten solidarisch an der Seite der Entwicklungsländer”.
Investitionen der Entwicklungszusammenarbeit, so Ruck, seien auch in Zeiten der Krise notwendig, um die Lage in den Entwicklungsländern zu stabilisieren. “Mit dieser präventiven Sicherheitspolitik helfen wir, Chaos und Unruhen zu verhindern. Gleichzeitig haben diese Investitionen auch eine positive Rückwirkung auf unsere Exportindustrie.”
Die Kritik an der Höhe der deutschen Entwicklungsleistungen im Vergleich zu den Aufwendungen zur Finanzmarktstabilisierung “geht fehl”, meinte Ruck. “Es ist nicht sinnvoll, die vorrangig für Banken gegebenen Bürgschaften mit tatsächlich fließenden Geldern der Entwicklungsleistungen zu vergleichen. Zudem sollte bedacht werden, dass ohne die Stützung des ‘Blutkreislaufs’ der Wirtschaft auch sehr schnell die Grundlage der Erwirtschaftung von öffentlichen Entwicklungsleistungen entfallen könnte. Das wäre ein klassisches Eigentor.”
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